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Comic Blog


Dienstag, 17. Juli 2012

Der Staub der Ahnen

Filed under: Mystery — Michael um 21:38

Der Staub der AhnenDer Tag der Toten dient der Rückschau an jene, die gegangen sind. Wann sie gestorben sind, spielt keine Rolle. So lange ihrer gedacht wird, sind sie noch da, auf ihre Art. Aber so lange ihrer gedacht wird, sind auch noch all jene Tragödien lebendig, die sich zu ihren Lebzeiten oder im Tode zutrugen. Im Gedenken an die Toten, hier nachgefühlt durch Eusebio Ramirez, eröffnen sich die Gefühle von einst, niemals vergessen und nach so langer Zeit noch so stark wie damals. Eusebio gedenkt der Verstorbenen der Familie Rojas. Zunächst ist es nur eine Zeitreise, ein liebevolles Erinnern. Doch hinter den Erinnerungen erhebt sich die Wahrheit, die nicht einmal Eusebio immer kennt.

Doch der Leser kennt sie. Er erfährt, was hinter den Kulissen geschah, wie sich die Ereignisse zuspitzten, die zum Tode einzelner Familienmitglieder führten. Autor und Zeichner Felix Pestemer in Eusebios Erinnerungen eine Familie vor, die mexikanische Kultur, zeigt Gemeinsamkeiten und deutliche Unterschiede. Außerdem führt er dem Betrachter die Sicht der Toten selbst vor Augen, in einer Welt, in der das Leben ein Spiel ist und Sorgen nicht mehr existieren. Jedenfalls nicht wirklich.

Die Alten und die Jungen sind nicht gegen den Tod gefeit. Jeden kann es treffen, zu allen Zeiten, am Tag und in der Nacht. Benito ist der erste, den es trifft, durch eine Unachtsamkeit, einen Zufall. Manchmal ist es auch fehlende Anteilnahme. Zuweilen ist es Zorn. Beim nächsten Mal ist es sogar Hass, der die Ursache für den Tod eines Menschen ist. Nach und nach tun sich in dem liebevollen Gedenken Eusebios wahre Abgründe hinter den Kulissen auf. Und die Toten? Die haben, in der Anderswelt zum Gerippe geworden, all die Ursachen ihres Todes und all die Mühsal ihres Lebens hinter sich gelassen. Diesen Blick beschert Felix Pestemer dem Leser und lässt seinen Erzähler Eusebio im Ungewissen über diese andere Existenz, in der endlich Frieden herrscht.

Der Blick auf die Toten durch die Lebenden ist heiter und bunt. Die Erinnerungen und wahren Ereignisse glänzen braunweiß, wie alte verblichene Fotografien. Die Gesichter sind vage gehalten, maskenhaft, auch sind die Haltungen manchmal puppenhaft und ist eine Inszenierung deutlich zu erkennen. Die Lebensausschnitte, eben jene, die zum Tode führten, werden dem Leser stumm präsentiert, theatralisch, während Eusebio seine Kommentare beisteuert. Felix Pestemer zeichnet mit sehr weichem Bleistiftstrich und koloriert sanft, mit traumhaften Farben.

Ist die Vergangenheit unbunt, ist die Gegenwart der Lebenden am Tag der Toten von einer prallen Buntheit, bonbonfarben. Pestemer greift die leuchtenden Farben der Blumen, der Süßigkeiten, der vielen Verzierungen an Gräbern und Altären auf. Als Betrachter ist man geneigt den Ursprung des Festes zu vergessen, würden die Toten nicht zugleich auf ihre Weise feiern, nicht ganz so bunt, aber nicht weniger fröhlich. Es gelingt Pestemer, in die Züge der kleinen Skelette eine außerordentliche Fröhlichkeit zu legen, die dem Leser sicherlich auch ein Lächeln ins Gesicht zaubert, obwohl die Szenerie einen morbiden Hauch besitzt. Aber durch das Puppenhafte, auch die Imitation des wirklichen Lebens ist der Eindruck ein sehr glücklicher, wenn im Tode (so wird es hier präsentiert) sämtliche Querelen beigelegt sind.

Gastauftritte. In einer Episode, einer besonders bedrückenden dazu, geben sich Frida Kahlo und Leo Trotzki die Ehre als geisterhafte Erscheinungen, obwohl zu jener geschilderten Zeit noch am Leben. Sie geben Zeichen, verhindern aber das Geschehen nicht.

Eine sehr atmosphärische Geschichte mit vielen Episoden und unterschiedlichen Blicken auf eine uns in dieser Form fremde Zeremonie innerhalb einer entfernten Kultur. Felix Pestemer lässt Raum für Gedanken, zur Entschlüsselung und letztlich ist Der Staub der Ahnen auch eine Anregung zur Beschäftigung mit Mexiko. 🙂

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