Man lege sich nicht mit Robotern an, deren Namen einem unbekannt sind. Coraline will der Name des stählernen Giganten, der sie mit beiden Händen umschlossen hält, partout nicht einfallen. Doch mit der Erinnerung des Namens folgt auch eine Spur, die sie der Lösung des Rätsels näherbringt. Coraline ist nicht die erste, die sich in der Traumwelt verloren hat. Auch ihre Schwester Celia hat es getroffen. Schlafend findet sie die Vermisste vor. Coraline bleibt keine Wahl. Sie muss tiefer in die traumhafte Märchenwelt vordringen als bisher, will sie ihre Schwester und all die anderen retten.
Terry Dodson gehört unter den Comic-Künstlern zu den Pin-Up-Königen. Seine Frauen sind der Kategorie wahr gewordener Männerträume zuzuordnen und in ihrer Erscheinung durchaus überirdisch zu nennen. Als Superheldin oder auch Gaunerin (zum Beispiel Harley Quinn, Black Cat, Emma Frost) sind sie dem Fan von DC Marvel längere Zeit bekannt, im Bereich des Verträumten, Fantastischen war der amerikanische Zeichner Dodson bisher eher selten zu finden, obwohl seine Grafiken hier und dort einen märchenhaften Strich durchscheinen ließen.
TRÄUME. Sie können sehr fantasievoll sein. Gefährlich. Erotisch. Oder alles auf einmal. Bereits mit dem ersten Teil haben Denis-Pierre Filippi, Autor, und Terry Dodson, Zeichner, gezeigt, wie eine Vermischung von viktorianischer Atmosphäre, einer Spur Fables und auch Steampunk plus einer Prise Erotik aussehen kann. Letztere bricht kaum richtig aus, ist zumeist unterschwellig vorhanden und befeuert letztlich mehr die Fantasie des Lesers. Dieser zweite, abschließende Band von TRÄUME beginnt mit einer Sequenz, die geradwegs ins Herz der Märchenwelt zu führen scheint.
Im Schloss von Dornröschen scheint plötzlich ein jedes Märchenwesen eingeschlummert. Schneewittchen samt der sieben Zwerge, Jack und seine Bohnenranke, Rotkäppchen neben einer merkwürdigen Wolfskonstruktion und einigen mehr. Diese Einführung ist derart schön gestaltet, dass es ein grafisches Fest werden würde, zeichnete Terry Dodson auch komplette Interpretationen jener Märchen.
Dodsons Figuren, die aus den gerade nötigsten Strichen entstehen, skizzenhaft aufgetragen, ohne nachträglich real oder digital getuscht worden zu sein, warten hier einmal mehr mit dieser Jugendstil-Optik auf, die den ohnehin verträumten Gesamteindruck verstärkt. Szenen im Harem, samt eines obligatorischen Scheichs, der sie zu sich in den Thronsaal holt, um Coraline (die Schwester der untertitelgebenden Celia) vor 1001 Nacht für sich tanzen zu lassen, besitzen beinahe eine Opulenz sehr früher Hollywood-Filme oder alter Operrettenstreifen deutschsprachiger Machart.
Die Geschichte, die hier von Denis-Pierre Filippi entworfen wurde, ist bei aller Gefahr für Coraline und ihre Schwester eher heiter zu nennen. Filippi sucht die optisch schönen Momente für seinen Co-Künstler. Neben den eigentlichen Figuren schult sich Terry Dodson an feiner ländlicher Architektur, Natur sowie an raffinierten Konstruktionen, die auch einer Ideenwelt eines Jules Verne entsprungen sein könnten. Die Vielfalt der Szenen und gegensätzlichen Epochen, die in einer Märchenwelt gerade so schnell auftauchen und wieder verschwinden, wie es dem Autor beliebt, machen den zusätzlichen, sehr charmanten Reiz der Handlung aus.
Ein feiner Abschluss eines nostalgischen wie auch durchaus romantischen Comic-Abenteuers, sehr fantasievoll, erstklassig illustriert von Terry Dodson. 🙂
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