Kinder mit einem Mal werden getötet. Eltern, die sich den Anordnungen des Herrschers widersetzen, drohen drakonische Strafen. Der Schmied und seine Frau wussten um dieses Gesetz. Sie flohen und ließen sich woanders nieder. Doch die Hebammen fanden sie. Es hieß, die Zwergenfrau habe die Geburt des Jungen nicht überlebt. Allein mit dem Neugeborenen fasste der Schmied den Entschluss, sich für immer aus den Sphären der Zwerge zu entfernen, einzig, damit er seinen Sohn groß ziehen könne. Verborgen im Wald Belouve, einem geheimnisvollen Gebiet voller Gefahren, sind sie lange Zeit sicher. Aber die guten Zeiten gehen vorüber. Der Tod naht und verändert alles.
Shovel, in Personalunion als Autor und Zeichner, nimmt den Leser in eine Welt, in der die Zwerge ein wenig gelittenes Volk sind. Brutal, herrschsüchtig und gierig gegen andere Wesen und Tiere, werden sie gescheut wie die Pest. So ist es kein Wunder, dass ein Ausgestoßener der Zwerge völlig allein in der Welt steht. Aber Shovel wendet einen Trick an, stattet seinen Helden nicht nur mit einem Mal und einer damit einhergehenden Prophezeiung aus, er gibt seiner Figur auch ein paar Begabungen mit auf den Weg, die ihm das Leben etwas erleichtern.
Es beginnt mit einem Frosch. Der junge Oth, der Zwerg ohne Familie, eigentlich auch ohne Heimat, kann diesen Frosch plötzlich verstehen, Wort für Wort. Und nicht nur das. Sogar der Frosch, der fortan an seiner Seite bleibt, kann jeden Satz des Zwerges verstehen. Für Oth ist das nur der Anfang. Der Name im Untertitel des ersten Bandes der auf fünf Folgen angelegten Reihe, Wyrimir, deutet auf eine wichtige Figur hin, die der Geschichte eine deutlich andere Richtung gibt, als sie ansonsten in Fantasy-Abenteuern zu finden ist, die sich mit den eher klassischen Motiven und Völkern derlei Welten beschäftigen.
So entsteht eine Prise asiatischer Fantasy, ein sehr geerdetes Szenario, in der die Natur eine sehr große Rolle spielt. Denn neben den Streitigkeiten der Völker, mit anderen, aber auch innerhalb der jeweiligen Gesellschaften, sind die Tiere eine maßgebliche Partei, die im Zwerg den größten Feind sieht. Eine Figur wie Oth, die zu einer Art friedlichem Miteinander beitragen kann, wird zu einer Lichtgestalt. Diese ist allerdings optisch weit davon entfernt, sehr glanzvoll zu sein. Oth ist zwergengemäß klein, noch jung und mit wenigen Gesichtshaaren ausgestattet. Shovel zeichnet sein Fantasy-Universum mit sehr feinen Strichen unter größtmöglicher Ausnutzung des vorhandenen Raums.
Die Umgebung ist klassisch mittelalterlich. Durch den Einsatz von Tieren, der einen manchmal auch verleiten kann, Vergleiche zum Dschungelbuch zu ziehen, wird es nach und nach immer märchenhafter. Tiere sind deutlich an der Realität orientiert, aber Shovel verzichtet nicht darauf, ihnen charakterliche Züge zu verleihen. Wölfe, Wildschweine, Bären, Hunde, Frösche und anderes Getier belebt das Szenario auf frische Art und Weise, in der Nähe bekannter Fantasy-Klassiker und dennoch eigenständig, von Seite zu Seite mehr, in Wort und Bild.
Wenn Tiere im Spiel sind, wird natürlich zumeist auch das Herz angerührt oder die Komik drängt sich den Vordergrund. Der Frosch ist für die Komik zuständig, alle anderen haben eher einen kiplingschen Adel, sind zeitweise auch von einer gewissen Schüchternheit geprägt. Das sorgt optisch für viel Dramatik, die so nach der Einleitung nicht zu erwarten war.
Ein ungewöhnlicher Auftakt, der angestammte Genre-Pfade bald verlässt und sich neue Routen erschließt. Sehr reich illustriert. Die Nebendarsteller, die Tiere, laufen den Zweibeinern schnell den Rang ab. 🙂
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