Ein Schwarm Fledermäuse. Eine dämonisch dreinblickende Samurairüstung wecken die richtigen Ideen auf das spätere Auftreten einer ganz besonderen Figur, die den kriminellen Elementen in Gotham das Fürchten lehren soll. Doch so weit ist es an diesem Tag noch lange nicht. Der Junge erstarrt in Furcht vor dieser Rüstung im Glaskasten, verloren und allein. In sich gekehrt. Später, mit der Schwester von Harvey Dent vor dem alten Arkham-Gebäude stehend, mit der Geschichte seiner Familie mütterlicherseits konfrontiert, einer Großmutter, die den Großvater umgebracht und sich selbst dann von Dach gestürzt haben soll, kennt der junge Bruce Wayne nur noch ein Argument: Gewalt.
Helden fallen nicht vom Himmel. Na, ja, manchmal schon. Geoff Johns erzählt eine neue Variante vom Start des Fledermaushelden namens Batman. Dieser Batman ist jung, unerfahren und er vermag es bei weitem nicht, so einzustecken und wegzustecken, auch nicht auszuteilen, wie des der Comic-Fan vielleicht in den letzten Jahren gewöhnt ist. Dieser Batman ist noch nicht ein elegant an einem Seil durch die Häuserschluchten schwingender Artist. Hier ist erst einmal nur ein Mensch, der Rache will und eine ungewöhnliche Idee besaß, diese einzufordern. Der Start ist aus der Sicht der Verbrecher alles andere als furchteinflößend.
Der Auslöser ist bekannt. In einer kleinen Seitenstraße, in einem von Gangstern verseuchten Gotham, wird der kleine Bruce Wayne Zeuge, wie seine Eltern während eines Raubüberfalls erschossen werden. Aber es gibt auch Abweichungen. Alfred wird der Butler, ein ehemaliger Kämpfer, der Bruce aufzieht, mit dem Ergebnis jedoch nicht vollends zufrieden ist. Denn Bruce hat sein Unternehmen Hals über Kopf begonnen, zu emotional, unbeherrscht und führt sich manchmal auf wie der berühmte Elefant im Porzellanladen.
Der aufgeregte junge Mann, der sich selbst zum Helden aufschwingt, den persönlichen Verlust nicht fürchtet, der mehr als nur eine Verletzung davonträgt, erfährt in seinen Gegnern realistisch anmutende Gegner. Geoff Johns bricht die Feinde auf ein echtes Maß herunter. Der Pinguin ist zwar ein kleinerer Mann, aber nicht entstellt oder körperlich undenkbar. Von Zeichner Gary Frank mit einem Bruder von Jack Nicholson besetzt, ist der Pinguin ein eiskalter Gangster, der nahtlos in eine Reihe mit Al Capone und vielen anderen aus der Ära der Prohibition passt.
Jemand, der Bane in den Schatten stellt, ebenfalls solche Killer wie Croc ist jener Mörder, gegen den Batman hier antreten muss. Geoff John stellt hier eine Gestalt vor, die mehr an einen Jason Vorhees erinnert und zunächst nicht so sehr in das bekannte Batman-Universum passt. Dank Gary Frank ist dieser abnorme Gigant, der sich nicht scheut, ein Partyhütchen zu tragen, beinahe ein Gegner, der den noch relativ jungen Batman töten könnte. Gary Frank zeichnet einerseits mit der Effizienz und Präzision eines Jim Lee, andererseits gelingen ihm auch Charakterköpfe, nicht unbedingt notwendige, dafür umso gelungenere Veränderungen.
Bullock, der Cop an der Seite eines Jim Gordon, ist dem Leser eher als etwas verkrachte, übergewichtige, sogar zwielichtige Polizeigestalt in Erinnerung. Hier ist er ein smarter Karrierepolizist, der nach Ausflügen ins Showbusiness, mit der Moderation einer Fernsehsendung, nun wieder Dienstluft schnuppern will. Den echten Polizisten, die ihre Arbeit nicht als Shownummer begreifen, allen voran Gordon, ist solch eine Marke natürlich ein Dorn im Auge. Optisch ist er ein leicht dümmlich ausschauender Bruce Wayne, mit einem Lächeln, das stets ein wenig künstlich aussieht, einerseits um Bewunderung heischend, andererseits immer ein wenig schüchtern oder auch beleidigt.
Die Optik verströmt weniger eine Superheldenatmosphäre, sondern tendiert mehr in Richtung eines handfesten Thrillers, sortiert sich hier als in die Linie der letzten Kinotrilogie ein, lässt aber allzu phantastische Superheldentricks vermissen. Dieser Batman muss sich viel mehr auf seine Fähigkeiten verlassen als andere vor ihm. Geoff Johns lässt Gary Frank viel Raum, um die Bilder wirken zu lassen. Die Aufteilung ist großzügig. Halbseiter, Einseiter oder auch doppelseitige Darstellungen vermitteln tolle Eindrücke, die dem Comic-Fan viel zu bieten haben.
Eine verdammt gelungene Neuinterpretation des Auftakts eines der interessantesten Superhelden der Comic-Geschichte. Sehr menschlich, sehr intensiv, mit einem genauen Blick auf die Schwierigkeiten, die das Doppelleben als maskierter Rächer mit sich bringt. Famos illustriert. 🙂
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