Samstag, 28. April 2012
Die Grotten sind wunderschön. Es ist Mime nicht zu verdenken, dass er diese Umgebung vermisst hat, die einen solch magisches Flair zu bieten hat. Die beiden Reisenden ruhen aus, ein letztes Mal, denn der Weg zum Drachen ist nicht mehr lang. Aber endgültig. Tief unten hält sich der Drache verborgen. Immer kälter wird es, eisiger. Die Toten, jene, die vor Siegfried diesen Weg gingen, erwarten den Helden vor dem Eingang zur Höhle. Knochen, Mahnmale, sogar seine Eltern. Sie warnen Siegfried noch einmal. Doch Siegfried weicht nicht und fordert den Giganten heraus.
Episch. Ohne Hagen von Tronje, ohne Kriemhild. Nur ein Held, ein Drache, eine Walküre, ein heimlicher Verräter und ein Gott. Nur? Nein, ganz und gar nicht! Siegfrieds Aufgabe ist es, gegen den Drachen Fafnir zu ziehen, der sich tief unter der Erde in den Höhlen verkrochen hat. Offensichtlich aber ist Fafnir nicht unglücklich darüber, solange er mit seinem Gold vereint ist. Fafnir ist die ungezügelte Kraft, die sich nicht messen muss, die einsame Kreatur in der Dunkelheit. Mit Bosheit hat das weniger zu tun, vielmehr ist er wie alle Figuren in diesem Drama an seinem Platz, von Alex Alice auf der Basis Wikingersagen und der Musik von Richard Wagner wie auf einem Schachbrett in Stellung gebracht. Ganz gleich, wie oft über die letzten Züge nachgedacht wird, es bleibt nur ein einziger Weg, dem sich sogar ein Gott fügen muss.
Bei aller Tragik gibt es schließlich doch eine Belohnung. Bis es allerdings zu diesem Punkt kommt, muss jede Figur in diesem Spiel leiden. Die eine mehr, die andere weniger. Die einen aus freier Entscheidung, die anderen, weil sie sich dazu gedrängt fühlen. Alex Alice hat aus Siegfried einen Helden gemacht, der außer seiner Aufgabe nichts anderes kennt. Mime, der alte Schmied an seiner Seite, oder das getreue fliegende Pferd der Walküre, sind die einzigen Begleiter auf dieser Reise. Siegfried ist, auch in anderen Erzählungen, derjenige, der für eine Richtung steht und ein Ende einläutet. Ohne ihn ist die Handlung undenkbar. Hier, entkernt von höfischen Intrigen, ist er die Handlung, zum Helden geboren, sonst nichts.
Groß, größer, Fafnir. Wenn Alex Alice den Drachen aus der Tiefe hervorbrechen lässt, provoziert durch die Worte eines Menschleins, ist dies ein Vorgeschmack auf die Apokalypse, eine neue Götterdämmerung. Diese kommt dramatischer, für den Menschen verständlicher daher. Es ist der Kampf des Menschen gegen die Kreatur und sein Sieg über sie (damit sollte kein Geheimnis verraten werden, denn die Eckpfeiler der alten Sage werden auch von Alex Alice nicht verändert) birgt die Grundlage für die weitaus wichtigere Auseinandersetzung. Der Kampf gegen Fafnir, brillant mit spielbergscher Eleganz inszeniert, bildet die Aufrüstung, die das folgende Duell erst ermöglicht: Mensch gegen Gottheit.
Odin! Sonst sind keine Götter mehr da. Odin ist alleine, den alten Gesetzen verhaftet, denen sich der Mensch entgegenstellt, da sie, will er die Liebe annehmen, keine Gültigkeit mehr für ihn besitzen. Philosophische Rückschlüsse aus der Handlung spiegeln sich in den Bildern von Alex Alice auf jeder Seite wider. Ausdrucksstark, präzise, mit Jugendstiloptik, mit auf Schönheit bedachten Linien und realistischen Formen, aber auch zeitweiligen Ausflügen in die nähere Popkultur mit einem disneyschen Mime. Allein der Auftakt, die Rückkehr Odins vom Tode, stimmt mit Bedacht auf den dritten Teil ein.
Die Farbgebung erinnert an Veröffentlichungen aus den 70er, 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, als die Farben noch reduziert (ohne den Kollegen Computer) aufgetragen wurden, mit dem Ziel, eine Stimmung zu erreichen. Beispielhaft seien hier Blueberry oder auch Comanche genannt. Dies mögen zwar Western sein, doch existiert in diesem phantastischen Grundszenario ein Muster, wie es sich in vielen Dramen um den einsamen Helden findet. Demzufolge hinkt der Vergleich nicht.
Ein traurig schöner Abschluss: Siegfried geht seiner Bestimmung entgegen, bereit für die Belohnung, die er sich ebenso hart erkämpfen muss. Wunderbar illustriert von Alex Alice. Mit dem Zeug zum Klassiker. 🙂
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Donnerstag, 26. April 2012
Clara liegt immer noch im Koma. Fito hat es nicht aufgegeben, sie retten zu wollen. Doch bislang ist er mit seinem neuen Freund Raf kaum einen wichtigen Schritt weitergekommen. Die beiden Freunde wissen, wie es zu Claras Zustand kommen konnte. Sie haben einen Anhaltspunkt, wie sie es möglicherweise schaffen, sie zu wecken. Doch dafür müssen sie ihr eigenes Leben riskieren. Der Turm da vor ihnen muss in zehn Minuten erklommen werden. Als Frosch, der gefühlte zehn Meter hoch springen kann und mit einem Waffenarsenal ausgerüstet ist, mit dem ganze Söldnertrupps ausgelöscht werden können, sollte diese Mission nach Aussage der beiden Spieler zu einem Kindergeburtstag werden. Sollte. Denn ganz so einfach ist es dann doch nicht.
Juan Gimenez lässt es krachen! Das Szenario gibt dem Autoren und Zeichner sämtliche Möglichkeiten. Es ist eine Spielwelt, in der sich Juan Gimenez nach Belieben austoben kann. Im Zeitalter sehr realistischer Grafik kann Gimenez aus der Sicht der Spieler noch mehr bieten. Gleichzeitig präsentiert er sehr nostalgisch anmutende Spielkonzepte.
In einer Art Frogger-Variante (in der die Spieler in die Rolle des Frosches schlüpfen) geht es nicht einfach nur darum, eine Straße zu überqueren. Wären es nur Autos und Lastkraftwagen, die es zu überwinden gälte, hätten die beiden Spieler leichtes Spiel, im wahrsten Sinne des Wortes. So aber gilt es einen mit Fallen und Schussanlagen bewehrten Turm zu erklimmen. Aus Frogger wird bei Gimenez eine Achterbahnfahrt der Todesfallen. Und dabei belässt er es nicht. Wer einmal dem Computerspiel frönte, saß sicherlich auch vor einem Flugsimulator (nun, wenigstens männliche Spieler).
Gimenez beweist mit seinem Frogger seine humorvolle Seite als Illustrator. Wer seine von ihm gestalteten Science-Fiction-Epen gelesen hat, wird auch den Techniker kennengelernt haben. In seinem Flugsimulator zeigt er seine konsequente Schau einer F14, die sich mit einem Ungetüm von Jagdbomber messen muss. Realismus gegen fantastischen Einschlag bei den Gerätschaften: Es ist ein Genuss, die Bilder von Gimenez zu betrachten, der sich durch die Vielzahl von Eindrücken für eine ebenso große Anzahl von Themen und Genres empfiehlt.
So ist Das verlorene Grabmal, einem Abenteuer in Wüste und Tempel, für mich als Leser wohl die schönste Episode (nach der ich mir wünschte, Giminez würde sich einmal an eine Umsetzung einer Geschichte über Allan Quatermain wagen). Die Massivität der Eindrücke, die Gimenez mit seiner im Comicbereich ziemlich einzigartigen Technik erreicht, springt den Leser regelrecht an. Gimenez, dessen Bildqualität des Titelbildes sich im Album selbst fortsetzt, mach aus dem Spießrutenlauf der Hauptfiguren einen Parcours für das Auge, indem er von Genre zu Genre springt, Antiquiertes neben Hochtechnisiertes stellt, persifliert und vormacht.
Doch Juan Gimenez zeichnet nicht nur, er erzählt außerdem und versteht sich auch darauf, einige Fallstricke diverser Spieleszenarien mit gehörigem Witz umzusetzen. Wer hat sich nicht über manche Rätsel gewundert, über merkwürdige Kombinationsmöglichkeiten, das Zusammensetzen von Puzzelteilen, dem Vorwärtslaufen und Rückwärtsrennen, um etwas zu finden, was der Schlüssel zu einer Lösung oder einem nächsten Level sein soll. Aber nicht nur für Spieler, die mit dem Medium Computer große geworden sind (und ihren Anfängen), dürfte das Finale ein schöner Spaß sein, der Erinnerungen weckt.
Ein kurzweiliger Spaß, flott erzählt, gewohnt gigantisch illustriert von Juan Gimenez, findet hier mit dem zweiten Teil seinen Abschluss. Sehr schön, vorbildlich. 🙂
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Sonntag, 22. April 2012
Tuberkulose. Kein Todesurteil, so doch eine Diagnose, die für unendliche Qual stehen kann, an deren Ende sich so mancher Patient wünscht, es wäre endlich alles vorbei. Als Doris, einstmals von der Tuberkulose geheilt, mit ihrer kleinen Tochter Cora in die Klinik von damals zurückkehrt, hofft sie noch. Aber ihre Hoffnung ist trügerisch. Die Diagnose zwingt Doris, ihre Tochter in Behandlung zu geben. Da sie kein Geld hat, bietet sie an, als Krankenschwester zu arbeiten. Zunächst verläuft alles in einem normalen Rahmen. Bald mehren sich die Merkwürdigkeiten. Die Behandlungsmethoden machen stutzig. Wohin verschwinden die Leichen? Und wer sind jene Menschen, mit denen Cora spricht und die ansonsten niemand zu sehen scheint?
Der ganz normale Wahnsinn eines Krankenhauses. Und mehr. Heilanstalten der besonderen Art sowie verabscheuungswürdige Versuche an Menschen sind leider keine Erfindung von Horrorautoren, vielmehr sind sie, wie hier, auch Teil der amerikanischen Geschichte. Der Kampf gegen die Tuberkulose ist inzwischen zu gewinnen. Die Therapiemöglichkeiten liegen fern der Barbarei, die hier teilweise beschrieben wird. Unkenntnis war ein Grund. Christophe Bec zieht aber noch ein weiteres Motiv für die abertausende Toten heran, die hier die sehr abseits gelegene Klinik nicht lebend verlassen: Gier. Jeder Patient bedeutet Geld, jedes eingesparte Medikament und dennoch berechnete Arzneimittel sorgt für volle Geldbeutel. Aus dem ganz normalen Verbrechensszenario wird jedoch blanker Horror.
Nicht alle Ärzte dieser Heilanstalt sind ehrbar, nicht alle sind im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte oder besitzen jenes Quäntchen Gefühl, das gemeinhin als Mitleid bekannt ist. Hier driftet Christophe Bec in die Szenarien von Horrorhäusern, die von Autoren und Filmemachern thematisiert wurden, aber immer irgendwie funktionieren. Isolation, Hilflosigkeit, enge Räume, abgeschlossene Räume, Dunkelheit, verbotene Gänge, Geheimnisse, irrsinniges Pflegepersonal, krankhafte Behandlungsmethoden und natürlich perverse Ärzte in unterschiedlichen Fachbereichen. Für den Leser ist besonders erwähnenswert, dass diese Ärzte als Chirurgen und Psychiater arbeiten.
Doch noch befindet sich Christophe Bec mit diesen Zutaten in einem durchaus realistischen Szenario, bei allem Wahnsinn, der hier vorherrschen mag. Doch wo tausende von Menschen sterben, kommt es zuweilen zu Eindrücken sehr sensitiver Beobachter. Und so muss die kleine Cora, die von ihrer Mutter zur Heilung in diese Anstalt gebracht wird, feststellen, dass die Körper der Toten die Klinik verlassen haben, ihre Geister jedoch noch nicht mit diesem Ort abschließen konnten. Christophe Bec ist als Comic-Autor dafür bekannt, seine Genres zu kennen. Entsprechend steigt die Spannung mit jeder Seite. Da er weiß, wie Horror funktioniert, kann Christophe Bec mit den Regeln spielen.
Stefano Raffaele ist ein Comic-Künstler, der ganz auf Becs Linie ist. Realismus in den Zeichnungen steht im Vordergrund. Atmosphärisch müssen die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts eingefangen werden. Durch die Abgeschiedenheit der Klinik, die zwangsläufig außerhalb von Siedlungen angesiedelt ist, da Tuberkulose hoch ansteckend ist, entsteht eine optische Mischung aus Gruselschloss, weiter und wilder Natur und dem Flair der 50er, die sich hier durch Kleidung, Innenausstattung und Fahrzeugen ausdrücken.
Christophe Bec gibt einige Szenen und Sequenzen vor, die das (rückblickend betrachtet) Lebensgefühl jener Tage einfangen. Aber Geisterbilder werden von Stefano Raffaele perfekt illustriert. Der wirklich harte Stoff sind einige wenige, dafür eindrückliche Szenen, die die Verfahrensweise von Operationen einfangen und während der Lektüre für ein betretenes Schlucken sorgen.
Das erwähnte Gruselschloss kann der Leser gleich auf dem Titelbild des Sammelbandes erkennen. Olivier Peru hat die drei Titelbilder der Einzelalben gestaltet (jeweils den einzelnen Abschnitten vorgesetzt) und liefert hiermit wahrhaft kinotaugliche Eindrücke, die sicherlich nicht uninspiriert von einigen Japan-Schockern (oder ihren amerikanischen Adaptionen) sind. Die Kolorierung der Zeichnungen von Stefano Raffaele durch Marie-Paul Alluard ist in der zweiten und dritten Episode abweichend zum ersten Akt. Zuerst verwendet sie noch feine Strukturen und Aquarelleffekte, bevor sie später zum säuberlichen Airbrushauftrag (per Bildbearbeitungsprogramm) übergeht. Beides verfehlt seine Wirkung nicht. Was schöner ist, muss der Leser für sich entscheiden.
Eine sehr dichte Erzählung von Christophe Bec, mit ein wenig japanischem Flair in der Handlung. Als Autor schont er seine Hauptfiguren nicht, noch gönnt er ihnen eine Verschnaufpause. Dies ist eine Achterbahnfahrt in den Abgrund, ohne die Möglichkeit einer Erlösung. Stimmig und atmosphärisch von Stefano Raffaele gezeichnet. Gruselige Unterhaltung garantiert. 🙂
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Samstag, 21. April 2012
Sie fressen ihnen die Häuser weg! Stein ist nicht vor ihnen sicher. Mit der Nacht erwachen sie zum Leben. Und diese gefräßigen Viecher machen nicht einmal vor Palästen Halt. Blieben sie doch bei den armen Leuten und deren Häusern! Doch wo der Adel sich bedroht sieht, besteht plötzlich auch Handlungsbedarf. Wer könnte helfen? Wer kennt ein Mittel bei diesem Problem? Gab es dergleichen überhaupt schon einmal? Die Weisen schicken einen der ihren zur Ergründung des Wahns, der die Stadt Triban heimsucht. Der Gesandte hat alsbald herausgefunden, wieso es zu diesem Phänomen kommt. Eine Lösung hat er dennoch nicht. Da trifft es sich, dass ein Fremder die Stadt besucht. Dieser Fremde, ein Barbar auch noch, könnte der Retter sein, den die Stadt braucht.
Der Rattenfänger von Hameln? Nicht ganz. Der Held dieser Geschichte heißt Nükhu. und ist ein Barbar. Wie viele seiner Zunft ist er nicht der hellste, irgendwie immer auf der Suche nach Arbeit und irgendwie findet er nichts, was seiner Qualifikation entspricht. Deshalb wird bei seiner Ankunft in Triban auch gleich wieder der Stadt verwiesen. Keine Arbeit, kein Aufenthalt. Denn für einen Barbaren gibt es einfach nichts zu tun. Falsch! Eine Plage sorgt für Arbeit, die nur ein Barbar erledigen kann. Es ist Die Stunde der steinernen Drachen von Troy.
Christophe Arleston nimmt sich im fast schon monumentalen Werk um die Welt Troy der alten Legende um den Rattenfänger von Hameln an. Man muss diese Geschichte nicht kennen, zumal Arleston seiner Fantasie gemäß die Handlung mit sehr vielen eigenen Aspekten würzt und natürlich schon die Adaption auf diese Fantasy-Welt reichlich Eigenheiten mit sich bringt. Dieser Nükhu ist kein Schlitzohr, eher ein Schlawiner, der gerne einen über den Durst trinkt, eine zünftige Schlägerei liebt und scheinbar ein Schäferstündchen nicht unter einem Dutzend Frauen erledigt.
Somit findet sich mit einem wenig kultivierten und disziplinierten Helden bereits eine gute Ausgangssituation für eine Fantasy-Komödie. Denn ob die Stadtoberen von Triban wollen oder nicht, sie sind auf Nükhu angewiesen. Dieser richtet nicht nur mit seiner wunderbaren Fähigkeit des Trommelns eine Menge Umfug an. Bevor die Drachen, die zum großen Übel der Stadt geworden sind, eingefangen werden, stellt sich die Frage, ob nicht Nükhu der weitaus schlimmere Unruhestifter ist. Nükhu funktioniert dank der grafischen Fähigkeiten von Comic-Künstler Didier Cassegrain noch einmal so gut.
Bislang ist Didier Cassegrain noch nicht so sehr als Zeichner aufgefallen, doch seine Künste als Pin-up-Zeichner kommen hier stark zur Geltung. In dieser grafischen Linie wäre er für eine Mitarbeit bei Sky Doll prädestiniert oder hätte auch bei Route des Maisons Rouges als Zeichner dabei sein können. Stilistisch ist Cassegrain in enger Nähe zu einem Vincenzo Cucca. Zart, zerbrechlich wirkend mit ein wenig Zeichentrickfilmatmosphäre. Starke Außenlinien, wenige Innenlinien, dafür aber eine sehr weiche, sauber ausgeführte Farbgebung, angelegt zwischen knallig, stark und pastellartig.
Didier Cassegrain zeichnet nicht nur mit feinem Strich, auch seine Figuren haben einen schmalen Charakter. Selbst ein muskulöser Nükhu, der tatsächlich (wie kann es bei einem Barbaren anders sein) wie eine Karikatur eines Conan ausschaut (gemischt mit einem Umpah-Pah), reiht sich in diesen Eindruck ein. Überwiegend sind weitere Figuren zumeist entweder sehr schlank, hoch aufgeschossen oder besitzen das übertriebene disneysche Flair, das so manchen Nebenfiguren anhängt. Die Frauen allerdings sind mit dem Rundungen ausgestattet und haben, auch übertrieben, ein erotisches Flair, das sich in ihrer gesamten Aufmachung zeigt.
Mit kurzen Röcken, tiefen Ausschnitten, aufgedonnert jagen die jungen Frauen hinter Nükhu her, der ihnen so viel mehr zu bieten hat als einheimische Männer. Entsprechend frivol geht es auf lustige Weise in so mancher Szene zu. Doch Cassegrain vermag noch viel mehr als Pin-ups. Die Aktionssequenzen, Nükhu gegen die Drachen sind stark, schnell, rasant und mitleidlos gegen die Wesen, die einstmals nur Verzierungen an Häusern und simple Wasserspeier waren.
Spaßig, zwischen urkomisch und frivol, durchweg unterhaltend und grafisch prächtig gestaltet geht es hier auf Drachenjagd. Arleston legt hier ein weiteres Einzelabenteuer vor und findet mit Cassegrain den perfekten Illustratoren für dieses Abenteuer. Nicht nur für Troy-Fans, sondern für alle, die lustige Fantasy mögen. 🙂
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Link: Didier Cassegrain auf Facebook (inkl. Bildergalerie)
Dienstag, 17. April 2012
Der Winzling ist das Überleben gewöhnt. Allein auf sich gestellt, gehört der Tod zum Leben dazu. Entweder kann er jederzeit sterben oder ist bereit, selbst zu töten. Mit dem Hund, der ihm über den Weg läuft, hat er Mitleid. Fortan wird das Tier ein treuer und geliebter Begleiter sein. Doch so ganz ohne Menschen geht es nicht. Der Winzling hat Glück. Selbst in dieser Welt, nach den Unruhen, den Kriegen, die aus einer Zivilisation einen Trümmerhaufen und Friedhof machten, gibt es immer noch Menschen, die sich um andere sorgen. Und so gerät der Winzling in die Obhut von Balu und Baghira.
Das Dschungelbuch hat schon verschiedene Varianten gesehen. Die Version von Crisse transportiert die Geschichte um das Waisenkind Mowgli in die Zukunft einer zerstörten Welt. Nicht Tiere, sondern Menschen übernehmen auch die Nebenrollen der Handlung, einzig ein Hund bleibt übrig und erzählt die Geschichte seines Herrchens. Denn der Winzling kann zu Beginn des Abenteuers noch nicht sprechen.
Der Junge wächst nicht nur nach der Zerstörung der Welt auf, er selbst auch auch mit den Folgen zu kämpfen. Das Kind hat früh gelernt, sich gegen Feinde, in diesem Fall Erwachsene, zu verteidigen. Bei einer dieser Gelegenheiten hat er sich gegen einen Mann aufgelehnt, der eine Niederlage nur schwer verkraften kann und den Jungen seither mit seinem ganzen Hass verfolgt: Shir Khan. Und gäbe es nicht den alten Balu und die junge Baghira, würde Shir Khan sein Ziel sicher sehr bald erreicht haben.
Die Konstruktion dieser Handlung, das ist für viele, die mit der Disney-Variante der Geschichte groß geworden sind, bestimmt keine Überraschung, hat nichts Schmusiges an sich. Vielmehr könnte man es als Mad-Max-Variante des Themas beschreiben. Nur die Starken überleben, die Zivilisation ist weitestgehend zum Teufel gegangen. Selbst bei jenen, die sich ein Stück Menschlichkeit bewahren wollen, steht der eigene Klan im Vordergrund. Fremde, wie sie schon Balu und Baghira waren, bringen dem Klan nur Ärger. Shir Khan, der früh vor den Palisaden der kleinen Siedlung erscheint und den Jungen fordert, bestätigt diese misstrauischen Stimmen nur.
Aber Crisse entführt den Leser noch zu anderen Figuren, die zuerst fremd erscheinen, aber in ihrer Erscheinungsform logisch und interessant sind. Kaa ist ein Scharfschütze, der zeitweilig am Rande des Nervenzusammenbruchs wandelt. Der König führt eine Bande an, die Bandar-Log, die eigentlich jenen Irren, die Shir Khan folgen, in nichts nachstehen.
Marc N′Guessan hat sich für jede einzelne der Nebenrollen ein besonderes Erscheinungsbild überlegt. Besonders auffallend sind natürlich Balu (ein bärtiger, alter, ehemaliger Militärarzt), Baghira (eine dunkelhäutige Amazone mit kurzen Haaren und schwarzem Dress) und zu guter Letzt Shir Khan (ein asiatisch anmutender schlanker Mann, der ein Auge durch Mowgli verloren hat). Die Strichführung ist intuitiv, flott, leicht karikierend. Marc N′Guessan schafft ein stimmiges Gesamtergebnis mit den nötigen, organischen Strichen.
Der Leser findet so nicht nur sehr individuell gestaltete Figuren, auch eine sehr unterschiedliche Umgebung schafft Abwechslung. An vielen Stellen hat sich die Natur ihr Terrain zurückerobert, doch Relikte der Vergangenheit, industrielle Anlagen und Räume, die an einstige Errungenschaften erinnern, unterstreichen den langsam zerfallenden Charakter des gezeigten Landes. Die Affenbande haust in einer ehemaligen Militärbasis, mit Raketen, die sie nicht abschießen können, weil sie diese nicht verstehen, aber abschießen würden, wenn sie nur könnten.
Durch die Kolorierung von Yves Lencot und Laurence Quilici ergibt sich eine Welt mit einer gelben Grundtendenz. Hitze ist der Eindruck, der an erster Stelle vermittelt wird. Rost liegt in der Luft, ein weiterer Eindruck, der durch die Farbgebung in entsprechenden Kulissen entsteht.
Ein ungewöhnlicher Ansatz des Dschungelbuches, aber vielleicht gerade deshalb eine frische Variante und eine äußerst spannende, denn so lassen sich viele neue Facetten entdecken. 🙂
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Samstag, 14. April 2012
Nur gemeinsam können sie überleben. Eine Höhle ist der einzige Schutz vor dem Schneesturm, der Thorgal und seinen Schlittenhunden auf offener Ebene in kurzer Zeit töten würde. Abgeschirmt vor Wind und Kälte harren sie in der Höhle aus. Thorgal weiß, dass ein Ausruhen nicht möglich ist, denn er muss einem engen Zeitplan folgen, will er das rettende Schwertboot erreichen, um mit ihm seine lange Reise und seine Suche nach seinem Sohn fortzusetzen.
Wikingerabenteuer: Im 33. Band der Reihe um Thorgal lassen die beiden Macher, Yves Sente (Autor) und Grzegorz Rosinski (Zeichner), den roten Faden zwar fortlaufen (die Suche nach Thorgals Sohn), hauptsächlich aber erzählen sie ein flottes Abenteuer, in dem Thorgals Fähigkeiten einmal mehr auf die Probe gestellt werden. Nicht nur Menschen sind hier seine Gegner, auch die Natur in Form von Schwertwalen macht ihm das Leben schwer.
Reisen in alter Zeit: Es ist ein Abenteuer voller Widrigkeiten. Das Schwertboot, auf dem Thorgal fährt, kann durch den vereisten Fluss fahren. Es darf nur niemals anhalten. In voller Fahrt können die metallenen Eisbrecher die Schollen vom Bootsrumpf fernhalten. Für Thorgal, der die Aufgabe übernimmt, Ware eines Händlers von Bord und zu einem Handelsposten zu schaffen, gehen damit die Schwierigkeiten nicht erst los, erhöhen sich jedoch um ein Vielfaches. Selbst in dieser Witterung, mit einem Winter, dessen klirrende Kälte Mensch wie Tier gehörig zu schaffen macht, gibt es Flussräuber, die das Schwertboot aufbringen wollen.
Lässt man den Teil, der sich mit dem mythischen Aufenthaltsort von Thorgals Sohn beschäftigt, einmal außen vor, gelingt Sente und Rosinski bereits hier ein überaus dramatisches Abenteuer, für das es in dieser 33. Folge keinerlei Vorkenntnisse braucht. Grzegorz Rosinski setzt die winterliche Welt mit derartiger Sicherheit um, dass er stilistisch an den großen Illustrator Zdenek Burian heranreicht, der mit seinen Bildern über die Urzeit des Menschen sehr bekannt wurde. Rosinski besitzt den Blick für eine dramatische Einstellung, Licht und Schatten und eine kräftige, fotorealistische Farbgebung.
Die Insel am Ende der Welt: Ein alter Realspielfilm aus dem Hause Disney, der schon auf dem Kinoplakat mit Eis und Schnee, Wikingern und aggressiven Schwertwalen warb. In mancherlei Hinsicht werden Erinnerungen bei einigen Szenen an diesen Film wach. Aber natürlich können die spannungsgeladenen Seiten auch ohne jegliche Nostalgie genossen werden. Yves Sente hat sich klassische Fallen für seine Figuren geschaffen. Er demonstriert die Ergebnisse der Gefahren, besser gesagt, Grzegorz Rosinski zeigt diese mit einer Dramatik, auch einem Horror, mit dem schon in Orca gespielt wurde. Für alle anderen, die diesen Film nicht kennen, sei gesagt: Die klassische Urangst des Menschen, bei lebendigem Leib gefressen zu werden, ist auch hier ein packendes Erzählinstrument.
Die durchgehende lebensfeindliche Umgebung (außer für Schwertwale, die hier in ihrem Element sind) besetzt eine Grundatmosphäre, die von Anfang an in ihren Bann zieht. Der kleine Ausflug in den Erzählstrang um Thorgals Sohn ist eigentlich nur störend und wird auf vergleichsweise wenigen Seiten abgehandelt. Wie Grzegorz Rosinski das Kälteszenario anlegt, die Gesichter rot anlaufen, der Atem dampft, nicht nur Schnee und Eis Gefahren bergen, nicht nur im Wasser Raubtiere lauern, wie sich einfach ein grafisch beeindruckendes und hoch spannendes Gesamtszenario ergibt, ist schlicht vorbildlich. Keine Außenlinien wie früher, vielmehr ist jede Seite ein kleines Gemälde für sich, aufwändig gestaltet, ein Augenschmaus.
Ein tolles Abenteuer: Für Wikinger-Fans, Freunde großartig gemalter Comics. Der 33. Band der Reihe ist (fast) ohne Vorkenntnisse lesbar, konzentriert er sich doch auf eine einfache Mission Thorgals, die allerdings so spannend ist, dass man den Band erst nach der letzten gelesenen Seite schließt. 🙂
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Donnerstag, 12. April 2012
Ein großes Vorhaben. Die Erweckung von Toten. Für Gunter gibt es jedoch keinen anderen Weg. Er will seine Frau zurück haben, die vor fünf Jahren verstarb. Aber ist der so lange zurückliegende Tod nicht eine zu große Hürde für ein derartiges Unterfangen? Es ist ein Wagnis. Gunter geht es ein und scheitert. Aufgeben will er dennoch nicht. Zu gewaltig war und ist die Liebe, die ihn an diese Frau bindet. Zu mächtig ist der Wahnsinn geworden, der ihn nach so langer Zeit in seinen Klauen gefangen hält und ihn zwingt, ein solches Unternehmen bis zum bitteren Ende zu verfolgen.
Mit dem zweiten Band endet die Geschichte um die Kreuzfahrer und ihre außergewöhnliche Entdeckung. Die beiden Autoren Izu und Nikolavitsch treiben ihre Kreuzfahrer weiter auf der Suche nach des Rätsels Lösung. Das metallene Ungetüm tief unter der Erde, jenes Konstrukt, das aussieht wie ein merkwürdiges Schiff: Wie lange liegt es schon dort? Ist es der Auslöser für jene abscheulichen Kreaturen, die voller Blutgier über jeden herfallen, der es wagt, die Katakomben zu betreten? Neben der ausführlichen Beschreibung der aktuellen Abenteuer im Jahre 1245, finden sich nicht weniger interessante Rückblicke, die genauer auf jenes Wesen eingehen, das einst auf den Planeten abstürzte.
Die eigentliche Geschichte beginnt also lange bevor die Kämpfer im Auftrag des Papstes dem Geheimnis auf die Spur zu kommen suchen. Doch längst gibt es nicht nur jene, die das Geheimnis zu schützen versuchen, sondern auch jene, die es schon benutzen, um ihre eigene Macht zu steigern. Izu und Nikolavitsch würzen eine sehr aktionsbetonte Geschichte mit einem dunklen Geheimnis, das nicht zur Gänze gelüftet wird und noch einige Antworten offen lässt. Allerdings versöhnen die beiden Autoren mit einem kleinen Epilog, der sogar Raum für eine sehr eigenständige Fortsetzung ließe, würden sich die Macher dafür entscheiden.
Zhang Xiaoyu, der als Zeichner einen genial guten stilistischen Mix aus Katsuhiro Otomo (Akira) und Paolo Serpieri (Druuna) abliefert, trifft seine Figuren mit sicherer Hand und weiß insbesondere durch seine Darstellung aktionsgeladener Szenen zu überzeugen. Ob sich ein riesenhafter Kämpfer auf dem Schlachtfeld stellt, ägyptische Krieger die römischen Invasoren aufzuhalten versuchen oder die Kreuzritter gegen die Sarazenen im Heiligen Land aufmarschieren, stets steckt eine große cineastische Wucht in den Szenenfolgen. Das wird gefühlt in diesem zweiten Teil noch deutlicher.
Entscheidend für diesen Effekt ist neben der ungeheuer feinen Strichführung von Zhang Xiaoyu insbesondere die plastische Kolorierung von Zhou Hualong und Li Jian. Die Farbwärme der Bilder hat viel mit alten Gemälden gemeinsam, wenngleich sich keiner der Künstler räumlich so ausbreiten kann und für die Erzählung wirklich jeder noch so kleine Platz ausgenutzt wird. Bei der Qualität der Bilder stört es auch nicht, dass Zhang Xiaoyu mit der Darstellung eines Krokodils ein Missgriff gelingt (ein wenig Erbsenzählerei soll bei so viel Lob auch dabei sein).
Die Kämpfe, so viel ist sicher, sind keine edlen Streitereien. In diesen Kämpfen stehen sich unversöhnliche Feinde gegenüber, entsprechend sind die Schlachten offene Gemetzel und werden auch als solche gezeigt. Der mysteriöse Aspekt der Geschichte wie auch die untoten Kreaturen erinnern in diesem Zusammenhang durchaus an Szenarien, wie sie in Publikationen wie Resident Evil zu sehen waren, in vergleichbaren Mangas sowieso. Die Rasanz der Bilder ist in jedem Fall beeindruckend, wirken sie doch auch wie die Vorbereitung zu einem Film, in dem jede Kameraeinstellung und jeder Spezialeffekt im Vorfeld genau geplant ist.
Eine höchst intensive und dichte Fortsetzung, ein Abschluss, in dem es stetig voran geht und Rätselfreunde wie auch Fans von aktionsgeladenen Handlungen voll auf ihre Kosten kommen. Toll illustriert von Zhang Xiaoyu, sicherlich ein Name, den man sich wird merken müssen. 🙂
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Montag, 09. April 2012
Ein König kann seinen Vasallen auf vielerlei Weise verärgern. Ein Leichtes wäre die Anhebung der Abgaben, aber in versteckter Form lässt sich das Murren des Gefolgsmannes noch unterdrücken, denn ist die Ausrichtung eines königlichen Turniers nicht nur finanzielle Last, sondern auch eine Ehre? So ahnt Roland nichts Böses, als ihm genau diese Ehre zuteil wird. Doch als immer mehr Gäste sich ankündigen und letztlich auch einstellen, ahnt Roland sehr bald schon, was König Artus in Wahrheit mit diesem Turnier bezweckt. Aber Roland ist nicht irgendein Ritter. Er gibt niemals auf. Und wird diese Schlacht nicht auf dem Felde, vielmehr an den Kochtöpfen, bei der Bedienung und Bewirtung, den Unterkünften und der Pracht des Turniers gewonnen, so wird er die Herausforderung von König Artus annehmen.
Der Günstling des Königs: Roland, der ungestüme Ritter, dessen Temperament und Mundwerk ihn schon in des Teufels Küche gebracht haben, ist eigentlich alles andere als ein Günstling des großen Königs Artus. Jener sagenhafte König, der einer Verbindung Rolands mit seiner Tochter Gwendoline nur mit Abneigung gegenüber steht, lässt kaum etwas unversucht, um den aufmüpfigen Ritter, der es wagt, seinen eigenen Kopf zu haben, in seine Schranken zu weisen.
Zunächst aber kann Roland, erdacht, geschrieben und gezeichnet von Francois Craenhals, ein wenig dem normalen Ritterdasein und dem Gutsleben frönen. In Der Geheimgang gönnt sich Francois Craenhals eine anfangs langsame Erzählweise. Es ist ein Blick hinter die Kulissen des mittelalterlichen Lebens am Beispiel des Neuaufbaus einer Burg, mit allem, was damit zusammenhängt. Steine müssen gebrochen, behauen und Arbeiter versorgt werden. Es ist ein schöner Blick auf die Baustelle, das umgebende Land, Arbeitsweisen, bis die Liebe Rolands in den Vordergrund rückt und sich in dieses Szenario, auch für Roland völlig unvermutet, eine Intrige einschleicht und am Paradies gerüttelt wird.
Dieser Blick auf das ritterliche Leben findet seinen vorläufigen Höhepunkt in der Episode Der Günstling des Königs, in der die Haupthandlung von den Vorbereitungen eines ritterlichen Turniers und den sportlichen Feierlichkeiten selbst begleitet wird. Craenhals schildert und zeigt diese Ausnahme vom Alltag so voller Kleinigkeiten und auch so liebevoll erzählt, dass neben der vorzüglichen Charakterschilderung auch ein lebendiges Abbild jener Zeit entsteht, sicherlich ein wenig nostalgisch, aber auch relativ realistisch. Hier ist kein Platz für Superritter.
Hier muss geübt werden, um zu gewinnen. Hier muss enormer Willen aufgebracht werden, um auch noch den nächsten Schlag des Gegners auszuhalten. Wenn die Kontrahenten nur noch mit dem letzten Rest Kraft auf dem Turnierplatz stehen und sich die Zuschauer die Augen reiben, dann wird aus der Schilderung des Ritterlebens ein vortreffliches Abenteuer. Für jene Leser, die an der Seite des Helden lieber in ferne Länder reisen, wird es mit der deutschen Erstveröffentlichung der dritten Episode in diesem Band deutlich abenteuerlicher, auch fremder.
Die Falle entführt in die eher seltener genutzte mittelalterliche Umgebung Russlands. König Artus nimmt Kontakt zum Hofe Königs Isjaslaws auf. Den diplomatischen Beziehungen soll der Austausch von Wissen folgen. Roland soll diese Mission übernehmen. Die Fremdartigkeit der Kultur ist offensichtlich, auch wird die Art und Weise von Rolands Verhalten äußerst befremdlich aufgenommen. Aber eine besondere Entwicklung, Rolands persönliches Schicksal betreffend, hat sich Francois Craenhals für das Finale aufgehoben und stellt so die Weichen für eine zukünftige Handlung.
Die feinen, man will sagen, romantisch anmutenden Zeichnungen entwickeln besonders in den ersten beiden Episoden ihre ganze Pracht. Ganz speziell weiß der Abschnitt der Erzählung um das Ritterturnier zu überzeugen. Das Leben innerhalb der Burg, die Vorbereitungen sind einfach so schön gezeichnet und koloriert, dass das Auge länger als gewöhnlich verweilt und die Bilder einfach wirken lässt. Auch ist die Erzählung von Craenhals dergestalt, dass er dem Leser diese Zeit gönnt. In Die Falle zeigt er, wie er auch die Geschwindigkeit anzuheben versteht.
Ein toller fünfter Sammelband, der sogar eine deutsche Erstveröffentlichung enthält. Durch die gelungene Mischung aus mittelalterlichem Alltag und Abenteuer findet sich hier auch ein guter Einstiegsband, für dessen Verständnis eine Vorkenntnis der bisherigen Abenteuer nur selten erforderlich ist. 🙂
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Mittwoch, 04. April 2012
Gelandet. Aber noch nicht am Ziel: Um den Schatz zu finden müssen die fünf Kinder das Captain Crown einen beschwerlichen Weg quer durch den Urwald auf sich nehmen. Für die Schönheit der Natur, die es zweifellos zu sehen gibt, bleibt ihnen keine Zeit. Ein Kopfjäger ist ihnen bereits auf der Spur. Er kann ihnen nicht vergeben, dass sie Red getötet haben, dessen Leichnam bereits von den Krabben am Strand der Insel vertilgt wurde. Aus dem Hinterhalt schleicht sich der Jäger an, tötet mit Messer und Gift, bis er sich dem stärksten der fünf Hurenkinder auf dem Weg zum Gold der Verdammten stellen muss.
Verdammt gemein: Autor Tristan Roulot hetzt hier ein paar Charaktere aufeinander, von denen kaum zu sagen ist, welcher von ihnen niederträchtiger als der andere ist. Gezeichnet durch ihre Herkunft, mit einem Krankheitsmal an einer jeweils anderen Stelle ihres Körpers, gieren sie nach Gold und Rache. Die Kinder des Captain Crown dürften zu widerwärtigsten Gauner gehören, die jemals auf Schatzsuche gegangen sind. Und nicht nur das: Ihre Verfolger sind um keinen Deut besser.
Nachdem im ersten Teil die Kinder des Captain Crown zueinander gefunden haben, die Schatzinsel nun erreicht ist, versuchen sie einander bei der Jagd auf den Schatz auszubooten. Doch denen, die kein Mitleid zu geben bereit sind, widerfährt auch kein Mitleid. Für die Morde an ihrem Vater wie auch an ihrem Reisegefährten werden sie gnadenlos gejagt. Tristan Roulot hat fünf Antihelden geschaffen, denen der Leser nichts Gutes wünscht. In dieser Piratengeschichte versteckt sich auch kein Humor, höchstens einmal hier oder da ein besonders schwarzer Scherz. Es sei denn, das Lachen bleibt einem im Halse stecken. Roulot erzählt mit kompromissloser Härte, ohne den Spaß, den neuere Erzählungen manchmal aufweisen. Von der Romantik alter Piratenabenteuer ist ebenfalls keine Spur zu finden.
Vielmehr scheint Tristan Roulot alles daran zu setzen, mit den neuen und alten Geschichten aufzuräumen und dem Piratengenre seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Das wirkt stilistisch ähnlich, als erfände ein Sergio Leone das Westerngenre neu. Inmitten des dichten Dschungels kommt durch die Verfolgungsjagd, der sich die fünf Hurenkinder ausgesetzt sehen, sogar ein wenig (eher mehr) Gruselstimmung auf. In einigen Szenen ist es blanker Horror. Ähnlich kompromisslos wie Tristan Roulot erzählt, legt Patrick Henaff seine Zeichnungen an. Es gibt die Rückblicke, die geheimnisvollen Momente, die Schockaugenblicke und die wundersamen Ansichten, wie sie zu einer Piratengeschichte gehören, die mit dem Unheimlichen spielt.
Je mehr das Ende naht, umso dunkler wird die Umgebung und die Handlung. Zeichner Patrick Henaff hat viele interessante, düstere Motive. Schön sind sie nur ganz selten. Eine Ansammlung von Schmetterlingen wirkt wie eine Verirrung im ansonsten gefährlichen Urwald. Henaff spielt mit Schatten, deutet eine Riesenschlange an, die nichts Gutes verheißt, doch in Wahrheit geht die Gefahr von den kleinen Schlangen aus, ähnlich bunt wie die Schmetterlinge, aber in hohem Maße giftig. Die Rückblicke, die Henaff zeigt, gleichen allesamt Alpträumen, ob sie nun tatsächlich passieren, passiert sind oder in wirklichen Träumen stattfinden.
Patrick Henaff hält es bei Hintergründen realistisch, während er Charaktere gering überzeichnet sind. Ist der Anblick umso furchtbarer, versucht er durch eine leichte Karikatur ein Zerrbild zu schaffen. Ein Beispiel hierfür ist jenes Hurenkind, dessen gesamter Kopf von der Krankheit, Lepra, befallen ist und durch seine Bandagen eine kleine Hommage an mumifizierte Wiedergänger ist. Zum ausgereiften, häufig anzutreffenden frankobelgischen Stil passt die erdige Farbgebung, die den Realismus der Grafiken stützt und auch durch seine Kolorierung jeglichen Anflug von Übertriebenheit unterdrückt.
Beinhart, wie man heutzutage so schön sagt, aber selten war es richtiger als hier: Eine Piratengeschichte voller Gnadenlosigkeit und Gier, Intrige und Verrat. Hier schenkt niemand niemandem etwas. Ein höchst gelungener, hoch spannender Piratenthriller von Tristan Roulot und Patrick Henaff, der mit dieser zweiten Folge seinen Abschluss findet. 🙂
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Dienstag, 03. April 2012
Zurück aus dem Chaos, in dem alles anders war. Age of X liegt hinter den X-Men. Dennoch hat sich bei ihrer Rückkehr etwas verändert. Legion, der Sohn von Professor X, hat seine inneren Wesenheiten nicht gänzlich unter Kontrolle. Schlimmer noch: Einige sind entkommen. Und sie wollen leben. Allein. Ihre Namen lassen auf außerordentliche Fähigkeiten schließen und klingen alles andere als vertrauenerweckend: Endgame, Chain, Time-Sink, Bleeding Image und Styx. Einzig Susan in Sunshine, ein kleines Mädchen, erweckt nicht den Eindruck von Gefährlichkeit. Die Jagd beginnt.
Ein ungleiches Team, selbst für die Verhältnisse der X-Men führt um den ganzen Erdball. Neben Legion, der die entkommenen Wesenheiten einfangen und sich wieder einverleiben muss, gehören auch Rogue, Magneto und Gambit der kleinen Expeditionseinheit an. Frenzy, die ihren Namen nicht ohne Grund hat und recht rabiat zu Werke geht, gehört zu den neueren Mutanten, die sich bei den X-Men erst noch die Sporen verdienen müssen.
Mike Carey rückt die Doppelepisode X-Men Legacy einmal mehr in die parapsychologische Ecke, die aber zu den X-Men passt. Die Figur des Legion mit seinem scheinbar unerschöpflichen Reservoir an Charakteren mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten wird hier eher gestreift als tatsächlich bis zum Ende gefordert. Allein die sechs Flüchtlinge, die es geschafft haben, ihm zu entkommen und wenigstens im Ansatz ein eigenes Leben zu führen, bieten einen derart vielschichtigen Ansatz, dass Mike Carey mit seiner bewiesenermaßen großen Phantasie eine weitaus längere Geschichte daraus hätte machen können.
So ist der Spannungsaufbau ungeheuer dicht geraten und weiß auch ohne Vorkenntnis des Age of X gleich zu überzeugen und zu packen. Die X-Men leben im Besonderen natürlich von der Optik, wie auch die übrige Verwandtschaft aus dem Hause Marvel. In den hier zusammengefassten sechs Geschichten wird über exaktes Tuschen versucht, die vorliegenden Stile der insgesamt vier Zeichner einander anzugleichen. Dennoch gibt es Unterschiede, die mit den Schlagworten gewissenhaft, intuitiv, aber auch künstlerisch belegt werden können.
Jorge Molina, der den Auftakt gestaltet, erinnert mit seiner Stilistik ein wenig an Pat Lee (Warlands, Wolverine/Punisher). In Worten ausgedrückt ist es eine amerikanisierte Mangatechnik mit harten, geschmeidigen, aber ausdrucksstarken Figuren. Ein Rafa Sandoval tendiert mehr in Richtung eines Arbeitskollegen wie Leinil Francis Yu (Superman Birthright) mit ähnlich harten Zügen und feinen Stricheleien. Khoi Pham, der die meiste Arbeit an der vorliegenden Ausgabe als Zeichner hat, besticht durch einen glasklaren Zeichenstil, realistischer als eine Zeichentrickstilistik, aber durchaus in die Richtung gehend, so dass man sich einmal mehr eine solche X-Men-Umsetzung wünscht.
Grafischer Höhepunkt: Die Begegnung mit Styx. Die Figur, benannt nach dem Fluss, der die Unterwelt und die Welt Lebenden voneinander trennt, ist ein Monster, das perfekt in das Horrorgenre und die Weltuntergangsstimmung passt, die sich im Verlauf des vorläufigen Finales des ersten Teils einstellt. Für X-Men-Fans, die eine Gruseltendenz in den Comics schon immer gemocht haben, dürfte die gesamte Folge genau richtig sein. Für denjenigen, der sich ein umfangreicheres Bild von Legion, einem der besten Neulinge im X-Men-Universum seit langem, machen möchte, sollte hier einen oder mehre Blicke hineinwerfen. 🙂