Montag, 28. Mai 2012
Der Pfeil trifft. Lupine beweist ihre Fertigkeiten mit Pfeil und Bogen, doch messen will sich mit ihr trotzdem keiner. Die Jungen lassen das Mädchen reden und ziehen von dannen. Im Sieg über ein Mädchen liegt keine Ehre, in der Niederlage erst recht nicht. Warum also ein Risiko eingehen? Allein streift Lupine über den Strand, so wie sie oft alleine umher wandert, seit ihr Vater Thorgal auf der Suche nach dem Bruder aufgebrochen ist. Am Strand findet sie ein Stück ungewöhnliches Metall und gerät sogleich in Streit mit einem Jungen aus dem Dorf, Mischa, der sie nicht leiden kann. Zu seinem Unglück hat Mischa nicht mit Lupines Drang gerechnet, sich nicht bestehlen lassen zu wollen.
Die Tochter von Thorgal ist nicht nur ein Wildfang. Sie vermisst ihren Vater. Die Mutter kann die Kleine nicht bändigen und eckt einmal mehr im Dorf an, wo sie ohne die Verteidigung Thorgals mehr geduldet als wirklich gemocht sind. Neugier und Tatendrang treiben Lupine an. Sie will ebenso gut mit Pfeil und Bogen umgehen wie die Jungen, vielleicht sogar besser. Sie vertritt ihre Meinung und legt sich auch mit jedem an, der ihre Ansichten von Anstand und Ehre nicht teilt, mit Kindern und Erwachsenen. Als Mischa, ein Junge aus dem Dorf, der ihr sowieso nicht wohl gesonnen ist, zusammen mit anderen eine Wölfin in einer Grube zu Tode quälen will, greift Lupine ein und gerät dabei selbst in Lebensgefahr.
Ein weiteres Kapitel aus der Welt von Thorgal. An der Seite Lupines werden neue Kapitel aufgeschlagen und eine mystische Welt aufgebaut. Autor Yann legt die Geschichte so an, dass selbst Leser ohne Vorkenntnisse der langen Serie mit Leichtigkeit in dieses Comic-Universum einsteigen können. Lupine ist auf ihre Art sehr emanzipiert, fast schon ein kleiner weiblicher Mowgli mit ihrer Fähigkeit, die Wölfe verstehen zu können. Aus dieser Fähigkeit entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft, die allein schon tragend genug gewesen wäre, aber überleitet in einen noch phantastischeren Teil der Handlung.
Roman Surzhenko, Zeichner, arbeitet stilistisch klassisch realistisch, wie ein später Jean Giraud in seinen letzten Arbeiten zu Blueberry oder ein Derib (Buddy Longway), der aber kräftiger, intuitiver arbeitet. Surzhenkos Arbeiten sind zerbrechlicher und erzielen durch ihre viel kräftigere Kolorierung eine stärkere Wirkung, ein größeres Volumen und mehr Tiefe. Die genaue Planung der Seiten, die anhand der vielen Fertigungsskizzen im Anhang sehr schön veranschaulicht wird, mündet in eine Fantasy-Geschichte, in der besonders die titelgebende Figur der Lupine durch ihren besonders sorgsamen Entwurf begeistert.
Optisch, von der Handlung natürlich festgelegt, lässt sich der erste Band des Ablegerabenteuers in zwei Bereiche teilen. Die eigentliche Heimat Lupines, die Gegend um das Dorf, ist der erste Teil, die mythische Umgebung, eine Art Paradies ist der andere. Sind die Wälder und Landschaften in Lupines Zuhause möglichst naturgetreu gestaltet, wird der zweite Teil glorifiziert, göttlich strahlend gezeigt. Ist der erste Bereich schmutzig, kalt, auch düster, ist das Licht auf der anderen Seite am Tage golden und selbst die Nächte besitzen eine andere Dunkelheit, eher phosphoreszierend als von einem Mond erhellt.
Stimmungsvoll, märchenhaft erzählt und gestaltet, steht schließlich auch ein Kind im Mittelpunkt der Handlung. Yann, der sich besonders in lustigen Szenarien hervortat, beweist seine erzählerische Bandbreite und sein Einfühlungsvermögen in ein nicht von ihm geschaffenes Comic-Universum. Roman Surzhenko gibt als Zeichner einen stilsicheren und technisch einwandfreien Einstand. Schön. 🙂
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Donnerstag, 24. Mai 2012
Das Leben im Luxus ist für Cixi eine Selbstverständlichkeit. Jemand wie sie darf gar nicht anders leben. Jedenfalls ist sie der Überzeugung, wie geschaffen für die Frau an der Seite von Thanos zu sein. Dieses Leben hat jedoch auch seine Schattenseiten. Denn für Thanos ist sie nur eine von vielen. Wenn sie seine Charakterzüge nicht teilt, ist sie verloren. Wenn sie das Leben anderer nicht ebenso gering schätzt wie er, ist ihres verwirkt. Den ersten Beweis, den sie für ihre Treue erbringen muss, die Tötung eines Menschen, liefert sie an der Seite von Thanos ab, gleichzeitig zerbricht etwas in ihr. Obwohl sie es sich zunächst nicht eingestehen will.
Ein Trost ist ihr die Stadt zu Füßen des Palastes. Immerhin kann sie wieder in der Umgebung sein, die sie liebte. Nur ist diese Stadt nicht mehr so, wie sie die Straßen, Gassen und Geschäfte wie auch die Bevölkerung in Erinnerung behalten hat. Langsam reift in Cixi ein Entschluss, etwas zu unternehmen. Doch wie geht man gegen einen Feind vor, dem Allmacht gegeben zu sein scheint?
Christophe Arleston lüftet im zweiten Teil um das Geheimnis von Cixi, wie die junge Frau nicht nur einen Sinneswandel durchlebt, sondern auch, wie sie ihren ganz eigenen Weg findet (wie sie das immer macht), um die Situation (halbwegs) unter Kontrolle zu bekommen. Die Dichte dieser Geschichte, die Verwebung von Action-Elementen mit der charakterlichen Entwicklung von Cixi (die Arleston später wieder etwas zurückdrängt), macht richtig Spaß. Denn gleichzeitig gibt Arleston dem Leser neue Seiten der Welt Troy zur Entdeckung preis, Kleinigkeiten, aber auch solche, den Gesamtrahmen beleuchten.
Spieglein, Spieglein an der Wand. Ein Spiegel weist Cixi den Weg. Das andere Ich dort auf der glänzenden Fläche nimmt kein Blatt vor den Mund, kennt das Innerste des sich spiegelnden Originals und, ob es Cixi schmeckt oder nicht, im Zwiegespräch entstehen Ideen zu einer, wenn auch kleinen Rebellion. Natürlich nimmt Arleston auch wieder kleine Anleihen bei anderen Genre-Publikationen vor. Wer die Gladiatorenszene im Verlauf der Handlung entdeckt und mit entsprechenden Interesse an SciFi und Fantasy ausgestattet ist, wird die Vorlage sogleich erkennen.
Olivier Vatine schafft mit seinen Bildern eine Mischung aus römischer Dekadenz, Weltuntergangsstimmung, Magie und Monstern. Zwischendurch gestaltet er aberwitzige Szenen, die von sehr feinem Humor sind. Der Leser darf sich einmal mehr auf die Trolle von Troy freuen, immer für Überraschungen gut, immer unberechenbar, selbst in Szenen, wie sie hier gezeigt werden. Mit seinen exakten, klaren Linien, die stets so ausschauen, als zeichnete ein anderer Künstler das jeweilige Bild mit mehr Strichen, beweist Olivier Vatine seine großartige Abstraktionsfähigkeit.
Mehr noch. Einfallsreich erschafft er neue Wesen (wie Cixis Römp, das der Leser schon in der ersten Folge von Cixis Geheimnis bestaunen durfte). Manchmal verniedlicht er seine Figuren, um kurz darauf mit sehr realistischen Außenszenen zu überraschen, Landschaftsansichten, die asiatisch inspiriert sind oder Stadtansichten, bei denen das Herz von Fantasy-Rollenspielern aufgehen muss.
Nach einem sehr schönen Finale, auch Dank der Kolorierung von Fred Besson, heißt es für den Leser wieder Warten. Doch zuvor kann noch einmal auf Entdeckungsreise gegangen werden, denn dank der durch die Bilder entstandenen starken Atmosphäre verliert diese (wie auch die vorherige) Episode nach der Lektüre nichts von ihrer Anziehungskraft.
Ein sehr feines Fantasy-Spektakel, nicht ganz ernst, aber immer spannend. Sehr schön von Olivier Vatine und Fred Besson gestaltet. Die Vorkenntnis von Teil 1 (Band 9 der Reihe) ist wünschenswert. 🙂
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Sonntag, 20. Mai 2012
Wie vernichtet man einen Gott? Für Dara Brighton stellt sich diese Frage nicht mehr. Sie hat es bereits einmal geschafft und sich fest vorgenommen, diese anstrengende Prozedur zu wiederholen. Rache ist das Motiv. Diese Götter töteten ihre Familie, doch das Vermächtnis ihres Vaters, ein lange im Verborgenen gehütetes Schwert, gibt ihr die Gelegenheit zur Rache an den Mördern. Die Verfolgung eines Gottes indes, von Land zu Land, ohne einen Cent in der Tasche zu haben, gestaltet sich zunächst viel schwieriger. Als Dara und ihre Freunde die Spur aufnehmen und in eine Szene geraten, von der sie nicht geglaubt hätten, ein Gott werde in ihr abtauchen, gerät nicht nur Dara in Gefahr.
Erde. Beherrschte der erste Gott das Element Feuer, der zweite von Dara getötete das Element Wasser, stellt sich die junge Frau mit dem Schwert nun einer Kreatur entgegen, die nicht nur tausende von Jahren alt ist, sondern die auch noch die Fähigkeit besitzt, durch reine Gedankenkraft jegliche Erdmaterie zu formen und auch als Waffe zu verwenden. War schon Wasser schwer zu besiegen, so wirkt dieser neue Kampf beinahe aussichtslos. Knossos ist ein Meister auf seine Art und könnte Großes vollbringen, würde er nicht seine Macht dazu missbrauchen, reinste Drogen aus der Erde zu gewinnen.
Die Brüder Joshua und Jonathan Luna bringen ihre Heldin Dara Brighton im dritten und vorletzten Teil dieser außergewöhnlichen Reihe, der sich in gewisser Weise an den vier Elementen orientiert, wieder einen Schritt weiter. Außergewöhnlich ist die Leichtigkeit der Erzählung, die Einbindung eines mythologischen Hintergrunds in die Neuzeit und die grandios umgesetzte Action, die man so allenfalls von neuen Kinofilmen oder aufwendig produzierten Fernsehserien her gewöhnt ist. Die Götter oder Abkömmlinge der Götter, allesamt Geschwister, sind nicht nur verrückt, sie sind auch berauscht von ihrer Macht und herrschten am liebsten über die Menschen, gäbe es nicht ein Hindernis.
Das Schwert ist die Waffe, die bereits bewiesen hat, wozu sie in der Lage ist. Sie kann nicht nur den Gott töten, sie kann seinen Träger auch vor den Angriffen des übermächtigen Feindes schützen und Verletzungen in kurzer Zeit heilen. Die Schmerzen jedoch verhindert es nicht. Dara, die durch das Schwert wieder gehen kann, da die Waffe auch andere gesundheitliche Schäden heilt (Dara war querschnittsgelähmt), muss leiden. Die Anblicke und Szenen, die sich dem Leser hierbei bieten, benötigen keine Worte und wirken einzig durch die Inszenierung.
Jonathan Luna, der die Aufgabe der Zeichnungen übernommen hat (eine Aufgabenteilung, die wechselseitig bei Projekten der beiden Brüder erfolgt), bringt die Action ebenso wie die Schockeffekte durch sehr klare Linien zum Ausdruck, Unschärfen sorgen für Tiefe und filmische Eindrücke. Der Blick liegt stets auf dem Vordergrund, die Kulisse ist vorhanden, aber zweitrangig und erhält allenfalls Bedeutung, um die Ausmaße von Zerstörung oder auch Macht zu zeigen. Zerstörung ist das Hauptanliegen dieses Gottes, der diesen Kampf nicht nur unbedingt gewinnen, sondern sich auch präsentieren will.
Auf verschiedenen Zeitebenen werden Geheimnisse gelüftet, solche der Götter, aber auch die Vergangenheit von Dara und ihrer Familie. Einige Zeitsprünge erfolgen weit hinein in die Vergangenheit der Menschheitsgeschichte, an exotische Orte, zu fast mystischen Zivilisationen. Es sind kleine, sehr kurze Momente der Ruhe in einer Geschichte, die zu drei Vierteln eine atemlose Achterbahnfahrt ist und von Jonathan Luna mit nahezu kühler Optik eingefangen wird.
Weiterhin vorbildlich, ein Reißer im besten Sinne des Wortes, der den Leser zu keinem Zeitpunkt loslässt. Die Vorgeschichte bis hierher ist ein absolutes Muss. Die Gebrüder Luna etablieren Leinwandsehgewohnheiten im Comic. Weiterhin nichts für Zartbesaitete, aber höllisch spannend. 🙂
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Freitag, 18. Mai 2012
Niemand hat diesen Fund in Indien erwartet, noch dachte jemand, der uralte Vampir würde jemals wieder auftauchen. Nachdem man ihn vernichtet glaubte, blieb er verschwunden. Jahrzehntelang. Doch mit der neuen Bedrohung durch dieses mächtige Wesen wächst auch die Angst. Vieles haben sich die Vampire in der Vergangenheit aufgebaut. Sie haben Reichtümer angehäuft und ihren Platz gefunden. Der alte Vampir könnte all die Errungenschaften an sich reißen oder auch zerstören, falls er mit ihnen nichts anzufangen weiß. Sein Auftauchen in Indien kann letztlich nur eines bedeuten: Krieg. Und so rüsten sich beide Seiten, denn Nosferatu ahnt den bevorstehenden Angriff.
Olivier Peru kennt das Horror-Genre, wie er mit Zombies unter Beweis stellen konnte. Hier zeigt er ein weiteres Mal, wie er bekannten Themen neue Seiten abgewinnen kann. Nosferatu, der Ur-Vampir, hier augenscheinlich zu Zeiten des Römischen Reiches aktiv an den Machtverstrickungen beteiligt, ist bereits einmal besiegt worden, weil er sich und seine Macht überschätzte. Ausgerechnet eines seiner Kinder hat ihn aus Rache zur Strecke gebracht. Oder besser: Liebe war der Grund.
Peru stattet seine Wiedergänger mit allen Leidenschaften aus, wie sie der Vampir-Fan heute bereits erwartet. Außerdem mag der Leser in der Ausgangssituation, nämlich der eines Vampirs, der sich in den Slums unter Ausgestoßenen neue Anhänger sucht, Parallelen zur Neuentwicklung eines Dr. Doom sehen, wie er bei den Ultimativen F4 die Comic-Welt neu erblickte. Am Ende steht hinter dem Ur-Vampir eine (noch überschaubare) Armee. Der Wechsel aus dem Indien der Neuzeit, einem kurzen Sprung in die jüngere Vergangenheit und besonders ins Rom des Kaisers Caligula macht die gesamte Handlung sehr reizvoll, da durch neue Informationen, den wohl überlegten Sprüngen in der Geschichte, die Handlung nicht unterbrochen wird, aber mit unerwarteten Wendungen aufwarten kann.
Stephano Martino, der hier seinen ersten Comic vorlegt, arbeitet mit präzisem Realismus, sehr atmosphärisch gezeichneten Charakteren und eindringlichen Kulissen. Die düstere Kolorierung der Digikore Studios zeigt die Welt der Vampire, in der Dunkelheit, Zwielicht, starke Kontraste und Dämmerung vorherrschend sind. Selbst in neuzeitlichen Umgebungen ist das Licht eher schwach. Das ist durchaus passend, da beide Szenarien, jenes in Indien und in Caligulas Rom (von einigen anders platzierten Sequenzen abgesehen), einen Ausblick auf das Ende der Welt geben, vielleicht auch das Ende der Zivilisation, dort, wo das Wasser über den Rand fließt.
Der römischen Pracht und der Dekadenz, auch der Ländlichkeit stehen optisch die indischen Slums gegenüber. Es folgen die Szenen rund um die Vampirjäger (ja, es gibt noch eine dritte Partei im Spiel) in einer verhaltenen Mischung aus Blade, Indiana Jones und auch kleinen Büros. Vorrang haben eindeutig die Handlungsstränge der Vampire. Vampire sind die Hauptakteure. Abgesehen davon scheint es auch fraglich, wie Menschen sich gegen diese Übermacht behaupten wollen. Olivier Peru lässt da keine Zweifel aufkommen und die Zeichnungen von Stephano Martino, die die Vampire mit einer enormen Gewalt verbildlichen, stützen diese Aussage.
Der Übervampir: Ur-Vampir, Nosferatu, Halbgott. Diese Kreatur steht selbstverständlich im Zentrum des Interesses und der Leser darf verschiedene Entwicklungsstadien dieses Vampirs miterleben, die Auskunft darüber geben, welche Zerstörung dieses Wesen über sich ergehen lassen kann. Greift man diese Tendenz auf, stellt sich augenblicklich der gute alte Dracula ein, der cineastisch in Form von Christopher Lee auch immer einen Weg zurückfand.
Ein Vampir-Kracher im besten Sinne, einfallsreich, dramatisch erzählt, optisch von Newcomer Stephano Martino mit sehr exakten, naturalistischen Zeichnungen umgesetzt. Für Fans des Genres empfehlenswert. 🙂
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Dienstag, 15. Mai 2012
Spanier (Europäer) und Syyanas, Konquistadoren und Indios. Weitab von Europa, auf einer idyllisch anmutenden Insel mit zauberhafter Vegetation und wunderschöner Tierwelt entbrennt ein gnadenloser Kampf, befeuert durch den Wahn eines Mannes, der als Ketzer verbrannt werden sollte. Und er ist nicht der einzige Feind. Denn auf beiden Seiten wütet eine Krankheit, aus Europa eingeschleppt, gegen die die Syyanas kaum eine Abwehrmöglichkeit haben. Ist der Kampf gegen die Invasoren wenigstens schnell vorüber, ist der Befall durch die Seuche fast eine Garant für langes und furchtbares Dahinvegetieren. Die Situation ist fatal. Da kommt ein Geheimnis ans Licht und alles ändert sich.
Jean-David Morvan ist in vielen Genres daheim. Science Fiction (Sillage), Cartoon (Spirou + Fantasio) oder Superhelden (Wolverine). Miroslav Dragan bewies mit Die Gilde seinen Hang zur Fantasy. Diese beiden Autoren haben sich zusammengetan und die hier zusammengefasste Historientrilogie Helldorado geschaffen und präsentieren eine Geschichte, die vor Intensität beinahe explodiert. Durch die sehr schön gestalteten Grafiken von Ignacio Noe, der auch den Blick auf das Grauen nicht scheut, dürfte der fiktive Kampf um ein Paradies auf Erden in seinem Genrebereich zu einem der gelungensten Umsetzungen der letzten Jahre gehören.
Die Insel, der Ort des Geschehens, wird nicht näher benannt. Die Parallelen zu wahren Geschehnissen auf dem südamerikanischen Kontinent oder karibischen Inseln liegen jedoch auf der Hand. Letztlich fassen die beiden Autoren einen langen Kampf Einheimischer gegen ihre Unterdrücker zusammen. Ein ehemaliger Ketzer, durch einen Zufall dem Scheiterhaufen entronnen, hat sich von einem Saulus zu einem äußerst fanatischen Paulus gewandelt. Sogar die spanische Kirche ist froh, diesen Wahnsinnigen in die neue Welt entsenden zu können, da man befürchtet, die Kontrolle über diesen Mann verlieren zu können.
Morvan und Dragan beschreiben den Gegensatz, die Indios, nicht als Waisenknaben. Es ist eine sehr aufgeteilte Gesellschaft, in der die ganz unten kaum einen Wert haben, Menschenopfer mit großer Brutalität dargebracht und als vollkommen normal betrachtet werden. Diese Gesellschaftsformen, die eine starke und völlig egoistische Führung als selbstverständlich ansehen, stehen sich nun in einer gnadenlosen Auseinandersetzung gegenüber, in der die Europäer durch ihre überlegenen Waffen die Oberhand gewinnen. Wäre da nicht noch die Seuche.
Die Bilder, mit wirklich tollem Talent und perfekter Technik zu Papier gebracht und sehr aufwendig koloriert, ziehen mit ihrem filmischen wie auch Bilderbuchcharakter den Leser sofort von der ersten bis zur letzten Seite in die Handlung hinein. Morvan und Dragan verlassen sich hier sehr auf ihren Künstler Ignacio Noe, dem es instinktiv zu gelingen scheint, die richtige Stimmung einzufangen. Im Wechsel zwischen Szenen, in denen Dialoge vorherrschen, und jenen, die gänzlich ohne Worte auskommen, wird diese Besonderheit noch deutlicher.
Gerade jene Sequenzen, in denen einzig Bilder die Handlung nicht nur voran treiben, sondern Noe auch noch die Emotionen, Freude wie Leid, mit sicherer Hand zeigt, Nuancen einfängt, wie man es nicht so oft zu sehen bekommt, sind ein Sahnhäubchen im weiten Feld der Comic-Publikationen. Die leichte Abstraktion der Charaktere, aber auch die Stilisierung der Volkszugehörigkeiten, all die vielen Unterschiede sorgen neben der Darstellung der Kulisse für eine hohe Dichte der Handlung. Das hat manchmal Zeichentrickcharakter (einer sehr teuren Produktion) oder erinnert an Darstellungen, die auch Vorlagen für Computerspiele sein könnten.
Grafisch großartig von Ignacio Noe gestaltet, nichts für schwache Nerven, da sich beide Seiten in dieser Geschichte nichts schenken. Die Erzählung der beiden Autoren steigert die Spannung stetig zu einem packenden Drama. Keine echte Historie, aber von dieser inspiriert. 🙂
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Freitag, 11. Mai 2012
Ein Kind wird gefunden. Jenes Ehepaar, das den Findling bei sich aufnimmt, ist schnell klar, dass das kleine Mädchen niemals ihr Gesicht wird zeigen können, sollen sich die Menschen nicht vor ihr fürchten. Zwar haben die Menschen in jenen Tagen viel gesehen, furchtbare Gestalten, die die Welt bevölkern, auch viel Fremdes, an das sie sich gewöhnen mussten und gewöhnt haben, doch dieses kleine Kind könnte Mut und Toleranz über Gebühr strapazieren. So wächst das Mädchen heran, mit gleichaltrigen Freunden, wird zur Frau, wird zur Kämpferin, aber immer verbirgt sie die obere Hälfte ihres Gesichts hinter einer Maske.
So normal sich das Leben im Dorf auch entwickelt, gefahrlos ist es dennoch nicht. Marlysas Ausbildung zur Kriegerin mit all den gebotenen Fertigkeiten offenbart bald schon, wie das Leben da draußen sein kann, als die ersten Freunde und Bekannten in große Gefahr geraten, sogar sterben und sich eine unheimliche Macht auf die Jagd nach Marlysa macht.
Der Zyklus über die Ursprünge vereint die ersten fünf Bände der Fantasy-Saga über Marlysa: Die Maske, Der Schatten von Dompur, Die andere Seite, Bragal und Der Thaumaturg. Jean-Charles Gaudin (Text, in den ersten beiden Bänden noch von Didier Crisse unterstützt) kreierte zusammen mit Jean-Pierre Danard (Zeichnungen) eine Heldin mit Bestimmung. Neben eines gewissen kämpferischen Talents hat Marlysa einen Charakter entwickelt, der sie Verantwortung annehmen lässt. Gaudin und Danard geben ihr aber auch Freunde zur Seite, die Hoffnung und Trost spenden.
Besonders auffallend ist die Vielfalt dieser Fantasy-Welt, in Formen und Farben, in Landschaften, Völkern und Wesen. Sehr atmosphärisch, sehr bunt auch, mitunter sehr ausgefallen, betrachtet man diverse Kreaturen, die von sehr klein, auch schnuckelig, bis riesig, geradezu gigantisch und furchtbar die Palette der Fantasy bereichern. Will man ehrlich sein, müsste Marlysa nicht einmal auf Die andere Seite reisen, würde der Aufenthalt in heimischen Gefilden doch bereits gefährlich und abenteuerlich genug sein. Manche in die Pflicht genommenen Helden müssen zu ihrem Glück gezwungen werden. So wird auch Marlysa aus der Beschaulichkeit ihrer Heimat herausgerissen.
Zu diesem Zeitpunkt hat die Geschichte den Fantasy-Leser längst in ihren Bann gezogen. Die Grafiken von Jean-Pierre Danard haben sicherlich auch einen leicht amerikanischen Anstrich, nicht aus der Ecke der großen Disney-Studios, eher ein wenig He-Man, wenn auch die muskelbepackten Krieger hier eher selten vorkommen. Danard pflegt einen sehr spielerischen Zeichenstil, der zuweilen über die Ernsthaftigkeit der Handlung hinwegtäuscht. Die ersten drei Bände werden von Sabine Fuentes koloriert, die gleichzeitig mit dieser Optik den Grundstein für die Nachfolgegeschichten legt.
Ist diese Weltendarstellung auch bonbonbunt und vielleicht nach vielen eher düsteren Fantasy-Welten der letzten Jahre gewöhnungsbedürftig, so dürfte die Detailverliebtheit von Danard jeden Comic-Fan freuen, ist die viele Arbeit des Zeichners doch auf jeder Seite ersichtlich und komplettiert eine Sicht auf dieses Universum mit all seiner Komik und Tragik, seinen Abenteuern und Dramen, wie es nicht so oft zu sehen und zu lesen ist.
Ein dicker Sammelband, fünf Alben vereint, ein praller Lesestoff für Fantasy-Begeisterte, von einem Comic-Duo, das sich sein eigenes Epos geschaffen hat. Die Leistung von Zeichner Jean-Pierre Danard ist besonders hervorzuheben. Wer Comic-Kunst liebt, kommt hier voll auf seine Kosten. 🙂
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Mittwoch, 09. Mai 2012
Kater Karlo kann ein ziemlicher Tunichtgut sein. Donald und seine Neffen können ein Lied davon singen. Im Wirtshaus zum blutigen Butt wollen die vier Enten nur ihrem Tagwerk nachgehen und sich aus Ärger heraushalten, ist es doch schon schwer genug den täglichen Fischfang zu erledigen. Allzu oft spielt das Wetter nicht. Gibt es keinen Fisch, kann den Gästen nichts geboten werden. An diesem Tag retten sie nur das nackte Leben und verlieren auch noch ihr Fischernetz. Die erschöpfte kleine Familie erhält kurz darauf Besuch von Kapitän Kakadu, der einen Zufluchtsort sucht. Als auch noch Kater Karlo eintrifft, geraten Donald und seine Neffen sprichwörtlich vom Regen in die Traufe. Denn ein Piratenschatz lockt ein finsteres Trio auf den Plan.
Mit Piratengold legt Carl Barks an der Seite von Jack Hannah im Jahre 1942 nicht nur die erste lange Donald-Duck-Geschichte vor, vielmehr legt er mit dieser Hommage an Die Schatzinsel auch den Grundstein für sehr viele Folgeabenteuer mit der Ente im Matrosenanzug. Und nicht nur das: Carl Barks wurde der Entenvater schlechthin. Der Zeichner und Erzähler zeigt hier mit einem breiten Spektrum seiner Geschichten um Donald Duck, warum er zu den erfolgreichsten Berichterstattern von Entenhausen gehört.
Mit Der Schlangenring wagt sich Carl Barks 1943 auf unheimliche Pfade. Zu dieser Zeit war die Mumie noch ein beliebtes und aktuelles Kinothema. Gleichzeitig ist nicht nur der Strich der Bilder von Carl Barks zeitlos, das Abenteuer selbst ist ebenso schnörkellos erzählt. Donald und zwei seiner Neffen wollen nur auf ein Schiff, um einige Fragen zum Verbleib des dritten Neffen Tick loszuwerden. Das gestaltet sich nicht nur schwierig, sondern innerhalb kurzer Zeit auch gefährlich. Obwohl Barks auch hier nicht den nötigen Humor vermissen lässt, nimmt man die erfolglosen Versuche Donalds, auch nur in die Nähe seines vermissten Neffen zu kommen.
Mit Hintergründen hält sich Barks in den locker gezeichneten Bildern nicht lange auf. Das Nötigste wird gezeigt, gerade soviel, damit das Auge etwas zum geistigen Ausschmücken hat. Während der Lektüre fehlt aber auch nichts. Die Geschichten leben hauptsächlich von der Spielkunst ihrer Akteure. Hier steht Donald Duck an vorderster Stelle, er trägt jedoch nicht alleine zum Erfolg der zuweilen sehr komischen Handlungen bei. Gerade in den Geschichten und tobt sich Barks mit Nebenfiguren aus und zeigt das Potential seiner Fantasie, die auch noch so bekannte Comic-Figuren wie Onkel Dagobert, die Panzerknacker oder Gundel Gaukeley hervorbrachte.
Gnixe und Gnixen. Diese mysteriösen Gnome im tiefen Dickicht der Sumpflandschaft verborgen lebend gehören wohl mit ihren Fähigkeiten zu den seltsamsten Kreaturen der Comic-Welt. Lange bevor sich ein Ballon-Boy (1961) in der Zukunft aufmachte, Bösewichte zu bekämpfen, nutzten bereit die Schweller die Fähigkeit, ihren Körper voluminös aufzupumpen, um wie ein lebendiger Gummiball gegen ihre Gegner anzuhüpfen (1944). Hier steht der Spaß eindeutig im Vordergrund, bevor es mit einer Weihnachtsgeschichte wieder besinnlich wird und das Disney-Universum deutlich macht, wo eine weitere Stärke in der Entenhausen-Welt liegt.
Das schönste Weihnachtsfest, wie alle anderen Geschichten in diesem Band komplett neu koloriert, wirkt für Donald Duck auf den ersten Blick alles andere als ein solches. Hier geht Barks sehr emotional zu Werke, stellt seinen Enten eine Aufgabe und reiht sich damit in viele weitere Weihnachtsgeschichten dieser Art ein, so wie in Die Mutprobe, ein anderer Weihnachtsklassiker, der zwei Jahre später erscheinen sollte.
So beginnt es: Carl Barks gehört zu Entenhausen einfach dazu, seine Beiträge zu dieser immer noch wunderbaren und sehr kindgerechten Comic-Welt haben einen schönen Teil Kulturgeschichte geschrieben. Liebevoll, mit viel Humor erzählt und gezeichnet und selbst nach so vielen Jahrzehnten ihrer Entstehung immer noch zeitlos. 🙂
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Dienstag, 08. Mai 2012
Ein Marsupilami freundet sich eigentlich nicht mit Menschen an. Doch Blaunase ist eine Ausnahme. Das kleine Marsupilami, vor kurzem erst aus dem Ei geschlüpft, hat es selbst bei seinen eigenen Geschwistern nicht leicht. Und so ist der kleine Ptipo, der Sohn des Häuptlings, zunächst zwar ein ungewohnter Anblick und keineswegs als Freund die erste Wahl, aber Blaunase lässt sich auf dieses Abenteuer ein. Bald schon toben die beiden durch den Urwald, als wäre es niemals anders gewesen. Nach einem Nickerchen wacht Ptipo auf und das Marsupilami ist verschwunden. Daheim im Dorf wartet die nächste Überraschung.
Das Marsupilami. Ein ungewöhnlicher Name, ein ungewöhnliches Comic-Tier und kaum ein anderes hat so lange in der Comic-Welt ausgeharrt und nie von seiner Faszination eingebüsst. Ovaler Kopf, Löffelohren, ausgestattet mit dem Körper eines Affen, ein Schwanz jedoch, der um ein Vielfaches länger ist und als Sprungfeder, Lasso, Seil, Werkzeug oder Waffe eingesetzt werden kann. Darüber hinaus ist das Marsupilami quietscheentengelb und mit vielen kleinen schwarzen Flecken übersät. Nun also finden sich im Dschungel von Palumbien, wo das Marsupilami daheim ist, auch noch die MARSU KIDS ein.
Wilbur und Conrad, ein Dreamteam des französischsprachigen Comics, holen die Kleinen des Marsupilami zurück auf die Comic-Seiten. Neben dem bekannten Huba des erwachsenen Comic-Tiers ertönen nun viele kleine Bis aus dem Blätterwald. Das Marsupilami gerät zwar hier und dort einmal ins Blickfeld, das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf den Kleinen, hier noch mehr auf einer Figur, nämlich Blaunase. Wer mit nostalgischem Blick auf jene Figurenkreation von Andre Franquin zurückblickt, wird feststellen, dass ein kleines schwarzes Marsupilami unter den frisch geschlüpften Jungtieren fehlt.
Aber Wilbur und Conrad gehen nicht nur sehr pfleglich mit dem Erbe von Franquin um, sie erzählen das Dschungelabenteuer im Vergleich zur sehr prominenten Episode Das Nest im Urwald, in der das Original-Marsupilami eine maßgebliche Rolle spielt, auch sehr getreu im Geiste seines Erfinders. Um diesem Geiste treu zu bleiben, ganz besonders, da Franquin zeitlebens sehr an dieser seiner erfolgreichsten Figur hing, müssen auch die Zeichnungen dem Original folgen, sonst macht es keinen großen Sinn, sich mit dieser schon legendären Comic-Figur auseinanderzusetzen, die seit 1952 das Comic-Universum bereichert.
Didier Conrad ist nicht nur ein erfahrener Serienzeichner (z.B. Die weiße Tigerin), er kennt sich auch mit Jugendabenteuern bekannter Charaktere aus, setzte er doch auch den kleinen Lucky Luke in Szene. Stilistisch trifft er den richtigen, den klassischen Cartoon-Strich, sei es früher den von Morris oder neuerlich jenen von Franquin, allerdings auch nicht ohne seine eigene Handschrift nicht erkennen zu lassen. Conrad besitzt einen durchaus modernen Schmiss in seinen Bildern, arbeitet mit viel Schwung und einem guten Blick für herrliche Juxansichten.
Am besten funktionieren seine Bilder, wenn Worte überflüssig werden und allenfalls ein Bi, ein Huba, Grooo oder Prrt für Untermalung sorgt. Wenn Blaunase beispielsweise durch den Dschungel tobt, seinem Vater hierbei alle Ehre macht, sich dennoch vollkommen daneben benimmt und am folgenden Tag einem erzieherischen Gespräch unterzogen wird, dann hat Didier Conrad nicht nur alles richtig, sondern auch sehr gut gemacht.
Herrlich: Hier wird der Ton und das Bild des Originals getroffen, humorvoll, albern auch, mit zwei ungewöhnlichen Freunden in einem klassischen Slapstick-Abenteuer. Lachen ist garantiert. 🙂
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Sonntag, 06. Mai 2012
Wo ist der blaue Stein versteckt? Für den Hütchenspieler sind die zumeist betrunkenen Mitspieler keine große Herausforderung. Mit Bee Bee Gun, seinem indianischen Gegenspieler, hat er nicht gerechnet. Bee Bee Gun mag vielleicht nicht der Klügste sein, einen Falschspieler erkennt er jedoch schnell. Als er alle drei Hütchen umdreht und dort nirgends einen blauen Stein findet, sondern nur weiße Kiesel, weiß Bee Bee Gun genau, was er mit einem solchen Betrüger anstellen muss. Zum Glück für den Falschspieler sind Bee Bee Guns Freunde in der Nähe, um schlimmeres zu verhindern.
Ersel, der sich, man könnte sagen, mit dem letzten Mohikaner die Eintrittskarte in diese Serie verdiente, zeigt dem Leser eine schnörkellos schöne und mitunter auch sehr lebensfeindliche Welt. Hatte Ersel (der Künstlername von Erwin Sels) schon den Klassiker von James Fenimore Cooper illustriert, stieg er mit Band 7 in die Reihe Die Pioniere der neuen Welt ein. Wildwest-Freunde, die sich nicht nur für Lederstrumpf begeistern konnten, sondern auch für einen Buddy Longway, finden in dieser mit einem hohen Maß an menschlichem Einfühlungsvermögen erzählten Geschichte sehr schönes Lesefutter.
Jeder Tag ist ein Abenteuer. Die Waldläufer oder Trapper, die sich in die unwegsamen Landschaften hineinwagen, wo Menschen nur selten zu finden sind, stehen jeden Tag vor neuen Herausforderungen. Wer alleine reist, riskiert alles. Doch selbst in kleinen Gruppen ist die Wanderung, der Ritt oder die Flussfahrt tiefer hinein nach Westen stets ein Wagnis. Das Ehepaar Maryse und Jean-Francois Charles, die sich viel mit historischen Szenarien insgesamt beschäftigt haben, erzählen mit Gespür für Authentizität und Fingerspitzengefühl für die richtige Balance zwischen abenteuerlicher Handlung und feiner Charakterbeschreibung.
Das große Treffen: In der 18. Folge dieser langlebigen Serie gelingt der Einstieg immer noch recht schnell. Zwar gibt eine kurze Einleitung einen Überblick über die bisherigen Geschehnisse, doch ist die Rückschau gar nicht einmal nötig, da das Kennenlernen der einzelnen Charaktere ungeheuer gut vonstatten geht und sich das Szenario mit sehr leichter Hand selbst vorstellt. Kleine Blicke auf die Figuren skizzieren die Charaktere, kurze Dialoge geben schnellen Aufschluss auf die jeweiligen Lebenssituationen. Und ehe man sich versieht, befindet man sich auch schon Seite an Seite der Abenteurer in der Weite der Wildnis.
Der Winter hält das Land in seinem Griff und erschwert das Vorwärtskommen. Nachdem der Leser sich schnell mit den unkomplizierten Figuren angefreundet hat, wird auch noch ein neues Gesicht in die Handlung eingeführt. Wind, der über den Fluss weht, ein kleines Indianermädchen, ist die einzige Überlebende eines Kanuunfalls. Ersel kann nicht nur im Miteinander der Alten und der Neuen die heiteren, spannenden, auch melancholischen Seiten dieser Pionierzeit zeigen. Neben der Wanderschaft, den Jagdgründen hinterher, wird auch das Leben von Siedlern am Beispiel von Louise beleuchtet. Ersel kann hier mit seinem sehr genauen und auch leicht romantischem Strich überzeugen.
Wenn sich Trapper treffen, ist dies beinahe eine große Familienfeier. In der Wildnis, zwischen vereinzelten Siedlungen und Handelsstationen, werden Treffen wie diese zu außergewöhnlichen Begegnungen. Ersel illustriert beides griffig, mit erzählerischem Blick. Durch Arhab erhält es eine natürliche, sich selbst zurücknehmende Kolorierung. Kräftigere Farben finden sich den Brauntönen der Landschaft, dem Rot in Kleidungsstücken und dem Strahlen von Feuern und Sonnenuntergängen. Die Farbgebung unterstreicht so die ruhigen Bilder, die den Leser das Szenario ohne überflüssige Hektik genießen lassen.
Eine sehr schöne Episode aus der langen Reihe dieses Abenteuerszenarios in der neuen Welt, die auch ohne jegliche Vorkenntnisse gelesen werden kann. Allerdings, auch das sei gesagt, macht die Geschichte hier Lust auf mehr. Besonders Freunde des guten Abenteuer(roman)s dürften sich hier angesprochen fühlen. Maryse Charles und ihr Mann Jean-Francois sind seit langem Garanten für feinfühlig erzählte Comics. 🙂
Die Pioniere der neuen Welt 18, Das große Treffen: Bei Amazon betreffen
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Captain America ist schnell. Er ist als Supersoldat konzipiert. Er ist klug, aber wo andere ihm an Schnelligkeit nicht ebenbürtig sind, sind sie doch schlau genug, um gerade mit seiner Schnelligkeit zu rechnen und eine erfolgreiche Flucht exakt zu planen. Und so bleibt Cap nur das Nachsehen und eine Ahnung seines künftigen Feindes, der ihn noch in die Enge und an seine Grenzen treiben wird. Nicht nur das: Hydra ist zurück. Alte Helden reaktivieren auch alte Feinde. Diese Hydra-Agenten jedoch sind gescheiter, besser trainiert, aber ebenfalls nicht ausreichend stark und wendig, um mit dem Team um Captain America mitzuhalten. Dennoch ist das energische Auftreten dieser Verbrecherbande besorgniserregend.
Legenden sterben nie, jedenfalls nicht für immer: Nachdem das Marvel-Universum diverse Kriege durchgestanden hat, zivile und geheime, chaotische, einen Hulk-Weltkrieg, sich gegen dunkle Herrschaften auflehnte und so manches Opfer zu betrauern hatte, darf der Leser, insbesondere der Fan sich glücklich schätzen, dass die großen Helden ihres Fachs niemals vollkommen vergehen. Manchmal werden sie zeitweise ersetzt, nicht selten kehren sie in Person zurück und starten einen Neubeginn. Captain America kann ein Lied davon singen, ist doch in seine Lebensgeschichte Tod und Rückkehr von Anfang an eingewoben.
Captain America lebt. Diesmal jedoch muss er sich nicht in einer neuen Epoche orientieren und seine Freunde und Gegner sind alte Bekannte. Nick Fury auf der einen Seite, Baron Zemo, Bravo, Hydra, ein riesenhafter Roboter als Kopie seiner eigenen Person sorgen für die nötige Vertrautheit und doch haben Änderungen stattgefunden. Das Szenario ist durch die Vermischung der genannten Personen mit der Fähigkeit eines Mutanten namens Jimmy Jupiter unberechenbar und wartet so mit jeder Menge Überraschungen auf.
Der Marvel-Fan kennt natürlich die Möglichkeiten, die durch die Beugung der bisherigen Marvel-Realitäten entstehen können. Das Ultimative Universum ist eine groß angelegte, stationäre Variante, das House of M war ein Happening in dieser Richtung. Jede Abweichung von bekannten Linien schafft Luft für Ungewöhnliches und auch Neuausrichtungen von Charakteren. Die Fähigkeit von Jimmy Jupiter, sich per Gedanken eine eigene Welt zu erschaffen, eine Traumwelt, die sich den eigenen Wünschen beugt (hier ist eine Parallele zu Inception), ist schon faszinierend genug. Fügt man allerdings wie Autor Ed Brubaker eine Hetzjagd hinzu, an der Indiana Jones seine helle Freude hätte, streut noch artistische Kämpfe ein, die selbst bei Marvel nicht an der Tagesordnung sind, dann hat ein Künstler wie Steve McNiven alle Hände voll zu tun.
Ausnahmekünstler Steve McNiven (selbst für Marvel-Verhältnisse, kann der Verlag doch nicht wenige Talente unter seinem Dach versammeln) erhält in den Sequenzen die größte Bewegungsfreiheit, in denen die Phantastik die höchsten Wellen schlägt. Ein Captain America im Kampf mit seinem haushoch gewachsenen Roboter-Ich, eine Mixtur aus Zweitem Weltkrieg und Dinoland oder das Duell zwischen Cap und Bravo, während im Hintergrund die Welt zerbricht sind kleine Beispiele der ausufernden Fantasie, die den neuen Auftakt des schon recht alten Helden zu einem grafischen Höhepunkt werden lässt.
Ob klassisch stählern oder auch sehr menschlich, McNiven beherrscht beide Comic-Varianten in seinen Figuren. Die klassisch Stählerne, der mehr figurenhafte Charakter, ist allerdings deutlich gefragter in der Handlung. An der Figur des Jimmy Jupiter kann er jedoch zeigen, wieviel mehr Formen er zu Papier bringen kann. Jupiter darf als alter Mann ebenso auftreten wie als kleiner Junge, faszinierende Auftritte, teils passiv, aber auch so schön, dass man sich als Leser wünscht, Marvel würde die Möglichkeiten dieser Figur einmal mehr nutzen. Allein der grafische Ausdruck, der hier ins Spiel kommen kann, ist grenzenlos.
Eine Ikone ist zurück: Mit viel Fantasie in der Ausführung, mit perfekten Illustrationen im gelungenen Filmstil rast die Handlungslinie durch die Geschichte, die auch ein wenig von Inception inspiriert worden scheint. Packend, einfallsreich. 🙂