Mit Rattle-Snake-Annie sollte sich niemand anlegen. Ten Gallons ist wahrlich kein Greenhorn, aber gegen die beiläufige Brutalität der Frau vermag er sich nicht zur Wehr zu setzen. Außerdem muss er an den ihm anvertrauten Jungen denken, der mit ihm zusammen in Lebensgefahr schwebt. Denn Rattle-Snake-Annie sind Kinder vollkommen egal. Kurz darauf sind Ten und der Junge gefesselt auf einem rasenden Pferd unterwegs Richtung Ranch. Sie sollen eine Botschaft an Comanche überbringen. Das wäre nicht das größte Problem, hätte Annie nicht eine Ladung Dynamit am Sattel befestigt. Und die Lunte brennt.
Der Abschlussband der Reihe erinnert an die Zeiten, als alles begann. Einmal mehr gibt es bei der Entstehung der Eisenbahnlinie Probleme. Und mittendrin müssen die Arbeiter auf der Triple-Six-Ranch um ihr Leben bangen. Aber noch einmal können Comanche und Red Dust zeigen, was sie können. Natürlich kann sich der Leser auch gebührend von den anderen Charakteren verabschieden, so auch insbesondere von Ten Gallons, den wohl besten Oldtimer, den der Wilde Westen jemals gesehen hat.
Aber Ten Gallons hat sich durch die Zeichnung von Michel Rouge auch ein wenig verjüngt. Obwohl die Figur sehr nah am Original von Hermann ist, der die ursprünglichen Figuren einst gestaltete, ist der neue Ten weniger klapprig, die Knollennase weniger knollig. Insgesamt jedoch passt sich der etwas genauere, vielleicht weniger intuitiv wirkende Zeichenstil von Michel Rouge sehr gut in die Serie ein. Zwar verkündet das Titelbild schon eine explosive Handlung, die erste Seite des vorliegenden Bandes greift diese Thematik nahtlos auf. Der Leser sieht die Lunte brennen, der Zug nähert sich und schnell ist klar, hier läuft kein einfacher Bandenkrieg ab, als die Lokomotive in einem Feuerball von den Schienen katapultiert wird.
Zum guten Schluss versammeln sich die Helden zu einem Abenteuer, in dem auf jeden von ihnen ein ganz persönlicher Gegner wartet. Für die Gesetzlosen wurde ein, wie es so schön heißt, illustrer Haufen zusammengestellt. Brutal, gewissenlos, aber auch schlitzohrig, waghalsig, hinterhältig. Die Bande, die zur Unterstützung des gegnerischen Bahnchefs, aufgeboten wurde, vereint Bekanntes, Einfallreiches und vor allem für den Leser höchst Unterhaltsames. Hervorzuheben ist Lobster, ein Gangster, dessen linke Hand durch eine Metallklaue ersetzt wurde. Außerdem hat mit Rattle-Snake-Annie eine verteufelt gemeine Pistolenbraut einen Auftritt, der die Mannschaft der Triple-Six-Ranch ganz schön in Schwierigkeiten bringt.
Rodolphe, der den Abschluss der Reihe als Texter übernimmt, nachdem der ursprüngliche Autor und Ideengeber Greg seine Arbeit am vorliegenden Album nicht mehr vollenden konnte. Greg (genauer: Michel Regnier) verstarb 1999. In einer Mischung aus Italo-Western und Hollywood-Inszenierung (die sich beizeiten auch den italienischen Varianten annäherte) werden Fallen gestellt, setzen sich die Bösewichte manchmal kurios in Szene und präsentieren sich so, dass ein Tarantino mit seinem neuen Streifen Django Unchained eigentlich genau in diese Kerbe schlägt.
Die Zeichnungen von Rouge bestechen in Aktionsszenen durch ihre präzise Ausführung und eine Bilderfolge, die den Leser mitten ins Geschehen hinein nimmt. Mal steht er an der Seite der Bösewichte oder erlebt das Geschehen in der Totalen, wenn Rouge die komplette Seitenbreite für seine Bilder in Anspruch nimmt und Westernkino auf Comic-Seiten zelebriert. Abgesehen von einem kleinen Epilog, einer Einleitung am späten Nachmittag, einem Schluss am frühen Morgen, spielt sich das Abenteuer während einer einzigen Nacht ab. Entsprechend dunkler ist die Farbgebung, aber auch mit jener Experimentierfreudigkeit, die schon früh in der Serie vorherrschte.
Selbst nach so langer Zeit der Fertigstellung des vorliegenden Bandes ist die Serie nach wie vor jung und haben Rodolphe und Rouge die Arbeit von Greg (natürlich auch von Hermann) zu einem würdigen und knallenden Abschluss gebracht. Ein modernes Westernabenteuer, aus dem Stand leinwandtauglich. 🙂
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