Nicht nur pure Kleidung, auch Verkleidung ist in dieser Mode angesagt. Jedes kleine Detail zählt, jeder Stoff, jede Farbe, zuunterst wie auch an der Oberfläche. Reize werden wie ein buntes Bonbon anschaulich verpackt. Verspielt anziehend. Bertille hat schnell gelernt, wie sie ihren Stan verführen kann. Obwohl Stan auch abgelenkt ist und sich ein anderes Gesicht zuweilen vor das ihre legt. Ebenfalls verführerisch, weitaus geheimnisvoller: Sasmira. So lange Stan noch rätselt entgeht ihm die Gefahr, die gleichfalls in der Gegenwart dieser undurchschaubaren jungen Frau lauert.
Eine Zeitenwende, zwischen Klassik und Moderne, zwischen Romantik und technischem Aufbruch. Noch ist die Mode verspielt, sind die Kleider eng, doch fahren bereits die Automobile und fliegen die ersten Flugzeuge. Die Welt verändert sich. Auch die für die beiden Zeitreisenden des ersten Teils. Ausblicke in eine ferne Zukunft, selbst mit der Euphorie dieser Tage sind immer noch Science Fiction und werden belächelt und bespöttelt. Stanislas, Stan, entzieht sich diesen gesellschaftlichen Themen. Für ihn steht immer noch Sasmira im Mittelpunkt, die junge Frau, deren Geheimnis er noch nicht ergründen konnte. Noch nicht.
Laurent Vicomte setzt seine mysteriöse Geschichte mit großer Finesse und Einfühlungsvermögen fort. Gegensätze und Übereinstimmungen der beiden hauptsächlich handelnden Frauen werden herausgestellt. Die Titel gebende Sasmira ist voller Neugier, begeistert ihr Umfeld, auch mit einer gewissen Erotik, streckt die Arme geradezu nach der Zukunft aus. Mit Bertille, der jungen Frau aus eben dieser Zukunft, gibt es Überschneidungen in der Art das Leben zu genießen, anzunehmen, zu erforschen, aber während Sasmira sich nach vor treiben lässt, blickt Bertille gerne zurück in diese Vergangenheit, die Langsamkeit, Lebensfreude und sicherlich einer Spur bourgeoiser Lebensfremdheit. Hier gibt es mehr Traum als Realität.
Stan zerschlägt gleich zu Beginn alle Spiegel und somit auch die Eitelkeit dieser um sich selbst drehenden Gesellschaft irgendwo auf dem französischem Land. Schließlich wird auch das Gift dieser scheinbar isolierten Gruppe sichtbar. Auch Eifersucht gehört dazu, aber die Liebe stellt sich ihr entgegen. Sasmira wird enttarnt, charakterlich, ihre Herkunft ans Licht gezogen. Diese ist weitaus fantastischer, als man es sich auszumalen wagte.
Grafisch schöpft Laurent Vicomte weiterhin aus der Schönheit dieser Zeitspanne. Unterstützt wird er hierbei diesmal von Claude Pelet. Nachdem die Fortsetzung viele Jahre auf sich warten ließ, treibt ein zweiter Künstler die Fertigstellung entsprechend zügiger voran. Farblich hat Patricia Faucon den Pinsel übernommen. Vergleicht man die einzelnen Seiten, die Bilder miteinander, auch gegenüber dem ersten Band, sind Ähnlichkeiten in der Machart der Bilder sicherlich deutlich, aber auch Abweichungen in der Stilistik der beiden Künstler können nicht übersehen werden. Durchgängig sind die Grafiken sehr leicht, fast zart aufgebaut und passend zur Zeitperiode.
Das Farbspektrum ist erdig, natürlich, durchscheinend aufgetragen. Auf Perfektion wurde bewusst verzichtet, kein technisch wirkender Farbauftrag, sondern sehr manuell, nah an Aquarell und Gouache, nah an den Wurzeln der großen Zeit französischer Comic-Alben. Das besitzt einerseits Stil, befördert den romantischen Grundeindruck der Geschichte und hat einen warmen, einladenden Grundton.
Laurent Vicomte entzaubert seine Sasmira ein wenig, lässt sie fordernder, fast aggressiver auftreten. Hinter dem Geheimnis brodelt es. Die männliche Hauptfigur, Stan, sitzt beinahe wie eine Fliege in einem Spinnennetz, halb ohnmächtig, bis zu einem Wendepunkt, der Licht ins Dunkel bringt. Für Freunde von Mystery-Geschichten und romantischer Abenteuer. 🙂
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