Einen Platz in der französischen Armee zu erhalten, kann ein wahres Glücksspiel sein. Im Angesicht des Rekrutierungsoffiziers wird eine Nummer gezogen. Ein Blick auf eine lange Liste von Zahlen und einen entsprechenden Vermerk entscheidet über die nahe Zukunft der Männer einer Ortschaft. Für den jungen Alban Labiche ist die 222 eine Glückszahl. Zuerst. Seine Schwester Angele, mit dem weniger glücklichen Louis verbandelt, freut sich selbstverständlich über diesen Umstand. Dafür ist ihr Geliebter unter den eingezogenen Soldaten. Wenig später ändert sich das Blatt. Vollkommen überraschend finden sich Soldaten bei Alban ein und nehmen ihn als Deserteur fest.
Patrick Prugne zeigte dem historisch interessierten Leser bereits mit Canoe Bay die etwas vernachlässigte frühe Epoche der Besiedelung Nordamerikas und hierzulande mit James Fenimore Cooper (Lederstrumpf) in Verbindung gebracht wird. Gleichzeitig zeigt er den französischen Einfluss auf die nordamerikanische Geschichte, der heutzutage gerne etwas in den Hintergrund gedrängt scheint. Seine Hauptfigur Alban Labiche muss die Heimat zwar unter Zwang verlassen, dafür werden die Möglichkeiten zur Verteidigung in der Neuen Welt strikter, einfacher. Der Tod wird im Indianerland zum ständigen Begleiter.
Steht zu Beginn noch eine Familiengeschichte, ein wenig Liebe, ist das erklärte Ziel im weiteren Verlauf das pure Überleben. An der Seite Albans lernt der Leser eine raue, unberührte, wunderschöne und unerbittliche Natur kennen. Geier und Krähen warten schon, Indianer haben ihre eigenen Gesetze, die nicht nur Auge um Auge kennen. Patrick Prugne erzählt ohne falsche Nostalgie ein nicht seltenes Schicksal jener Tage, aus dem letztlich ein lebenslanges Abenteuer wird. Melancholie schwingt sehr oft mit, Heiterkeit findet sich so gut wie nicht, allenfalls darf man sich über eine gewisse lebensnotwendige Frechheit mancher Figur freuen.
Das besondere Merkmal von Patrick Prugnes Arbeiten ist die Aquarelltechnik, der es gelingt, ein Gefühl für die Natur einzufangen. In einem sehr umfangreichen Anhang mit Bleistiftskizzen und Aquarellentwürfen beweist Prugne einmal mehr seinen Sinn für Farbe, die atmosphärische Bildeinstellung und den romantischen und lebensnahen Blick auf das Leben der Indianer, der Pawnees. Der Blick hinter die Kulissen zeigt die Entwicklungsarbeit, auch nichtverwendete Szenen, die ein Ausblick auf künftige Geschichten sein können, denn das Basismaterial, Recherchearbeit und Entwürfe reichen mit Blick auch auf Canoe Bay bestimmt für weitere Comic-Romane.
Vor den schönen Eindrücken der Neuen Welt verblassen die Szenen in der Alten Heimat deutlich, vielleicht weil ihnen das Geheimnisvolle fehlt, die Urwüchsigkeit, obwohl selbst durch den neuzeitlichen Blick auf das Geschehen, diese Form der Zivilisation im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts nicht einmal auf einem guten Weg in die Moderne zu sein scheint. Wenige Außenlinien, leichte bis sehr kräftige Farben lassen eine langsam endende Epoche neu erstehen, ein kleiner Kostümfilm im Comic-Gewand.
Drama, Abenteuer, historische Erzählung, prachtvoll illustriert von Patrick Prugne, der sich mit dieser grafischen Gestaltung und Thematik eine Nische erarbeitet, die aber nicht nur für Freunde der Besiedelung Nordamerikas sehenswert ist. 🙂
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