Dienstag, 30. April 2013
In der Stichflamme ist eine Figur, eine Gestalt zu erkennen. Monströs, alles verbrennend fällt sie über Carter Hall her, der doch nichts anderes wollte, als mit seinem Leben als Hawkman endgültig abzuschließen. Zunächst könnte es wirklich ein Ende sein. Das Ende des Lebens. Aber das Leben hat noch einiges mit Carter Hall vor. Es wird ihm geschenkt. Der Preis ist hoch. Die Überlebenskämpfe, gegen das Böse in mannigfaltiger Form wird fortgesetzt, grausamer, finsterer. Die Rüstung Hawkmans, nun ein Teil von ihm, eine bessere Waffe und Schutz als sie jemals gewesen ist, muss alles geben, um ihren Wirt am Leben zu erhalten.
Er ist einer der ungewöhnlichsten Helden im DC-Universum. Das will bei der Fülle von Helden und Schurken in diesem Comic-Universum etwas heißen. Angetan mit einem Helm, der einem Falkenkopf ähnelt, riesigen Schwingen und zumeist mit einer Kriegskeule bewaffnet, legt er innerhalb diverser Abenteuer unverwechselbare Auftritte hin und kann durch seine finstere, geheimnisvolle Art sogar jemanden wie Batman zeitweilig in den Schatten stellen.
Nun ist er wieder da! In einem veränderten Universum, in dem viele Figuren aus dem Hause DC eine Transformation erfahren haben, steht auch der Hawkman seinen Kollegen in Nichts nach. Carter Hall, das normale Ich, der Alltagsbürger, der sich hinter Hawkman verbirgt, versucht, seine Rüstung zu vernichten. Die Aktion misslingt nicht nur, Carter bewirkt das genaue Gegenteil. Die Rüstung wird zu einem körperlichen Teil von ihm, die sich genau dann einen Weg nach draußen bahnt, wenn Gefahr im Verzug ist. Der goldene Ritter der Lüfte erinnert so ein wenig an die Darkness. Eine ähnlich dunkle Atmosphäre zieht auf, die Gegner sind ausgesprochen unheimlich und nicht ganz so normal wie jene, mit denen es zum Beispiel ein Superman zu tun bekommt.
Hawkman, der mit seiner neuen Existenzform erst einmal einen halbwegs vernünftigen Weg durchs Leben finden muss, erhält von Autor Tony S. Daniel gleich zu Beginn einen dämonisch erscheinenden, außerirdischen Gegner, der unüberwindlich zu sein glaubt. Und tatsächlich bereitet er Hawkman erhebliche Schwierigkeiten. In einer grafischen Stilistik, die mehr an europäische Graphic Novels erinnert, mit einem Anflug des Stils von Mike Mignola (betrachtet man die außerirdischen Wesen), und einer Farbgebung, die mehr an organisch, natürlichem Aussehen interessiert ist und mal verwischt und sprenkelt, entwickeln sich düstere erste Abenteuer.
Nach der Zombie-Attacke auf das DC-Universum ist die Dunkelheit auch hier angekommen, hat sich aber inzwischen wieder auf ein normales Maß zurückgezogen. Nur bei Hawkman wird die Mystery-Flagge weiterhin hoch gehalten. So ist es auch sicherlich kein Zufall, dass ein Künstler wie Phillip Tan zur Serie hinzugezogen wurde, ist er doch schon mit seiner Arbeit zum Fantasy-Kartenspiel Magic: The Gathering aufgefallen. Hawkman schafft schließlich auch den Brückenschlag zum Dunklen Ritter, denn er sieht auch mit einem von Batmans ehemaligen Feinden konfrontiert: dem Gentleman-Geist. Das ist unheimlicher, auch bodenständiger als der Beginn, bevor, ja, bevor …
… die Zombies kommen. Die Untoten haben sich zu einer echten Kulturikone entwickelt, die inzwischen durch jedes Genre und jedes Medium taumelt oder rennt. So setzt sich eine schön spektakuläre Grafik fort, bis es wieder etwas traditioneller wird. Die Technik von Art Thibert erinnert an die Strichführung von Paul Gulacy (James Bond, Conan). Etwas starrer, stark auf die Tuscheüberarbeitung ausgerichtet, sehr exakt, fast streng, aber auch mit sehr vielen Einzelheiten versehen. Bei Thibert ist die Action übersichtlich, es knallt, aber das Bild lässt einem Zeit, alles zu erfassen.
Ein Mystery-Auftakt, sehr mystisch, auch ziemlich fremd, in einem doch eher bunten Comic-Universum voller Superhelden, doch es ist auch angenehm anders und höchst spannend von Tony S. Daniel und anderen in Szene gesetzt. Einer der Zeichner, Phillip Tan, weiß mit seiner Arbeit besonders zu überzeugen. Ein gelungener Neustart. 🙂
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Freitag, 26. April 2013
Denn die Zeit ist nahe. Das Ende aller Tage. Gott richtet, die Welt, wie wir sie kennen, geht unter. Johannes sieht mit menschlichen Augen jene Vision vom Untergang der menschlichen Zivilisation, er sieht ihre Bestrafung, ihren Trost, die Wendepunkte der Apokalypse. Er interpretiert. Etwas anderes bleibt ihm nicht übrig. Zu bildgewaltig ist die Prophezeiung, die Gott ihm offenbart, die Johannes mit den Worten Gottes unter die Menschen tragen soll. Für den Propheten selbst wird die Offenbarung eine Bilderflut, die ihn an den Rand des Verständnisses treibt, die seinen Geist zu sprengen droht.
Das geheimnisvollste Werk der Bibel lässt viele Fragen offen, ist besonders unheimlich in seiner Weltuntergangsbeschreibung. Die Offenbarung des Johannes erläutert in der christlichen Lehre den Untergang, das Ende der Welt, die so genannte Apokalypse. Doch bleibt sie bei aller Beschreibung dennoch schwer vorstellbar. Die beiden Künstler Matt Dorff und Chris Koelle haben sich des Themas im Detail angenommen und das Buch der Offenbarung in ein monumentales Epos verwandelt. Es ist eine Geschichte der Vernichtung, aber auch des Neubeginns. Es handelt von Belohnung und Bestrafung für all jene die an Gott glauben und die ihn verleugnen. Über alle Plagen und Erdbeben, den Feuern, die von den Himmeln fallen, den apokalyptischen Reitern und vieles Grausame mehr hinweg entsteht Hoffnung. Johannes steht und staunt, weint, lacht vor Glück über den Trost Gottes.
Visionen des Wahns: Johannes erlebt das Unfassbare, er begegnet Engeln, sieht ihr Werk ebenso wie jenes, das von den Tieren verbreitet wird. Der Text dazu, der sich nach der Übersetzung Martin Luthers richtet, wird von Matt Dorff lediglich aufgeteilt, Bildern zugewiesen, wenn man es so ausdrücken will. Der amerikanische Art Director zerlegt die kryptischen Bestandteile in verständliche Teile, die für Illustrator Chris Koelle zur Grundlage seiner Grafiken werden. Und was für Grafiken das sind!
Und die Heuschrecken sahen aus wie Rosse, die zum Krieg gerüstet sind.
Mit feinsten Strichen, an Stiche erinnernd, mit ausdrucksstarken Lichtspielen und Schatteneffekten wird der Weltuntergang wie auf einer Theaterbühne inszeniert. Die Figuren kommen nicht einfach nur ins Bild, sie treten auf und ähnlich staunend wie Johannes, dessen ungläubiger Blick Trauer, Wahnsinn und Hoffnung widerspiegelt. Aus der grafischen Darstellung wird deutlich, wie sehr sich die Apokalypse steigert, wie sehr die Kapitel sich voneinander unterscheiden und stets eine andere Macht richtungsweisend ist, himmlisch oder höllisch. Vernichtend sind sie auf ihre Art beide. Auch lassen sie beide auf ihre Art ihre Anhänger am Leben. Doch wenn sie töten, dann quälen sie auch. Keine Seite macht hier einen Unterschied.
Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.
Das Titelbild mit seiner sanftgoldenen Tönung gibt einen Eindruck von der Art der Kolorierung, die stets einem Grundton folgt. Golden, rot, grau, bläulich ist das Ende der bekannten Welt unterlegt. Das hat seinen Sinn, denn Johannes erfährt auch, wohin die Reise der Apokalypse geht, die letztlich nichts anderes als eine Transformation ist, eine (bittere) Lehre und eine Belohnung wie auch ein Neubeginn. Denn dort, ganz kurz, herrscht Farbenpracht, wenn der Frieden und das Glück für die Menschheit Einzug halten.
Wenn das besonders Gute oder das besonders Böse seinen Auftritt hat, sind die Eindrücke am stärksten. Die Engel, weitaus schwerer zu gestalten als das Tier, dem jede Form genehm ist, sofern nur das Furchtbare seinen Platz darin findet, sind Giganten, Statuen, nicht ganz menschlich, Lichtgestalten, mit riesigen Flügeln. Sie sind Diener eines Gottes, daran kann bei ihrem Auftritt kein Zweifel bestehen, während das Tier brüllt, sich auch in den Schatten verbirgt, bevor es menschliche Gestalt und für kurze Zeit die Herrschaft auf Erden übernimmt.
Was soll man sagen: Das Buch der Offenbarung ist eine der stärksten, eindrücklichsten Passagen in der Bibel. Matt Dorff und Chris Koelle ist es gelungen, die Gefühlswellen, die jene meist finstere Erzählung und Vision durchlaufen, perfekt in (anders lässt es sich entgegen der Thematik nicht sagen) wunderschönen Bildern einzufangen. Wer diese packende Apokalypse einmal anders, regelrecht erleben möchte, sollte einen Blick riskieren. Denn eine neue Sicht auf diese Offenbarung ist es, bei der großen Nähe zum Text, auf jeden Fall. 🙂
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Donnerstag, 25. April 2013
Ein Laserschwert? Sollte ein Mann um die 40 nicht zu alt dafür sein? Raphael nimmt das Geschenk mit einem vor Freude strahlenden Lächeln an. Sie nennen sich Jungs und Mädels, schenken sich Spielzeug und Süßigkeiten, rauchen und trinken, bis sie blau sind. Sie sind ewig jung, noch, bis ein Geschenk auftaucht, das ihnen zeigt, dass sie genau das eben nicht mehr sind: jung. Sondern um die 40. Nicht 20, wie das Pärchen auf der alten Aufnahme eines VHS-Videobandes. Sie tun heute sorglos, sind es aber nicht. Nicht so wie das Pärchen auf dem Videoband. Das hatte diese Jugend, diese Einfalt, diese Liebe, dieses Glück. Und dieses Lächeln. Mein Gott, dieses Lächeln!
Entscheidungen. Das Leben wird von Entscheidungen beherrscht. Man kann nicht nichts tun. Als die beiden jungen Leute vor zwanzig Jahren beschließen, sich nach dieser Zeitspanne wiederzusehen, in Rom, für eine Nacht, ganz gleich, was kommen mag, wirkt es zunächst wie ein Jux. Ein Versprechen, auf Videoband aufgenommen, ist eine nette Rückschau für Raphael. Zunächst. Schnell, viel schneller als ihm lieb ist, nagt die Botschaft dieses Bandes an ihm. Jetzt, zwanzig Jahre später, soll er seinen 40. Geburtstag gemeinsam mit Marie, seiner Jugendliebe verbringen. Sie hat ihm das Band geschickt. Sie wartet. Und Raphael dreht langsam durch. Er wägt ab, was er alles hat. Vor allem privat wirft er sein Leben in die Waagschale. Mit Sophie ist er eigentlich glücklich. Sophie ist gut für ihn. Marie hingegen ist Gift.
Verlockungen. Man weiß, dass es nicht gut ist, ihnen nachzugeben. Man wähnt sich derart erwachsen, dass man gegen sie argumentieren kann. Doch das Gefühl … Autor und Zeichner Jim, ein Künstler, der beide Seiten der Comic-Medaille beherrscht, jene mit Tiefgang, mit viel Menschlichkeit erzählt, und jene, die fern in Raum und Zeit spielen, die auf den Kracher setzen (YIU), ist im Comic-Genre allgemein eine der besonderen Größen. Hier nimmt er den Leser mit in eine sehr spezielle Phase des Erwachsenseins, auch in eine spezielle Beziehung.
Nicht jeder wird eine derart selbstzerstörerische Beziehung erleben. Auch die beiden Charaktere Raphael und Marie scheinen zunächst diese Beziehung weit und lange hinter sich gelassen zu haben. Viele Jahre sind vergangen, seit sie sich zum letzten Mal sahen. Doch die Magie, eine unangenehme, süßliche Anziehung, die wie eine Droge auf beide wirkt. Jim schildert die Entwicklung, den Drang dazu, das Treffen wahrzunehmen zuerst aus der Sicht Raphaels, kurz vor einer Mittellebenskrise stehend. Fragen schweben im Raum. Träume. Vor allem Träume. Sie äußern sich in Worten, aber auch in Blicken. In Haltungen. Ein Gefühl liegt in der Luft. Mancher fragt sich, ob wenigstens alles so ist, wie es sein sollte. Ob wird gerade in diesem Augenblick etwas verpasst? Wird man sich später über das Verpasste ärgern? Wann lohnt sich ein Risiko?
Auch Jim will diese Frage nicht beantworten. Er lässt seine Akteure Antworten finden. Keine guten Antworten, keine Ratschläge. Denn es gibt hier keine guten Ratschläge. Es gibt allenfalls eine Weisheit. Man kann nicht die eine Sache haben, ohne eine andere aufzugeben. Nicht: Alles oder nichts. Sondern: Dieses oder jenes. Jim beschäftigte sich bereits in Sonnenfinsternis und Die Einladung auf ausgezeichnete Weise mit menschlichen Beziehungen und Bedürfnissen. Hier hat er außerdem den Zeichenstift in die Hand genommen. Realistisch skizziert, mit butterleichter Abstraktion, ein wenig lieblicher als die Wirklichkeit, kommuniziert Jim über Gesichtsausdrücke, eindeutige Szenen und den wunderbaren Kniff, seine Leser mitdenken und knobeln zu lassen.
Menschen und Paris. Menschen und Rom Beide Städte stehen für eine Lebensart. Beide haben es geschafft, ein Gefühl zu vermitteln, durch ihre äußere Erscheinung, Literatur und Film. La Dolce Vita. Außer Atem. Jim lässt diese Gefühle in seine Geschichte einfließen, lässt seine Figuren zu Trägern dieser Gefühle werden. Ein Lachen, die Verzweiflung in den Augen, Liebe im Swimmingpool, eine Party in Paris. Und schließlich vermitteln einfache wie auch eindrückliche Farben jahreszeitliche Bedrückungen und Beglückungen, Gegensätze von Hektik und Ruhe, Landluft und Smog. Aus einer scheinbar unkomplizierten Handlung wird ein komplexes Muster, will man als Leser nur alles genüsslich in sich aufnehmen und begreifen. Oder man lässt sich an der Seite von Raphael einfach in den brodelnden Gefühlsstrudel zweier Menschen hineintreiben.
Ein ausführlich wie auch sehr interessanter Anhang vermittelt fein, wie sehr Jim mit Eindrücken und Ausdrücken, Details spielt, um das rechte Maß für die jeweilige Szene zu finden.
Hier ist ein fantastischer Erzähler am Werk. Jim führt eine Generation und ihre Leben ins Feld, ihre Lieben und Prinzipien, Träume, die sie haben und sich noch nehmen wollen. Hier muss bald der abschließende zweite Band her. Das ist zu gut, um lange darauf zu warten. 🙂
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Montag, 22. April 2013
Auf dem Video ist nichts, das den Ermittlern auch nur einen Deut weiterhelfen könnte. Selbst die alte Lehrerin, die sich noch an den Tag erinnern kann, als das Band aufgenommen wurde, die es viele Male angeschaut hat, konnte nichts Auffälliges entdecken. Rubine und ihre Kollegin, denen die Instrumente kriminalistischer Ermittlungsarbeit zur Verfügung stehen, kommen nur sehr langsam vorn. Die Aufklärung jenes sehr lang zurückliegenden Falles im Zusammenhang mit den aktuellen Mordfällen erinnert an das Zusammensetzen eines Puzzles, ohne auch nur annähernd zu wissen, wie das Endergebnis ausschauen wird.
Das Glück ist mit dem Tüchtigen. So sagt man. Für Rubine ist der Mörder verdammt tüchtig. Glück hat er auf jeden Fall. Zu viel davon. Und langsam verliert Rubine die Geduld. Die beiden Autoren Mythic und Francois Walthery haben ihrer Rubine mit der Fortsetzung von Klassenfoto (Band 11) eine ordentliche Nuss zu knacken gegeben. Ein Videoband, so altmodisch es auch inzwischen scheinen mag, ist der Schlüssel zu einer Erpressungsserie. Mehr noch. Es ist ein Beweismittel, das der Mörder unbedingt vernichtet sehen will. Und die Erpressten gleich mit.
Bis Rubine und ihre Kollegin diesen Schlüssel erkennen, ist ihnen der Mörder mehr als nur einen Schritt voraus. Die Einzelheiten, wie auch die Mitspieler in diesem Kriminalfall sind vielfältig. So mancher erhält nur eine sehr kurze Einführung, die aber oft ausreicht, um die Figur sehr lebendig, mit Ecken und Kanten zu zeigen. Diese Amerikaner wollen sich auch selten kampflos ergeben, so dass der Mörder nicht einmal leichtes Spiel bei der Erledigung seiner Arbeit hat. Doch seine Skrupellosigkeit übertrifft leider jene seiner Opfer. Eine Kostümfeier, die ausgerechnet das Motto Bösewichter trägt, mündet in eine halsbrecherischen Verfolgungsjagd.
Mit diesem Comic-Thriller brauchen sich Di Sano, Mythic und Walthery nicht hinter vergleichbaren Geschichten zu verstecken. Mord und Totschlag, Jugendsünden und politische wie auch familiäre Intrigen bündeln sich zu einer Mörderhatz, die weder dem Leser noch den ermittelnden Beamtinnen eine Atempause übrig lässt. Diese Folge ist ein steter Wettlauf gegen die Zeit, nicht nur für die Polizei. Der Bösewicht ist herrlich unsympathisch geraten, dabei aber sehr effektiv, abgebrüht und taktierend.
Bösewichter: Wer als Comic-Fan etwas bewandert ist, in Historie nicht unbedarft ist, seinen Disney kennt, Literatur und manchmal einen Ausflug ins Kino macht, wird auf dem Kostümfest ein paar bekannte Gesichter entdecken. Die Mixtur ist ordentlich, interessant und lässt auch an der Art und Weise, wie sich die einzelnen Gäste verkleidet haben, Raum für mehr als nur ein Augenzwinkern.
Stilistisch bleibt Rubine dem leichten Cartoon-Strich treu, der sehr über die Ernsthaftigkeit der jeweiligen Handlung hinwegtäuscht. Man kann nicht einmal von einer Parodie sprechen, da die Komik komplett fehlt. Allenfalls könnte den Autoren eine gewisse Ironie unterstellt werden, wenn dem Mörder im Falle eines beteiligten Skateboards die Arbeit mehr oder weniger noch abgenommen wird. Das ist aber die Ausnahme. Rubine, die zwar nicht abseits steht, hat mit der Figur des Mörders jemanden, der auf Augenhöhe rangiert und einen hohen Anteil an der Erzählung hat. Entsprechend reicht die Tatkraft des Mörders bis kurz vor Schluss, bis … Aber es soll nicht zu viel verraten werden.
Ein sehr gelungener, kurzweiliger zweiter Teil einer Doppelfolge von Rubine. Wendung folgt auf Wendung und kurzzeitig entsteht sogar der Eindruck, der Mörder könne es tatsächlich schaffen, er rothaarigen Ermittlerin zu entkommen. Ein feines Album der Reihe! 🙂
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Donnerstag, 18. April 2013
Es schläft! Nun, wie lebendig es ist, wussten die Bewohner über die kleine Aurore schon. Wie sie die Kleine beruhigen konnten, war ihnen bisher entgangen. Doch die tolle Atmosphäre, all die neuen Eindrücke in der urzeitlichen Welt, über die jene Börks wachen, haben das Mädchen schließlich doch müde werden lassen. Gut behütet und bewacht, schläft es einen glücklichen Schlaf. Aber sie kann nicht bei den Börks bleiben. Denn Aurore hat eine Familie, die sie liebt. Der gute Doktor Hundsecker ist mit dem Schicksal der kleinen Aurore vertraut, die völlig unverschuldet ihrer eigenen Entwicklung hinterherhinkt. Als er dann eine Idee hat, wie sich das Problem mit ihrer Spätentwicklung lösen lassen könnte, wird daraus der Anstoß für viele unwillkommene Verwicklungen.
Sind sie klein, mach sie noch kleiner. Oder mach die Kleinen ganz groß. Pierre Seron liebt das Spiel mit der Größe. Er schickte riesige Insekten in die Welt der Großen und nun wird der allseits beliebte Renaud einmal ganz klein. Ohne Hut. Dabei beginnt es eigentlich harmlos. Aurore ist ein aufgewecktes wie auch häufig über das Ziel hinausschießende Mädchen. Sie gehorcht nicht recht und weiß nicht, wann es zu viel Gewalt ist, mit der sie sich in Cowboy-und-Indianer-Spiele einmischt. Aber sie erkennt auch die Gefahren nicht, die einem kleinen Mädchen drohen können (eigentlich jedem Menschen), das sich inmitten einer Dinosaurierherde begibt, wenn auch freundlich lächelnd, da sie die grünen Schuppenriesen für Kühe hält. Miss Petersilie, wie die Kleine später wegen ihres grasgrünen Haarschopfes genannt wird, entwickelt sich zu einem kleinen Problem, das noch mehr kleine Probleme nach sich zieht.
Hier hat Pierre Seron wieder einen humoristischen Nerv getroffen. Er schafft eine Ausgangssituation, die nur Slapstick nach sich ziehen kann. Ein kleiner Kniff und schon gibt er sich selbst zahllose Ideen an die Hand, wie die Geschichte von Sketch zu Sketch, von Problemlösungsversuch zu Problemlösungsversuch springt, bis ein neuerliches Problem die Lachmuskeln des Lesers reizt. Aus Renaud wird ein Baby, ein Erwachsener im Körper eines Säuglings, wie es das Titelbild bereits verrät. Am Ende heißt es: zurück zur Natur. Versöhnlich, menschlich, aber nicht in letzter Konsequenz aufgelöst.
Pierre Seron will nämlich noch weiter seinen Spaß mit dem kleinen Renaud haben. Es würde nicht so gut funktionieren, wenn es nicht an dem wäre. Seron erzählt mit Spaß, damit der Leser Spaß hat. Hier mag gleichzeitig ein Erfolgsgeheimnis dieser langlebigen Reihe begründet sein. Ameisenkrabben ist nicht nur ein ungewöhnlicher Titel des zweiten Abenteuers in dieser vorliegenden 14. Maxiausgabe der Minimenschen. Der kleine Renaud erlebt die Abenteuer etwas kindlicher, da ist es nicht weiter verwunderlich, wenn sich Seron auch an die großen Kinderabenteuer wie Flipper erinnert, wenn aber auch gleichzeitig Inspirationen von Abyss einfließen und Seron sich seine eigenen SciFi-Ideen vergegenwärtigt.
Sobald das geschieht, wird es weit weniger ökologisch, als es zunächst den Anschein hat. Es wird französisch komisch, könnte man sagen. Man stelle sich vor, James Cameron hätte Pierre Richard in die Tiefsee geschickt. Vielleicht wäre daraus etwas ganz ähnliches entstanden. Vorausgesetzt japanische Monsterfilmer hätten noch ein Wörtchen mitzusprechen gehabt. Pierre Seron serviert ein ordentliche Gagfeuerwerk, in dem Renaud versucht, am Ball zu bleiben. Dank seiner Größe, der eine Lausbubs, schwierig, aber machbar. Wetten, dass …! verfolgt im dritten Abenteuer des Bandes einen ganz anderen, weitaus ernsteren Ansatz.
Plötzlich ist ein Kind in Gefahr, ernster Gefahr, realistischer Gefahr, mit richtigem Mörder, richtigen Waffen. Doch Renaud ist wieder groß, allerdings lässt ihn Seron nicht ohne Handicap antreten. Für den Leser ist die neue Tarneigenschaft des langjährigen Helden natürlich wieder Anlass zur Heiterkeit, für Renaud selbst ist sie erst einmal ein Problem, vielleicht sogar ein noch größeres als zuvor die Kindliche Statur. Aus dem Problem mit einem Mörder wird zusätzlich ein noch gefährlicheres, umfassender, als gedacht. Plötzlich geht um die Leben eines gesamten Ortes. Die Mixtur aus Komödie und Krimi passt und lässt die Geschichte mittendrin plötzlich aufs Neue durchstarten. Seron erweist sich einmal mehr als Meister des Unerwarteten.
Neue Ideen in der 14. und vorletzten Maxiausgabe der Minimenschen. Pierre Seron beweist die Unerschöpflichkeit seines Einfallreichtums, auch den Mut, Wege zu beschreiten, die andere vielleicht abgetan hätten. Bei ihm funktioniert es! 🙂
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Mittwoch, 17. April 2013
Es ist weder für normale Bürger noch für Spione einfach, sich in diesen Tagen zwischen den Linien der verfeindeten Bürgerkriegsparteien zu bewegen. Ein Zug sollte zu einem halbwegs komfortablen Fortbewegungsmittel werden. Stattdessen wird es zu einem vorläufigen Gefängnis. Die Konföderierten fesseln Gavroche, Zelda und Georges an der Decke eines Waggons. Zähneknirschend müssen die drei Spione die Erniedrigungen über sich ergehen lassen. Noch ist der günstige Moment einer Flucht noch nicht gekommen. Als es schließlich so weit ist, scheint alles in einem großen Chaos unterzugehen …
Das Finale des ersten Zyklus von Hauteville House ist mit der vierten Folge erreicht. Technische Errungenschaften, dem Ersten Weltkrieg vorweggenommen, dämonische Spielzeuge und Eindrücke, wie sie erst durch James Bond oder Regisseure wie Spielberg und Emmerich so richtig salonfähig wurden, türmen sich hier zu einem Höhepunkt der Handlung auf. Mit den Ereignissen um die drei Spione, die sich langsam ihrem Ziel nähern, zeigen sich auch wahnwitzige Szenarien, die technisch nicht einmal unmöglich gewesen wären und sich doch von den Absurditäten tatsächlicher Kriege nähren. Atlanta erlebt einen Angriff aus der Luft, wehrt sich entsprechend und der Süden der Vereinigten Staaten geht in einem Feuerwerk aus Bomben und Granaten unter.
Fred Duval legt sich hier wahrlich keine Grenzen auf. Bereits die dritte Folge überraschte mit Einfällen, die einfach den gewöhnlichen Gang von Comic-Geschichten sprengten. Hier schreibt er einfach den Amerikanischen Bürgerkrieg mit dem Aufeinanderprallen der beiden Armeen neu. In einer historisch natürlich ungenauen Konferenz wird zuvor über das Schicksal des nordamerikanischen Kontinents und eigentlich auch der ganzen Welt entschieden. Ganz im Stile des Steampunk hat eine düstere Figur ihren Auftritt, die sich in eine lange Reihe von Bösewichtern begibt, die etwas anders, etwas merkwürdig, in jedem Fall aber sehr fies ausschauen.
Die gesamte zweite Hälfte kann als komplettes Finale gesehen werden, in dem es keine Atempause mehr gibt und Thierry Gioux sinnbildlich gesprochen alle Hände voll zu tun hat. Es sollte auf einem Schlachtfeld enden. Die Helden der Geschichte, auch die dunkleren, können (und wollen) diese Vorhersage nicht verhindern, aber es kommt auch nicht so, wie es sich die Protagonisten vorgestellt haben (oder vielleicht der Leser). Auf einer Kinoleinwand würde es nun so richtig laut krachen, die Kamera würde weitschweifig agieren und zehntausende von Soldaten und Kriegsmaschinen zeigen. Thierry Gioux muss es etwas kleiner halten (aber nur etwas).
Selbst in diesem Finale, in dem es schon groß zugeht, setzen Duval und Gioux noch einen drauf. Die Schlacht der Giganten hätte es auch genannt werden können, ohne zu viel über das Ende zu verraten. Aber die Schlacht wird mit den sehr fein gezeichneten Grafiken nicht nur in der Gigantomanie gewonnen und verloren. Es sind die Begebenheiten am Rande, die zum tatsächlichen Ende beitragen. Endlich kommen die Spione doch noch zum Zuge, um Haaresbreite. Fred Duval breitet das Ende genüsslich aus, tätigt hier noch einen Winkelzug, fügt hier noch etwas an, überrascht und zieht sämtliche Register. Das sitzt bis ins letzte Bild, spielt aber auch mit allen Techniken, die der Leser vor allem von der Kinoleinwand her kennt.
Ein Kracher zum guten Schluss, grell, laut, mit dem bewundernswerten Kniff seine Figuren und ihre Charakterzeichnung von dem krachenden Szenario nicht zu vernachlässigen. Nicht nur für Freunde des Steampunk. Die Kenntnis der ersten drei Teile ist für einen Lesegenuss hier natürlich ein Muss. 🙂
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Samstag, 13. April 2013
Magie! Könnte sie den Ausschlag zum Sieg über den Feind bringen? Für die Entdecker dieser Gefährlichen Waffe sind die Auswirkungen sofort spürbar, allerdings haben sie nichts mehr davon. Der Avatar, der seinem Gefängnis entweichen kann, greift alles und jedes an, ohne Ausnahme. Eine Rettung können nur jene sein, die sich zutrauen, dieses Geisterwesen zu steuern. Derweil haben sich andere längst aufgemacht, um die feindlichen Pläne zu verhindern. Gabriel Gavroche und Zelda, beides Agenten, begeben sich an Bord des Luftschiffes John Brown nehmen die Jagd auf das Panzerschiff Choldwig auf. Tief im Inneren des Kriegsschiffes schlummert das Monster und wartet …
In der dritten Runde von Hauteville House können sich die Akteure über Action nicht beklagen. Im Mai des Jahres 1864 haben sich neue Kriegsmethoden entwickelt. Luftschiffe jagen Panzerschiffe auf dem Meer. U-Boote und Torpedos bringen eine neue Qualität, auch Quantität in die Kriegsführung. Aus den Tiefen des Ozeans drohen ungeahnte Gefahren, während an Land, auf dem nordamerikanischen Kontinent, die beiden Bürgerkriegsparteien gegeneinander aufmarschieren und eine Gefahr sich in diesen Konflikt einzuschalten wird, deren Gewalt niemand so recht einzuschätzen vermag.
Fred Duval (Autor) und Thierry Gioux spielen ihr Spiel mit den Anspielungen (eine bewusste Formulierung) weiter und fügen Anteile vieler Ideen hinzu, die aus Hauteville House aufs Neue einen bunten Steampunk-Reigen machen. Wer das Titelbild betrachtet und nur wenig in älterer Science Fiction oder Abenteuerliteratur (oder auch Filmen) bewandert ist (sogar Comics), wird in der dort gezeigten Szene eine Anspielung auf 20000 Meilen unter dem Meer erkennen, den großen Klassiker von Jules Verne. Duval und Gioux mischen aber munter weitere Themen hinein und so mag es keine Überraschung sein, wenn es vor der Kulisse des amerikanischen Bürgerkriegs sogar ein Selznik Palace Hotel gibt.
Thierry Gioux macht seine Bösewichter gerne schnell kenntlich, überdramatisiert die Figuren. Sofort entsteht eine leichte Spaghetti-Western-Atmosphäre, die sich im Verlauf der Handlung durch entsprechenden Sequenzen noch verstärkt. In einem zweigeteilten Handlungsstrang zeichnet Gioux eine tolle Sequenz, die weit mehr ist als nur eine Anspielung auf Jules Verne. Fast ist hier schon eine Monsterhatz ablesbar, auch eine Verbeugung vor den großen und modernen Mythen unserer Zeit. Die Länge der Sequenz überrascht mit ihrer Ausführlichkeit, mit Überwasserkampf der besonderen Art, selbst für die heutzutage doch sehr reichhaltigen Action-Szenarien.
Dem steht ein eher ruhiges, auch gruseliges Szenario an Land gegenüber, in dem sich eine Spionin mit List und Tücke ihrem Ziel nähert. Ganz nebenbei wird ein neues Spiel vorgestellt, ein wenig teilerfundene Zeitgeschichte hinzugefügt und der Leser in den dunklen Süden entführt. Hier setzt Fred Duval auf Spannung mit einfachen Mitteln, ohne laut zu sein, sondern leise, auf Samtpfoten, derer er sich zum vorläufigen Ende hin sehr schön bedient. Zuvor allerdings findet noch ein Element statt, dass wenigstens optisch kurz Taran und der Zauberkessel erinnert.
Eine überaus feine Mischung, ungewöhnlich weiterhin, frisch und unverbraucht, aus dem Steampunk-Genre, das ein eher seltener Gast im Comic-Bereich ist. 🙂
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Mittwoch, 10. April 2013
Jonathan Cartland hat den Mann erkannt, den er für den Tod seiner Frau verantwortlich macht. Die Indianer, die einen der Ihren angeklagt sehen, beraten sich. Ein Gottesurteil soll die Wahrheit ans Tageslicht bringen. Mit Messern bewaffnet treten Ankläger und Angeklagter im Zweikampf gegeneinander an. Cartland ist siegesgewiss. Der Tod, so sagt er selbst, habe ihn noch nie gemocht. Gebannt verfolgen die Siedler, die Cartland in den Westen führen soll, den Kampf. Beide Kontrahenten bringen sich schwere Schnitte bei. Die Wunden schwächen die Kämpfer. Niemand will aufgeben. Aufgabe bedeutet den Tod. Doch Cartland hat einen Vorteil auf seiner Seite. Hass und Trauer geben ihm nötige Kraft, um gegen den wendigen Feind zu bestehen.
Alles beginnt mit dem fälschlich verurteilten Oglala-Indianer Two Guns. Es heißt, er soll wegen Gold einen Mann getötet haben. Einen Weißen noch dazu. Doch ein Indianer würde nicht für Gold morden. Davon ist Jonathan Cartland überzeugt. Aber Cartland ist auch nicht in der Lage, die Hinrichtung zu verhindern. Doch ihm wird die Gelegenheit geschenkt, zwei Stammesbrüdern von Two Guns das Leben weit draußen in der winterlichen Wildnis zu retten. Damit gerät Cartland in eine Geschichte, die er nicht vorhersehen konnte. Er lernt den Hass vieler Weißer auf die Indianer hautnah kennen. Noch größer scheint die Abneigung vielerorts vor jenen zu sein, die sich mit den Indianern abgeben. Cartland, der sie sogar vor dem örtlichen Armeekommandanten verteidigt, dazu auffordert, man solle den Verkauf von Alkohol, Feuerwasser, an sie unterbinden, wird offen angefeindet.
Laurence Harle (Autor) und Michel Blanc-Dumont haben mit Cartland einen aufrechten Waldläufer, Trapper und Abenteurer geschaffen, wie allenfalls mit einem Buddy Longway (von Derib) vergleichbar ist. Die Darstellung der amerikanischen Verhältnisse im Wilden Westen ist nicht schwarzweiß, sondern voller grauer Schattierungen. Jemand bringt einen Stein ins Rollen und zwingt andere damit zu reagieren. Die Armee geht gegen die Indianer vor, angeführt von einem Fanatiker. Indianer rächen sich, unschuldige Siedler werden zwischen den Fronten zerrieben. Ureinwohner werden vom ungewohnten Feuerwasser in den zeitweiligen Irrsinn getrieben. Und Cartland selbst wird von seinen beiden Erschaffern (wie es sich häufig für einen Helden gehört) durch eine ganz persönliche Hölle geschickt.
Mit den im ersten Sammelband vorliegenden Abenteuern Indianerfreund, Letzter Treck nach Oregon, Der Geist des Wah-Kee und Der Schatz der Spinnenfrau lässt sich auch sehr gut eine qualitativ künstlerische Entwicklung von Michel Blanc-Dumont feststellen. Seine Arbeiten sind zu Beginn noch gröber wie größer als heutzutage gewohnt. Spätestens aber in der dritten Geschichte, Der Geist des Wah-Kee, hat er zu der Qualität gefunden, jener exakten und feinen Ausdrucksweise, wie sie sich auch in seinen Arbeiten zu Blueberry finden.
Aber auch ein anderer Wandel findet statt. In den ersten beiden Abenteuern behandelt Laurence Harle noch sehr bodenständige Themen, wie sie sich tatsächlich abgespielt haben könnten. Doch mit dem Geist des Wah-Kee wie auch mit dem Schatz der Spinnenfrau hält ein leicht gruseliges, mysteriöses Element Einzug, das auf die Spiritualität der amerikanischen Ureinwohner setzt. Den Western vergisst Harle aber hierbei ebenso wenig wie den Krimi, dessen Spielregeln auch hier auftauchen. Der eigentliche Held, Cartland, wird darüber hinaus mit ganz alltäglichen Schwierigkeiten konfrontiert. Auch ein Trapper kann sein Hotelzimmer, seine Zeche manchmal nicht zahlen. Entweder hat er Glück und jemand gibt ihm einen aus. Oder es bleibt nur, auf leisen Sohlen das Weite zu suchen. Cartland ist dabei so erfolgreich wie jeder andere Halunke.
Ein eigener Weg: Cartland bedeutet für den versierten Western-Leser Spannung mit nicht absehbaren Ereignissen. Ein schöner und informativer redaktioneller Teil klärt über die comicale Western-Welt zu Beginn der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts auf. Cartland musste demzufolge eigene Akzente setzen. Aber es zeigt sich noch etwas anderes (weshalb ich schwarzweiße oder auch Konzeptzeichnungen so gerne mag), nämlich, dass Michel Blanc-Dumont bereits damals in einer rein schwarzweißen Bildsprache sehr modern war, vergleichbar mit einem späten Mike Mignola oder Moebius.
Toller erster Sammelband, für Western-Freunde uneingeschränkt zu empfehlen. Klassische Motive, frische Ideen, die bis heute wirken und jung geblieben sind, sorgen für viel Abwechslung in einem der interessantesten Genres überhaupt. 🙂
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Dienstag, 09. April 2013
Ein Festung um Urwald, so trutzig wie archaische Burgen des europäischen Festlandes. Wer sollte diese erstürmen können, ohne nicht selbst dabei zu sterben? Wer könnte ein solches Husarenstück wagen? Kapitän Town hat malaiische Krieger zu diesem waghalsigen Coup überreden können. Und Theodor Pussel muss daran teilnehmen, ob er will oder nicht. In tiefer Nacht erfolgt der Angriff, zunächst heimlich, taktisch geschickt. Die Mauer werden erklommen, die Angreifer tarnen sich, dringen ins Innere der Festung vor, damit Kapitän Town endlich ans Ziel gelangt. Doch als es schließlich so weit ist …
Auch Theodor Pussel war einst ein Kind. Und beschert dank Frank Le Gall dem Leser ein wunderbares Leseerlebnis. Aber die albenlange Geschichte Familienalbum ist nur die dritte Episode des vorliegenden 2. Bandes der Gesamtausgabe über Theodor Pussel. Die insgesamt hier abgedruckten vier Abenteuer schließen einerseits den ersten Zyklus mit den Geschichten Der Schatz des weißen Radschas und Ein Passagier verschwindet ab. Andererseits wird mit dem erwähnten Familienalbum eine Überleitung geschaffen zu einer recht surreal anmutenden Handlung: Die Nebelinsel.
Kapitän Town, ein undurchsichtige Figur, ein Verbrecher, Pirat, Mörder und Halunke überhaupt, hat Theodor Pussel in seiner Begleitung, da er ihn zur Erstellung eines Tagebuchs, einer Piratenbiographie benötigt. Denn der Kapitän kann nicht lesen und schreiben. Es ist eines von vielen Geheimnissen und Begebenheiten, die dieses Abenteuer, Der Schatz des weißen Radschas, traumgleich vorantreibt, mitten hinein in einen Überfall im tiefsten Dschungel auf der nach … Frank Le Gall steckt die Ziele, die Wegmarkierungen im Leben seines Helden hoch und zerstört diese, zeigt ihre Unwichtigkeit vor dem Tod auf, spielt mit dem Wahnsinn und bringt so nicht wenig von jener Stimmung ein, mit der schon ein Joseph Conrad in Herz der Finsternis oder Lord Jimspielte.
Literarisch ist Theodor Pussel spätestens zu diesem Zeitpunkt zu nennen. Herr November, jener teuflische Charakter in der Verkleidung eines Priesters, der stets in der Nähe von Theodor Pussel auftaucht, ist böse bis (fast) zum Schluss. Ein schlechtes Gewissen kennt er nicht. Er tötet, wenn es seinen Belangen hilft. Und er hat immer Glück mit seiner Vorgehensweise. Und Theodor Pussel, zuweilen ein Spielball des Schicksals, hat zu viele Fragen an Herrn November, um sich ohne den geheimnisvollen Fremden in seinem Leben wirklich wohl zu fühlen.
Ein Passagier verschwindet und Theodor Pussel gelangt endlich wieder auf heimischen Boden. Aber es ist ein ganz anderer Theodor als jener, der so ungestüm, so zuversichtlich in die Ferne aufbrach. Die Naivität ist verloren gegangen. Seinen Verwandten und Freunden fällt die Traurigkeit auf, die den Heimgekehrten umgibt. Es gibt ein letztes Rätsel zu lösen. Ohne die Antworten, die er benötigt, wird Theodor keinen inneren Frieden finden. Die Blumen des Bösen, ein Klassiker von Charles Baudelaire, wird zum Hinweis für Theodor und zeigt dem Leser gleichzeitig die Tiefe, die Frank Le Gall mit auf den Weg gibt.
Nach einer doch schwermütigen Stimmung ist Familienalbum schon von der Optik her betrachtet versöhnlich, heiter, wenn auch mit einem Schuss Melancholie zu nennen. Wie wurde Theodor zu dem, der er war, als er unbedingt in die Ferne aufbrechen wollte. Wie verbrachte er seine Kindheit? Wie war sein Elternhaus? Was prägte ihn? Mittels direkter Kolorierung entsteht in diesem Band direkt von der ersten Seite an eine vollkommen andere Stimmung. Im Jahre 1909 ahnt man den Ersten Weltkrieg noch nicht, obwohl die Vorboten erkennbar sind. Mit dem Krieg endet die Kindheit, das schöne und gute Leben, ein beschütztes Zuhause, das rückblickend einem wunderbaren Traum ähnelt. Frank Le Gall erzählt eine leichte Episode mit viel historischem Flair, sehr intensiv und mitfühlend.
Mit Die Nebelinsel kehrt Theodor Pussel auf sein innig geliebtes Meer zurück. Gleichzeitig aber zieht Le Gall wieder einige geheimnisvolle Register, vielleicht sogar noch mehr als zuvor, da er verschiedenste Tricks und Kniffe, die zuvor schon zur Anwendung kamen, hier konzentriert. Nach und nach enthüllt sich ein (Alp)traum.
Stärker als die Geschichten des ersten Sammelbandes, ausgereifter, intensiver, auch stellenweise berührender. Familienalbum ist eine großartige Episode, die unabhängig vom Rest der Reihe gelesen, auch bewundert werden kann. Ein Kleinod in einer ansonsten schon bemerkenswerten Reihe. 🙂
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Montag, 08. April 2013
Ein Leben in Zeitlupe. In schönen Situationen vielleicht erstrebenswert, um den Moment noch intensiver auskosten zu können. Bei einem Fall aus dem 200. Stockwerk ist eine Zeitlupe für den Stürzenden alles andere als vorteilhaft. Viel Zeit, um den Boden näher kommen zu sehen. Aber für Ma-Ma, die den mit Abertausenden Menschen bewohnten Block Peach Trees aus der obersten Etage beherrscht, bedeutet eine solche Hinrichtung nicht nur die Statuierung eines Exempels, sondern auch Amüsement. Für die Judges bedeutet der Tod dreier Menschen nach einem solchen Sturz Arbeit. Ein Verbrechen will aufgeklärt werden. Ein Verbrechen, anteilig zu den sechs Prozent aller Verbrechen der Stadt gehörend, die sie überhaupt bearbeiten können. Judge Dredd soll ausgerechnet an diesem Tag, bei diesem Fall eine Rekrutin testen. Ihre bisherigen Bewertungen zeigen nicht, dass sie die ersten 24 Stunden als Judge überhaupt überstehen wird.
Judge Dredd gehört zu jenen Comic-Figuren, die vollkommen kompromisslos mit der Anarchie der Zukunft spielen, in der Freaks an der Tagesordnung sind und der Normalbürger zu einem Kuriosum geworden ist. Die Judges, die letzte Verteidigungslinie vor dem totalen Chaos, sind Ankläger, Richter und Vollstrecker in einer Person, obwohl letztere Bezeichnung sicherlich auch als Henker treffender wäre. Denn meistens ist der Tod die einzig denkbare Strafe, die von den Judges verhängt wird. In einer Stadt, Mega-City One, in der sich 800 Millionen Menschen drängen, hat ein Gefängnis, sogar die Einzelhaft ihren Schrecken verloren.
Nach einer ersten Verfilmung des Themas mit Sylvester Stallone in der Hauptrolle, hat sich nun Karl Urban der Figur des Judge Dredd angenommen und leiht ihr seinen markanten Unterkiefer, denn viel mehr werden Fans des Schauspielers, der bald wieder in der Rolle des Pille (Star Trek) auf der Leinwand zu sehen sein wird, nicht unbedeckt zu sehen bekommen. Dredd ist gemäß seiner Comic-Vorlage kein großer Redner vor dem Herrn. Er ist das Gesetz, wie er gerne betont und er ist auch kein Mensch, dem irgendwelche außerberufliche Hobbys zugetraut werden. Dredd sorgt dafür, dass die Verbrechensrate ein wenig eingedämmt wird.
Die Verfilmung von Regisseur Pete Travis nach dem Skript von Alex Garland nimmt den Zuschauer auf einen Auftrag des Richters mit. Alex Garland, der dem Zombie-Mythos mit dem Drehbuch zu 28 Days Later einen neuen Schub gab, schickt Dredd, gerade so, wie es in einem der vielen Comics um Dredd auch ablaufen würde (und ähnlich auch abgelaufen ist), in einen einzigen Fall. Sieht man von einer kurzen Einleitung ab, wird Dredd auf Ma-Ma angesetzt, die mit einer neuartigen Droge den Markt erobern will. An Dredds Seite befindet sich die Rekrutin Anderson, die mit einer besonderen Begabung, Telepathie, gesegnet ist und sich als gute Ergänzung im Dienst der Judges erweisen könnte. Wenn sie diesen Fall überlebt.
Auch mit der Figur der Cassandra Anderson spielt der Film mit einem Charakter aus der Comic-Reihe. Insgesamt aber bleiben die Figuren, bis auf Dredd selbst, hinter der Überdrehtheit der Comic-Vorlage zurück. Die Leinwand hätte so viel futuristischen Wahnsinn, wie ihn der Comic bietet, nicht verkraftet und hätte das Publikum ähnlich ratlos zurückgelassen wie einst The Spirit bei seinem Kinoauftritt. So versucht die Verfilmung von Dredd bei tatsächlichen zukünftigen Möglichkeiten zu bleiben, sieht man einmal von einer sprachgesteuerten Pistole ab … Obwohl, wer weiß, was gerade alles ausgebrütet wird.
Wenn zwei Polizisten in ein Gebäude gehen, in dem 75000 Menschen leben und die Chefin einer Verbrecherorganisation den Laden völlig unter Kontrolle hat und befiehlt, die beiden Judges umzubringen, wie könnten es die Polizisten dennoch schaffen, den obersten Level zu erreichen und ins Allerheiligste von Ma-Ma einzudringen? Wenn der Großteil der dort lebenden Menschen einzig versucht am Leben zu bleiben, werden sie sich nicht gegen zwei schießwütige Judges stellen und noch weniger zwischen die Fronten. So bleiben die meisten Türen geschlossen. Judge Dredd hat mit Ma-Ma (herrlich eklig gespielt von Ex-Sarah-Connor Lena Headey) eine würdige Gegenspielerin, die weiß, wann es um Alles oder Nichts geht. Neben einigen ziemlich krachenden Sequenzen, die die hohe Altersfreigabe auch rechtfertigen, gibt es sehr spannende Einblicke in die Gedankenwelt eines Telepathen und seine Möglichkeiten, sich im Kampf zu bewähren. Hier gibt es Überraschungen, die Alex Garland noch mehr hätte ausbauen können.
Ganz im Sinne der Comics verfilmt, sehr hart zur Sache gehend, nicht ganz so überdreht wie es die Comic-Vorlage manchmal gewesen ist. Als Genre-Film passt er und gehört in die Riege der neueren, realistischeren Comic-Verfilmungen. Karl Urban bewährt sich auch als Dredd und könnte gerne für eine Fortsetzung zur Verfügung stehen. 🙂
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