Auf dem Video ist nichts, das den Ermittlern auch nur einen Deut weiterhelfen könnte. Selbst die alte Lehrerin, die sich noch an den Tag erinnern kann, als das Band aufgenommen wurde, die es viele Male angeschaut hat, konnte nichts Auffälliges entdecken. Rubine und ihre Kollegin, denen die Instrumente kriminalistischer Ermittlungsarbeit zur Verfügung stehen, kommen nur sehr langsam vorn. Die Aufklärung jenes sehr lang zurückliegenden Falles im Zusammenhang mit den aktuellen Mordfällen erinnert an das Zusammensetzen eines Puzzles, ohne auch nur annähernd zu wissen, wie das Endergebnis ausschauen wird.
Das Glück ist mit dem Tüchtigen. So sagt man. Für Rubine ist der Mörder verdammt tüchtig. Glück hat er auf jeden Fall. Zu viel davon. Und langsam verliert Rubine die Geduld. Die beiden Autoren Mythic und Francois Walthery haben ihrer Rubine mit der Fortsetzung von Klassenfoto (Band 11) eine ordentliche Nuss zu knacken gegeben. Ein Videoband, so altmodisch es auch inzwischen scheinen mag, ist der Schlüssel zu einer Erpressungsserie. Mehr noch. Es ist ein Beweismittel, das der Mörder unbedingt vernichtet sehen will. Und die Erpressten gleich mit.
Bis Rubine und ihre Kollegin diesen Schlüssel erkennen, ist ihnen der Mörder mehr als nur einen Schritt voraus. Die Einzelheiten, wie auch die Mitspieler in diesem Kriminalfall sind vielfältig. So mancher erhält nur eine sehr kurze Einführung, die aber oft ausreicht, um die Figur sehr lebendig, mit Ecken und Kanten zu zeigen. Diese Amerikaner wollen sich auch selten kampflos ergeben, so dass der Mörder nicht einmal leichtes Spiel bei der Erledigung seiner Arbeit hat. Doch seine Skrupellosigkeit übertrifft leider jene seiner Opfer. Eine Kostümfeier, die ausgerechnet das Motto Bösewichter trägt, mündet in eine halsbrecherischen Verfolgungsjagd.
Mit diesem Comic-Thriller brauchen sich Di Sano, Mythic und Walthery nicht hinter vergleichbaren Geschichten zu verstecken. Mord und Totschlag, Jugendsünden und politische wie auch familiäre Intrigen bündeln sich zu einer Mörderhatz, die weder dem Leser noch den ermittelnden Beamtinnen eine Atempause übrig lässt. Diese Folge ist ein steter Wettlauf gegen die Zeit, nicht nur für die Polizei. Der Bösewicht ist herrlich unsympathisch geraten, dabei aber sehr effektiv, abgebrüht und taktierend.
Bösewichter: Wer als Comic-Fan etwas bewandert ist, in Historie nicht unbedarft ist, seinen Disney kennt, Literatur und manchmal einen Ausflug ins Kino macht, wird auf dem Kostümfest ein paar bekannte Gesichter entdecken. Die Mixtur ist ordentlich, interessant und lässt auch an der Art und Weise, wie sich die einzelnen Gäste verkleidet haben, Raum für mehr als nur ein Augenzwinkern.
Stilistisch bleibt Rubine dem leichten Cartoon-Strich treu, der sehr über die Ernsthaftigkeit der jeweiligen Handlung hinwegtäuscht. Man kann nicht einmal von einer Parodie sprechen, da die Komik komplett fehlt. Allenfalls könnte den Autoren eine gewisse Ironie unterstellt werden, wenn dem Mörder im Falle eines beteiligten Skateboards die Arbeit mehr oder weniger noch abgenommen wird. Das ist aber die Ausnahme. Rubine, die zwar nicht abseits steht, hat mit der Figur des Mörders jemanden, der auf Augenhöhe rangiert und einen hohen Anteil an der Erzählung hat. Entsprechend reicht die Tatkraft des Mörders bis kurz vor Schluss, bis … Aber es soll nicht zu viel verraten werden.
Ein sehr gelungener, kurzweiliger zweiter Teil einer Doppelfolge von Rubine. Wendung folgt auf Wendung und kurzzeitig entsteht sogar der Eindruck, der Mörder könne es tatsächlich schaffen, er rothaarigen Ermittlerin zu entkommen. Ein feines Album der Reihe! 🙂
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