Vor der Nahrungsaufnahme steht die Jagd. Man kann sie elegant bestreiten, als Gestaltwandler in Form einer Raubkatze oder man es sie plump angehen. Mit einer Steinaxt auf hühnergroße Vögel. Von denen nach einem satten Schlag nichts mehr zum Verzehr übrig bleibt. Raulnir schiebt die Schuld für das Jagdversagen gerne beiseite. Da trifft es sich, dass Fanta, die Gestaltwandlerin, erfolgreicher war und die Gruppe dennoch satt wird. In den Ruinen von Sirfall sind die Nöte des Hungers nur noch nebensächlich. Diese versunkene Zivilisation kündet von der Macht des Monsters, einem untoten Drachen, der ein Reich in der Blüte seiner Zeit zugrunde richtete. Welche Chancen sollen da ein paar Söldner haben, wenn es einem ganzen Volk nicht gelang, das Übel aufzuhalten?
Mal ehrlich, wenn es legendäre Auftragsmörder und Söldner gibt, die kaum einer jemals gesehen hat, die aber in aller Munde sind, würde man die Gelegenheit als unbekannter Auftragsmörder und Söldner nutzen, um diese bekannten Identitäten anzunehmen und so Nutzen aus einer gewissen Prominenz zu ziehen? Würde man so etwas tun? Nun, jemand, der intelligent genug ist, um die möglichen Konsequenzen zu erkennen, würde so etwas nicht machen. Glücklicherweise, für den Leser selbstverständlich, sind jene, die sich für Die Geißeln von Enharma ausgeben, nicht ganz so schlau. Allerdings sind sie ebenso rücksichtslos, kaum weniger gewalttätig und wollen wie alle anderen in dieser fremden Welt überleben.
Sylvain Cordurie hat eine Gruppe zusammengestellt, wie sie kaum unterschiedlicher zusammengesetzt sein könnte und sicherlich, neben den Fantasy-Comic-Fans, auch Fantasy-Rollenspieler begeistern sollte. Eine Gestaltwandlerin, ein Zauberer, der mehr schlecht als recht in der Magie bewandert ist, ein Hau-drauf, ein Untoter und ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen gegen den Rest der Welt. Genauer: gegen ein großes Monster, sehr großes Monster und die Plage der Untoten, die damit einher geht. Die Sirfalliten könnten eine Möglichkeit der Gegenwehr kennen, sind aber nicht die besten Verbündeten.
Dieses Volk, von Stephane Crety wie Abkömmlinge von Mandrills gestaltet, mag, urig wie es ist, auch an Pikten erinnern. Gruseliger, sehr modern und in jedem neuen Horrorfilm einsetzbar, sind die geflügelten Ghule, deren Leckerbissen Untote sind, die aber auch gerne selbst für Nachschub sorgen und sich an Lebende heranmachen. Aus einer abenteuerlichen Phase wird so ein toll gezeichnetes, neudeutsch gesagt, Horror-Event. Aber das ist nur der eine Handlungsstrang. Der andere führt dem Leser die Macht des Monsters vor Augen und präsentiert außerdem ein Fahrzeug, das frühe Warcraft-Enthusiasten ebenfalls Vergleiche ziehen lassen wird.
Ein walähnliches Wesen, mit einem Aufsatz auf dem Rücken, der eine Besatzung aufnehmen kann, dient zur Flucht aus einer umkämpften Stadt. Das letzte Drittel des zweiten Teils dieser Trilogie ist eine infernalische Sequenz, die keine Zeit zum Luftholen lässt. Eine optische Achterbahnfahrt entlockt den Helden letzte Kraftanstrengungen, die vorführen, wie gut sie es dann doch noch gelernt haben, sich als Gruppe durchzusetzen. Dabei wissen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sie sehr bald alle ihre Kräfte noch brauchen werden. Die Farbenpracht, von Simon Champelovier aufgetragen, verwendet eine zurückhaltende Palette, lasierend, auf Natürlichkeit bedacht. Die Qualität des Titelbildes findet sich auf dem selben Niveau im Innenteil wieder.
Eine sehr gelungene Fortsetzung einer Halunkengeschichte im Fantasy-Milieu. Neben Abenteueratmosphäre findet sich Horror und eine sehr dichte Weltuntergangsstimmung. Spannend erzählt, von Stephane Crety mit sehr eigenem Stil gezeichnet. Fein. 🙂
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