Ein Bär hat normalerweise nichts von einem Zwerg zu fürchten, ganz gleich, wie gut dieser bewaffnet ist. Im Schatten eines Bären verschwindet ein Zwerg. Will ein Winzling einen Giganten wie einen Bären beherrschen, braucht es dazu schon etwas anderes. Eine Art Zauber. So gibt sich die Versammlung sicher. Der Hund, der sich zu nahe an den Giganten heranwagt, büßt es sogleich und wird zur Zwischenmahlzeit. Aber die Zwerge, so hochmütig über die jüngsten Erfolge, tappen in die Falle ihrer eigenen Überheblichkeit. Bald schon erkennen sie die wahre Macht des Bären. Selbst ein großer Trupp ihrer Soldaten ist kein nennenswertes Hindernis, wenn der Koloss sich erst einmal seinen Weg bahnt.
Bären mit Charakter. Bereits das Titelbild verrät zu einem gewissen Teil, worauf der Leser sich einzustellen hat. Weit entfernt von einem Balu präsentieren sich die Bären hier eher so, wie es der menschliche Instinkt vorgaukelt. Knurrig, Riesen im Pelz, eine Urgewalt auf vier Pfoten, unbeugsam, eigensinnig. Shovel fügt noch Begriffe wie ehrenhaft und stolz hinzu. Gefürchtet innerhalb des Waldes von anderen Tieren sind sie sture Krieger, die sich mit aller Kraft den Zwergen entgegenstellen. Shovel gestaltet diese Meister Petze vor Kraft strotzend, als wahre Fellberge und je nach Charakter ein wenig dümmlich dreinblickend oder mit einer gewissen Würde ausgestattet.
Die Zwerge gewinnen wieder ein Plus hinzu, da sich eine Widerstandsbewegung gegen die Obrigkeit offenbart und sich zeigt, dass nicht alle dieses kleinwüchsigen Volkes derart blindwütig und herrschsüchtig sind, wie es noch im ersten Teil der Reihe Zwerg der Fall war. Diese neuen Sympathien darf der Leser durch die Augen des Zwerges Oth, des Helden der Geschichte, erleben, der auch die weibliche Seite des Zwergenvolkes (die hier übrigens keine Bärte haben) in Form der Zwergin Siliane, ihres Zeichens sogar im Range einer Generalin.
Die Winterzeit hat das Land gepackt. Entsprechend rüde und wild gibt sich das Land. Reiter, die sich durch den Tiefschnee wühlen, Auseinandersetzungen, Landschaften, Festungsansichten und nicht zu vergessen die Bären, die für ein gehörig Maß an Atmosphäre dieser Geschichte sorgen. Neben der Gestaltung der Ereignisse an den Höfen der Zwerge und der verfeindeten Sylven kann besonders eine Sequenz beeindrucken, die den Helden mit einem waschechten Basilisken konfrontiert. Ausgerechnet dieses Wesen ist von Oths Fähigkeit, mit Tieren reden zu können, ziemlich unbeeindruckt. Umso mehr kann sich der Leser auf eine rasante Hatz unter der Erde freuen, fast eine Hommage des Kampfes zwischen Siegfried und Fafnir.
Es ist schön zu sehen, wie Shovel sein Universum abseits der großen Publikationen von Tolkien und auch der bekannten Heldensagen entwickelt. Andererseits finden sich Szenen, die an klassische Rollenspiele erinnern, Aufgaben, die zu lösen sind, Kellergewölbe ohne Drachen, dafür mit allerhand anderem Getier und Feinden. Die Unregelmäßigkeit der Bildaufteilung jeder Seite zwingt zu immer neuem Einstellen auf gefährliche, einfühlsame oder schlicht beschreibende Situationen und Szenen. Beispielhaft hierfür sind die Räumlichkeiten von Oths Onkel, die eine hohe Gestaltungsfreude zeigen, mit vielen Einzelheiten, die schon wieder die Grundlage weiterer Geschichten sein könnten.
Dichter als der erste Teil erzählt, grafisch mit vielen schönen Eindrücken für Fantasy-begeisterte Leser ausgestattet, die Welt der Zwerge einmal anders, sehr prachtvoll illustriert.
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