Sie fressen ihnen die Häuser weg! Stein ist nicht vor ihnen sicher. Mit der Nacht erwachen sie zum Leben. Und diese gefräßigen Viecher machen nicht einmal vor Palästen Halt. Blieben sie doch bei den armen Leuten und deren Häusern! Doch wo der Adel sich bedroht sieht, besteht plötzlich auch Handlungsbedarf. Wer könnte helfen? Wer kennt ein Mittel bei diesem Problem? Gab es dergleichen überhaupt schon einmal? Die Weisen schicken einen der ihren zur Ergründung des Wahns, der die Stadt Triban heimsucht. Der Gesandte hat alsbald herausgefunden, wieso es zu diesem Phänomen kommt. Eine Lösung hat er dennoch nicht. Da trifft es sich, dass ein Fremder die Stadt besucht. Dieser Fremde, ein Barbar auch noch, könnte der Retter sein, den die Stadt braucht.
Der Rattenfänger von Hameln? Nicht ganz. Der Held dieser Geschichte heißt Nükhu. und ist ein Barbar. Wie viele seiner Zunft ist er nicht der hellste, irgendwie immer auf der Suche nach Arbeit und irgendwie findet er nichts, was seiner Qualifikation entspricht. Deshalb wird bei seiner Ankunft in Triban auch gleich wieder der Stadt verwiesen. Keine Arbeit, kein Aufenthalt. Denn für einen Barbaren gibt es einfach nichts zu tun. Falsch! Eine Plage sorgt für Arbeit, die nur ein Barbar erledigen kann. Es ist Die Stunde der steinernen Drachen von Troy.
Christophe Arleston nimmt sich im fast schon monumentalen Werk um die Welt Troy der alten Legende um den Rattenfänger von Hameln an. Man muss diese Geschichte nicht kennen, zumal Arleston seiner Fantasie gemäß die Handlung mit sehr vielen eigenen Aspekten würzt und natürlich schon die Adaption auf diese Fantasy-Welt reichlich Eigenheiten mit sich bringt. Dieser Nükhu ist kein Schlitzohr, eher ein Schlawiner, der gerne einen über den Durst trinkt, eine zünftige Schlägerei liebt und scheinbar ein Schäferstündchen nicht unter einem Dutzend Frauen erledigt.
Somit findet sich mit einem wenig kultivierten und disziplinierten Helden bereits eine gute Ausgangssituation für eine Fantasy-Komödie. Denn ob die Stadtoberen von Triban wollen oder nicht, sie sind auf Nükhu angewiesen. Dieser richtet nicht nur mit seiner wunderbaren Fähigkeit des Trommelns eine Menge Umfug an. Bevor die Drachen, die zum großen Übel der Stadt geworden sind, eingefangen werden, stellt sich die Frage, ob nicht Nükhu der weitaus schlimmere Unruhestifter ist. Nükhu funktioniert dank der grafischen Fähigkeiten von Comic-Künstler Didier Cassegrain noch einmal so gut.
Bislang ist Didier Cassegrain noch nicht so sehr als Zeichner aufgefallen, doch seine Künste als Pin-up-Zeichner kommen hier stark zur Geltung. In dieser grafischen Linie wäre er für eine Mitarbeit bei Sky Doll prädestiniert oder hätte auch bei Route des Maisons Rouges als Zeichner dabei sein können. Stilistisch ist Cassegrain in enger Nähe zu einem Vincenzo Cucca. Zart, zerbrechlich wirkend mit ein wenig Zeichentrickfilmatmosphäre. Starke Außenlinien, wenige Innenlinien, dafür aber eine sehr weiche, sauber ausgeführte Farbgebung, angelegt zwischen knallig, stark und pastellartig.
Didier Cassegrain zeichnet nicht nur mit feinem Strich, auch seine Figuren haben einen schmalen Charakter. Selbst ein muskulöser Nükhu, der tatsächlich (wie kann es bei einem Barbaren anders sein) wie eine Karikatur eines Conan ausschaut (gemischt mit einem Umpah-Pah), reiht sich in diesen Eindruck ein. Überwiegend sind weitere Figuren zumeist entweder sehr schlank, hoch aufgeschossen oder besitzen das übertriebene disneysche Flair, das so manchen Nebenfiguren anhängt. Die Frauen allerdings sind mit dem Rundungen ausgestattet und haben, auch übertrieben, ein erotisches Flair, das sich in ihrer gesamten Aufmachung zeigt.
Mit kurzen Röcken, tiefen Ausschnitten, aufgedonnert jagen die jungen Frauen hinter Nükhu her, der ihnen so viel mehr zu bieten hat als einheimische Männer. Entsprechend frivol geht es auf lustige Weise in so mancher Szene zu. Doch Cassegrain vermag noch viel mehr als Pin-ups. Die Aktionssequenzen, Nükhu gegen die Drachen sind stark, schnell, rasant und mitleidlos gegen die Wesen, die einstmals nur Verzierungen an Häusern und simple Wasserspeier waren.
Spaßig, zwischen urkomisch und frivol, durchweg unterhaltend und grafisch prächtig gestaltet geht es hier auf Drachenjagd. Arleston legt hier ein weiteres Einzelabenteuer vor und findet mit Cassegrain den perfekten Illustratoren für dieses Abenteuer. Nicht nur für Troy-Fans, sondern für alle, die lustige Fantasy mögen. 🙂
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