Ein Leben in Zeitlupe. In schönen Situationen vielleicht erstrebenswert, um den Moment noch intensiver auskosten zu können. Bei einem Fall aus dem 200. Stockwerk ist eine Zeitlupe für den Stürzenden alles andere als vorteilhaft. Viel Zeit, um den Boden näher kommen zu sehen. Aber für Ma-Ma, die den mit Abertausenden Menschen bewohnten Block Peach Trees aus der obersten Etage beherrscht, bedeutet eine solche Hinrichtung nicht nur die Statuierung eines Exempels, sondern auch Amüsement. Für die Judges bedeutet der Tod dreier Menschen nach einem solchen Sturz Arbeit. Ein Verbrechen will aufgeklärt werden. Ein Verbrechen, anteilig zu den sechs Prozent aller Verbrechen der Stadt gehörend, die sie überhaupt bearbeiten können. Judge Dredd soll ausgerechnet an diesem Tag, bei diesem Fall eine Rekrutin testen. Ihre bisherigen Bewertungen zeigen nicht, dass sie die ersten 24 Stunden als Judge überhaupt überstehen wird.
Judge Dredd gehört zu jenen Comic-Figuren, die vollkommen kompromisslos mit der Anarchie der Zukunft spielen, in der Freaks an der Tagesordnung sind und der Normalbürger zu einem Kuriosum geworden ist. Die Judges, die letzte Verteidigungslinie vor dem totalen Chaos, sind Ankläger, Richter und Vollstrecker in einer Person, obwohl letztere Bezeichnung sicherlich auch als Henker treffender wäre. Denn meistens ist der Tod die einzig denkbare Strafe, die von den Judges verhängt wird. In einer Stadt, Mega-City One, in der sich 800 Millionen Menschen drängen, hat ein Gefängnis, sogar die Einzelhaft ihren Schrecken verloren.
Nach einer ersten Verfilmung des Themas mit Sylvester Stallone in der Hauptrolle, hat sich nun Karl Urban der Figur des Judge Dredd angenommen und leiht ihr seinen markanten Unterkiefer, denn viel mehr werden Fans des Schauspielers, der bald wieder in der Rolle des Pille (Star Trek) auf der Leinwand zu sehen sein wird, nicht unbedeckt zu sehen bekommen. Dredd ist gemäß seiner Comic-Vorlage kein großer Redner vor dem Herrn. Er ist das Gesetz, wie er gerne betont und er ist auch kein Mensch, dem irgendwelche außerberufliche Hobbys zugetraut werden. Dredd sorgt dafür, dass die Verbrechensrate ein wenig eingedämmt wird.
Die Verfilmung von Regisseur Pete Travis nach dem Skript von Alex Garland nimmt den Zuschauer auf einen Auftrag des Richters mit. Alex Garland, der dem Zombie-Mythos mit dem Drehbuch zu 28 Days Later einen neuen Schub gab, schickt Dredd, gerade so, wie es in einem der vielen Comics um Dredd auch ablaufen würde (und ähnlich auch abgelaufen ist), in einen einzigen Fall. Sieht man von einer kurzen Einleitung ab, wird Dredd auf Ma-Ma angesetzt, die mit einer neuartigen Droge den Markt erobern will. An Dredds Seite befindet sich die Rekrutin Anderson, die mit einer besonderen Begabung, Telepathie, gesegnet ist und sich als gute Ergänzung im Dienst der Judges erweisen könnte. Wenn sie diesen Fall überlebt.
Auch mit der Figur der Cassandra Anderson spielt der Film mit einem Charakter aus der Comic-Reihe. Insgesamt aber bleiben die Figuren, bis auf Dredd selbst, hinter der Überdrehtheit der Comic-Vorlage zurück. Die Leinwand hätte so viel futuristischen Wahnsinn, wie ihn der Comic bietet, nicht verkraftet und hätte das Publikum ähnlich ratlos zurückgelassen wie einst The Spirit bei seinem Kinoauftritt. So versucht die Verfilmung von Dredd bei tatsächlichen zukünftigen Möglichkeiten zu bleiben, sieht man einmal von einer sprachgesteuerten Pistole ab … Obwohl, wer weiß, was gerade alles ausgebrütet wird.
Wenn zwei Polizisten in ein Gebäude gehen, in dem 75000 Menschen leben und die Chefin einer Verbrecherorganisation den Laden völlig unter Kontrolle hat und befiehlt, die beiden Judges umzubringen, wie könnten es die Polizisten dennoch schaffen, den obersten Level zu erreichen und ins Allerheiligste von Ma-Ma einzudringen? Wenn der Großteil der dort lebenden Menschen einzig versucht am Leben zu bleiben, werden sie sich nicht gegen zwei schießwütige Judges stellen und noch weniger zwischen die Fronten. So bleiben die meisten Türen geschlossen. Judge Dredd hat mit Ma-Ma (herrlich eklig gespielt von Ex-Sarah-Connor Lena Headey) eine würdige Gegenspielerin, die weiß, wann es um Alles oder Nichts geht. Neben einigen ziemlich krachenden Sequenzen, die die hohe Altersfreigabe auch rechtfertigen, gibt es sehr spannende Einblicke in die Gedankenwelt eines Telepathen und seine Möglichkeiten, sich im Kampf zu bewähren. Hier gibt es Überraschungen, die Alex Garland noch mehr hätte ausbauen können.
Ganz im Sinne der Comics verfilmt, sehr hart zur Sache gehend, nicht ganz so überdreht wie es die Comic-Vorlage manchmal gewesen ist. Als Genre-Film passt er und gehört in die Riege der neueren, realistischeren Comic-Verfilmungen. Karl Urban bewährt sich auch als Dredd und könnte gerne für eine Fortsetzung zur Verfügung stehen. 🙂
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