Der Meta-Baron: Einen solchen Mann bittet man nicht einfach so zur Audienz. Man entweder einen guten Grund oder ein Druckmittel. Oder beides. In diesem Fall: Beides. Die Amok-Königin will John Difool und nur der Meta-Baron scheint in der Lage zu sein, in die Höhle des Löwen vorzudringen und Difool einzufangen. Der Meta-Baron fügt sich. Ihm bleibt keine Wahl, befindet sich doch sein Sohn, der einzige Mensch, an dem ihm etwas liegt, in der Gewalt der Frau und ihrer Schergen. Mit eiskalter Präzision macht sich der geborene Killer ans Werk.
Ein Klassiker, immer noch. Vielleicht war es bereits bei Erscheinen ein Klassiker, gehen Jodorowsky und Moebius doch völlig eigene Wege mit dieser Geschichte. Frankreich, oder besser der frankophile Raum, hat seine ganz eigene Auffassung der verschiedenen Genres. Seien es Kriminalgeschichten, sogar Western und natürlich die Science Fiction. Obwohl die Abenteuer des John Difool rund um den Incal eher der Space Opera zuzuordnen sind. Der Erzählstil, das unvorhersehbare Element, zu erzählen, wie einem der Schnabel gewachsen ist und wie es die Phantasie gerade erlaubt, ist auch von Moebius aufgegriffen worden (Die hermetische Garage), findet sich aber in anderen Veröffentlichungen, die vielleicht weniger phantastischer Natur sind (Corto Maltese von Hugo Pratt.
Der Strich von Moebius: Nach Blueberry von den Fans kurzfristig verdammt, agiert der Künstler hier aber völlig frei. Ähnlich wie sich Alejandor Jodorowsky sowieso gerne jeglicher erzählerischer Zwänge entledigt, wirft auch Moebius hier ein paar Fesseln ab. Sind die Motive in ihrer Vielfalt und in ihrer Art der Gestaltung auch sehr zwanglos, nutzt Moebius diese Freiheit auch gnadenlos aus. Geben sich die Charaktere nicht nur durch ihr Auftreten der Lächerlichkeit preis, so werden sie durch die Zeichnung noch einmal auf die Spitze getrieben.
Eine gottgleiche Orphidität in einem Travestiekostüm, ausgestattet mit einem Heiligenschein, umgeben von buckligen Leibwachen und speichelleckenden Höflingen bildet das eine Ende der Hierarchie. Das andere Ende bildet eine Revolutionsarmee aus Mutanten, Kranken und Armen, sicherlich auch jenen, die einfach Spaß am Aufstand haben. Die einen stehen im wahrsten Sinne des Wortes im Licht, die anderen kommen aus den Schatten und dem Rotlichtmilieu. Dazwischen steht John Difool, der immer neue Assoziationen wecken kann. Hier erscheint er mir wie eine Version eines Pierre Richard und wäre bei einer Verfilmung vor vielen Jahren optisch sicher eine gute Wahl gewesen.
Denn auch der Humor, den ein Alejandro Jodorowsky hier ins Feld führt, ist bei aller Schwärze auch höchst albern und rangiert auf einer Linie mit den französischen Komödie, die es zu Klassikern ihres Genres geschafft haben. Ein John Difool, der verhinderte Held, steht auf Augenhöhe mit einem großen Blonden mit dem schwarzen Schuh.
Techno-Technik, so lautet der Titel des vorletzten Abschnitts der vorliegenden ersten Episode des Incals. Die Leichenstraße, auf der die Techniker nach noch verwertbaren Körperteilen suchen, mag Genre-Fans an Szenen aus Judge Dredd oder auch filmisch an 2022 erinnern. Bei Jodorowsky ist sie durch die Kommentare der Techniker ein Gipfel des schwarzen Humors. Im letzten Abschnitt gestattet sich Jodorowsky zudem die Einführung einer neuen Figur, die über den Incal hinaus ihre eigenen Abenteuer erleben sollte: der Meta-Baron. Inmitten all der merkwürdigen Kreaturen ist der Killer mit dem verstümmelten Ohr fast schon eine Insel der Normalität.
Ein sehr schöner redaktioneller Teil, der auch Jodorowskys Ideen zu einer Verfilmung des Wüstenplaneten (Dune) aufführt. Parallelen zum Incal werden gezeigt, so zum Beispiel eine Schwertkampfszene, die niemals in einer Verfilmung Anwendung fand, dafür aber im Comic um John Difool verewigt wurde.
Ein Klassiker neu aufgelegt: Wer ein Fan von wüster Science Fiction ist und noch nie mit dem Incal in Berührung kam, sollte einen Blick riskieren. 🙂
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