Jelami, der kleine Junge, kämpft mit seinen Erinnerungen, die sich wie Tagträume in sein Bewusstsein schleichen. Leider lösen sie mehr Fragen als Antworten aus. Stets kreisen die Gedanken um den Tod der Mutter, als ein neuer Lebensabschnitt begann. Die beiden Männer der MISSI DOMINICI, der alte Wolfram und sein Novize Ronan, haben Probleme, die eng mit der Gegenwart verknüpft sind. Im Keller der Festung, an die Wand gekettet, müssen sie die Folter ihres Bewachers über sich ergehen lassen. Ronan, der es wagt, seine Kräfte mit dem Folterer zu messen, scheitert. Die Strafe für sein Aufbegehren ist grauenvoll.
Thierry Gloris schickte Mächte gegeneinander ins Feld, die nicht allesamt mit völlig bösen oder völlig guten Absichten oder Charakterzügen antreten. Verrat ist im Spiel, falsche und richtige Überzeugungen, auch Verführungen in die verkehrte Richtung, Gewalt, Freundschaft. Die beiden, nennen wir sie zum besseren Verständnis Kriegermönche (obwohl das Leben eines Mönchs dem älteren der beiden, Wolfram absolut fremd ist), Wolfram und Ronan, besitzen ungewöhnliche Kräfte, die sie über die gewöhnlichen Kämpfer hervorheben.
Gloris beschreibt Hintergrundgeschichten und Wendepunkte in den Leben seiner Akteure, Begebenheiten, die Überzeugungen zum Wanken bringen. Benoit Dellac zeichnet diese Ereignisse mit wahrer Intensität. Die optische Stärke dieses teils magischen Abenteuers in eisiger Landschaft und finsteren Kerkern geht über gewohnte Ritterabenteuer hinaus, indem sie archaische Zauberkunst einfließen lässt. Hier kommt perfekt inszenierte Barbarei ins Spiel, aber auch leinwandtaugliche Tricks mit viel Licht und herbei gehexten Avataren, die für ihre Herren in den Kampf ziehen.
Ereignisse der Gegenwart sind nah am Realismus gestaltet, mit starkem Tuschestrich aufgetragen und leuchtend koloriert. Weitaus sanfter, etwas milchiger und ohne harte Konturen sind die Vergangenheitsereignisse gemalt, fast wie kleine Aquarelle angelegt. In den Kämpfen gewinnt der gruselige Teil immer mehr Raum, so dass sich der Leser auf wieder auferstandene Krieger, sogar Dämonen freuen kann. Entsprechend fallen die Sequenzen aus, die eine spannende Mischung aus echten Kämpfen und dämonischen Angriffen zeigen. Benoit Dellac zeichnet ein dunkles Fantasy-Spektakel.
In dieser emotionalen Dunkelheit, die von Anouk Bell stilsicher koloriert worden ist, wird der Befreiungskampf im Kerker mit der gezeigten Wandlungsfähigkeit Wolframs zu einem der Höhepunkte des vorliegenden dritten Bandes der Reihe, die an phantastischen Elementen viel zu bieten hat. Der Wechsel von Nahaufnahmen, die beinahe mit italienischen Kameraeinstellungen zu vergleichen sind (wie sie Sergio Leone mit seinen Western populär machte), und Totalen, die mit unterschiedlichen Bildgrößen arbeiten, sorgen für einen dynamischen Seitenaufbau, der das Auge vorantreibt und nicht festhalten will.
Lehrmeister und Freunde. Auf beiden Seiten der gegnerischen Lager haben sich ein Lehrmeister und ein Schüler zusammengefunden. Auf der einen Seite ist es freiwillig geschehen, auf der anderen Seite ist es eine Verbindung, die zunächst aus der Not geboren scheint. Thierry Gloris stellt diese Verbindungen einander gegenüber, zelebriert die Zementierung der Freundschaft auf der einen und den Zusammenbruch auf der anderen Seite. Das sorgt in der Zusammenführung der beiden eigentlich separat ablaufenden Handlungsbögen für große Dichte. Am Ende ist der Fortgang völlig offen.
Abseits von bekannten Handlungsaufbauten in mittelalterlichen Szenarien kann der dritte Teil der MISSI DOMINICI weiter auftrumpfen. Mit allerlei Ideen, zwei sehr starken Hauptcharakteren verläuft die Geschichte spannend und unvorhersehbar. Dank der tollen Illustrationen und dem geschickten Seitenaufbau von Benoit Dellac ist dieser Band ein echter Pageturner. 🙂
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