Dienstag, 31. Januar 2012
Ein Krieger muss seinen Meister besiegen. Er muss über sich hinauswachsen und vielleicht sogar scheitern. Aber was wäre, wenn ein Scheitern begrüßt würde? Wenn ein Scheitern den Jüngling an den Rand der Schande brächte, aber sein Überleben in diesem Drama sicherte? Der junge Mann will nicht aufgeben. Er kann nicht aufgeben, nicht nach allem, was sein Meister ihm alles beigebracht hat. Die Lektionen dieses bärenstarken Gesellen gehen weit über Kampftechniken hinaus. Und so sind es nicht die geübten Griffe allein, die den Schüler am Ende über den Meister triumphieren lassen.
Ein Held braucht einen Feind, eine Aufgabe. Ein Held entsteht nicht einfach so, sondern wird an seinen Feinden geschliffen. Mit Iweret steht dem jungen Lancelot ein Unhold gegenüber, der fast zu stark sein könnte für einen unerfahrenen Kämpen. Autor Jean-Luc Istin hat in diesem Band Verstärkung erhalten. An seiner Seite erzählt nun auch Olivier Peru, der im Horrorgenre jüngst auch mit Zombies auf sich aufmerksam machte. Da scheint das Schlachtengemälde, das sich im Laufe der Handlung vor dem Leser ausbreitet, kein Zufall zu sein. Lancelot zeigt besonders im vorliegenden zweiten Teil die Erschaffung eines Helden. Der dunkle Magier Iweret ist nur ein Hindernis auf dem Weg dahin.
Während an anderer Stelle die Legende von Arthur, dem König, wächst, ist Lancelot noch Galaad. Bevor er sehr zum Verdruss seiner Pflegemutter eine letzte Prüfung bei seinem Lehrmeister ablegt und schließlich zum Krieger gereift ist, muss Viviane Fee, die so lange Jahre auf ihn aufgepasst hat, eine Wahl treffen, von der sich nicht vorhersagen lässt, ob sie nicht das Ende bedeutet. Es sind eine Reihe von Weichenstellungen und parallel verlaufende Handlungsstränge, die diesen Teil spannungsreicher machen als den bereits tollen Auftakt.
Für Alexe, die Zeichnerin, und Elodie Jacquemoire, die Koloristin, ist der Arbeitsaufwand ein höherer, der jedoch mit Bravour gemeistert wird. Grafisch wird das Szenario ein wenig härter. Es ist viel düsterer, abgründiger. Viviane stellt sich dem Kampf. Lancelot reift im Kampf heran und muss bereits bei seiner ersten Bewährungsprobe eine unbeschreibliche Tortur hinter sich bringen. Das allein wäre schon genug für optische Finessen, aber Alexe und Elodie Jacquemoire haben außerdem noch eine Schlacht sowie eine doppelseitige Sagenübersicht zu gestalten. Letztere ist wunderbar anzuschauen, fasst zusammen und zeigt dem Leser, welches Schicksal die Charaktere noch erwarten wird. Sogar jene, die noch gar nicht aufgetreten sind.
Wie beeindruckend die grafische Gestaltung, auch durchgängig, ist, zeigt bereits die Darstellung von Iweret, der Figur, die diesem Band den Untertitel verleiht. Die farbliche Gestaltung ist hier zwar noch aufwändiger als im Innenteil, gibt einen Eindruck von der Fülle und der tollen Abstimmung aller Komponenten. Elodie Jacquemoire geht fein in die Hintergründe hinein, schafft eine präzise Tiefe und reizt die modernen Kolorierungsmöglichkeiten aus. Nicht zuletzt durch die Farbenpracht wird die Verweildauer auf den Seiten deutlich erhöht.
Ein erstes Finale: Istin und Peru jagen ihren Helden, anders lässt es sich kaum ausdrücken, über einen Parcours, der es ihn sich hat. Nicht zum ersten Mal wird ein Held auch in Versuchung geführt, nicht zum ersten Mal scheitern die mit Erotik arbeitenden Widersacher mit ihrem Tun. Ist der Vorhang einmal zerrissen, die Falle gescheitert, präsentieren sich die Feinde offen und aus Kampf wird Gemetzel. Die schaurige Umgebung eines Sumpfes tut ihr Übriges für einen optisch stimmigen wie rasanten Fortgang des letzten Drittels der Geschichte.
Besser als der Anfang, stärker, dichter, mit wütenden Charakteren, tragisch, dramatisch und prachtvoll gestaltet. Fans von Sagenabwandlungen und Fantasy, auch solche, die vielleicht einen Robert E. Howard vermissen, sollten einen Blick riskieren. 🙂
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Das Herrscherpaar ist auf der Flucht. Die Pferde laufen schnell. Der Weg ist jedoch unwegsam und bald kommt es zu lebensgefährlichen Schwierigkeiten. Es bleibt ihnen keine andere Wahl, als sich zu trennen. Die Mutter und Kind, das unter allen Umständen überleben muss, flüchten weiter von den Häschern von König Claudas, dem Eroberer. Am Ufer eines Sees ist die Flucht zu Ende. Die Mutter weiß, dass er kein Entkommen mehr geben kann. Da erhebt sich aus der dunkel schimmernden Oberfläche des Sees eine Frauengestalt und bietet ihre Hilfe an. Das Kind wird überleben, allerdings fern der Eltern. Die Mutter wählt die Sicherheit für ihr Kind und verflucht mit einem wütenden Schrei den furchtbaren König, der ihre Familie zerstörte.
Jean-Luc Istin versteht sich auf Szenarien voller Magie, Schwerter, Helden und Zauberer. Entsprechend können sich sein bisherigen Comic-Reihen auch sehen lassen: Die Druiden, Herr der Finsternis, Götterdämmerung, Das fünfte Evangelium oder auch Merlin. Die Auswahl seiner Geschichten zeigt gleich, wie sehr ihn klassische Heldensagen (um König Artus sowie Siegfried), die Zeit der Kreuzzüge und der Wandel auf den britischen Inseln inspirieren. Aber: Istin verlässt auch bewährte Pfade und erzählt Bekanntes neu, anders, ungewöhnlich.
Wer sich nur hier und da einmal mit der Artus-Sage beschäftigt hat, im Film oder Roman, kommt natürlich an Lancelot, den Ritter vom See, nicht vorbei. Der edle Ritter, der in so mancher Nacherzählung die Ehe von Artus scheitern ließ, für den Zusammenbruch der Tafelrunde mit verantwortlich war, wird hier von frühester Kindheit gezeigt und in den Mittelpunkt gerückt.
Wenn derjenige, der da prophezeit wurde, nun gar nicht derjenige ist, der da heranwächst? Es sollte ein Sohn sein und ist doch eine Tochter. Dieser kleine Unterschied wirft die bekannte Sagengestalt gehörig über den Haufen. Istin ist nun frei in seiner Erzählung und schafft ein neues Drama, in dem nur Eckpunkte noch an die klassische Vorlage erinnern. Hier ist Frau Trumpf: So können die beiden Künstlerinnen Alexe (Zeichnerin) und Elodie Jacquemoire (Koloristin) mit sehr akkuratem Stil und traumhaften Farben eine zuweilen romantische, eine aktionsgeladene und auch geheimnisvolle Atmosphäre schaffen.
Istin setzt die Handlungsorte entsprechend an, verändert Figuren leicht, nimmt jüngere Konstellationen und mischt sie hinein. Die magische Welt der Viviane, das Kampftraining des Kindes und natürlich auch der erste Auftritt von Merlin, der hier ganz in weiß gekleidet einem dunklen Ebenbild gegenübersteht. Fantasy-Fans wird die Konstellation selbstverständlich von HdR her kennen (Gandalf/Saruman). Der böse Zauberer heißt hier Iweret und ist mehr ein Intrigant. Mit dieser Fähigkeit liegt Merlin jedoch gleichauf mit ihm, denn beide spielen ihr Spiel.
Alexe zeichnet großartige feine Figuren und Ansichten, mit einem größtmöglichen Realismus und filmischem Geschick. Dank der kräftigen, natürlichen Farbgebung von Elodie Jacquemoire gerät der Serienauftakt tatsächlich zu einem kinoähnlichen Augenschmaus.
Die berühmte Sage einmal anders erzählt: Neue Blickwinkel, veränderte Charaktere, neue Gesichter und bereits im Kindesalter von Lancelot gestartet. Nach der Erfolgsreihe über Die Druiden nicht nur ein sehr gut erzählter, sondern auch optisch sehr schön gestalteter Auftakt einer neuen Serie. 🙂
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Sonntag, 29. Januar 2012
Lanfeust ist zurück. Eben war noch zwischen den Sternen unterwegs, dann ist er wieder da, doch den Respekt, den er dafür erwartet, eine kleine Willkommensfeier vielleicht, das alles findet nicht statt. Das All ist weit weg und alles, was da draußen geschah, hat auf Troy keine Bewandtnis mehr. Ein Held muss mit seiner Tat zufrieden sein, er darf nicht auf Bewunderung oder gar dank hoffen. Für Lanfeust, der so viel für das Universum getan hat, kommt es hingegen noch schlimmer. Der Held soll wieder die Schulbank drücken. Auch soll er dafür sein Schwert gefälligst im Spind einschließen. Ein großer Fehler. Hebus, der getreue Troll, hätte ihm sofort sagen können, dass ein Held nicht von seinem Schwert weicht. Aber Hebus hat genug damit zu tun, seiner neuen Tätigkeit als Sklave nachzugehen.
Lanfeust ist wieder auf Troy und das ist gut so. Hebus steht ebenfalls auf dem magischen Boden Troys. Und Cixi, die ein ganz klein wenig zickig sein kann, hat nichts verlernt. Schloss Blaugold ist Cixis neues Zuhause. Die junge Frau langweilt sich tödlich. Christophe Arleston, als Autor regelrecht mit diesem Comic-Universum verschmolzen, lässt sich allerlei Späße mit Cixi einfallen. Mit Leichtigkeit kann sie dank ihrer magischen Fähigkeiten einen kompletten See rot erstrahlen lassen. Für den Leser, der wenigstens bisher einen kleinen Einblick in diese Welt hatte, vielleicht sogar Geschichten über Lanfeust gelesen hat, bedeutet das: Das Chaos regiert.
Der Leser muss bisherige Abenteuer nicht kennen, auch sind Grundlagen über Troy selbst nicht erforderlich. Die Odyssee ist ein Neustart, den Arleston nutzt, um auch Neulinge an die Geschichte und die Figuren heranzuführen. Erfahrene Troyaner werden vielleicht über die Zurückhaltung Lanfeusts etwas erstaunt sein. Insgesamt macht der Held zunächst tatsächlich den Eindruck, als wolle er sich einfügen. Aber es sind äußere Einflüsse (und Frauen), die diese Bemühungen wieder zunichte machen. Und so könnte man sogar behaupten, dass eine Art jüngeres Ich Lanfeusts wie der berühmte Troll im Porzellanladen diesen Neuanfang auf den Kopf stellt.
Didier Tarquin zeichnet mit einer gewissen Respektlosigkeit. Zweifellos besitzt er Technik, den Blick für Bildaufbauten, aber er scheint auch immer auf der Grenze von Cartoon und Realismus balancieren zu wollen. Einerseits sind die verschiedenen Ansichten im Inneren, ob sie sich nun in Schlössern, Lehrzimmern, Bibliotheken oder auch Schenken abspielen, sehr schön anzuschauen, andererseits vermag er mit reinen Landschaftsbildern und Stadtansichten ebenso zu überzeugen. Körperlichkeiten wie Muskeln stellt er detailfreudig dar, in den Gesichtern jedoch darf aber das allseits bekannte japanische Cartoon-Grinsen, wie es schon ältere Generationen von Studio-Ghibli-Produktionen her kennen, nicht fehlen.
Einen großen Anteil an der Wirkung der Bilder hat sicherlich Kolorist Fred Besson. Mit viel Plastizität, mit Mut zur Buntheit, gestaltet er ein leuchtendes Troy, in das man sich mit seiner Farbenpracht gerne verliert. Einige Ansichten von Eckmül verschaffen dem Betrachter einen verträumten, romantischen Eindruck dieser Welt. Aber Arleston verschafft Besson auch genügend Arbeit, der es dann farblich umso mehr knallen lassen kann: Zusammenbrechende Türme, umgeknickte Schiffsmasten, Blitze … Kurz: Ein Feuerwerk für das Auge.
Von Abenteuern versteht er was: Christophe Arleston hat die Tradition von Rittern, Manteln und Degen, in die Fantasy transportiert und den französischen Sinn für Comic beigemengt. Eine nach wie vor unwiderstehliche Mischung. Man darf sich auf den abschließenden zweiten Teil freuen. 🙂
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Freitag, 27. Januar 2012
Ein Hinterhalt: Die Schergen des Herzogs treiben den maskierten Mann auf den Abgrund zu. Seine Gegenwehr ist wacker, leider vergeblich. Bauern finden einen übel zugerichteten Leichnam am Fuße des Felsens, von zahlreichen Stichen durchbohrt, von Blut überströmt. Sollte das bereits das Ende der Legende des roten Falken sein? Keineswegs. Denn Legenden halten sich lange. Helden sterben nicht so leicht, wenn ihr Tod nicht mit Brief und Siegel versehen verbürgt ist. So gedeiht abseits dieser Nachricht über den Tod des Rächers die Hoffnung. Bald schon gibt es neue Sichtungen. Ein Mann, angetan mit roter, konturloser Maske, einem roten Umhang und ebensolcher Kapuze steht wieder gegen die Unterdrücker auf.
Mantel, Degen und Maske: In Frankreich ist man mit diesem Genre sehr wohl vertraut. Roman und Film bieten viele Beispiel von waghalsigen Helden, die gegen die Obrigkeit aufbegehren und Gerechtigkeit gerade gegenüber den Schwachen und Hilflosen walten lassen. Ähnlich wie es ein Zorro in Mexiko, eine Schwarze Tulpe auch in Frankreich erledigte, so ist auch der rote Falke zur Stelle, wenn es unter der Herrschaft von Ludwig XIII. zu Willkür kommt. 1978 entwarf Patrick Cothias das Szenario um die rächende Legende des roten Falken, der für Gesprächsstoff unter den Bürgern sorgt, obwohl dem Gerücht nach längst im Zweikampf gefallen sein sollte.
Patrick Cothias erzählt hier in den für die Zeitschrift PIF kreierten Geschichten noch sehr episodenhaft und noch nicht auf Albenlänge (was sich ändern wird). Alles beginnt im Oktober 1624. Eine junge Frau ist mit ihrem Reisebegleiter in einer Kutsche unterwegs, als sie von Räubern im Wald aufgehalten werden. Schnell ergibt es sich für den Leser, dass diese Menschen, Räuber wie Überfallene, einer noch größeren Bedrohung gegenüberstehen. Eine geheimnisvolle Sekte treibt ihr Unwesen. Der rote Falke, ein geheimnisvoller Kämpfer in roter Maske und Umhang, begleitet von einem echten Falken, der aufs Wort hört, nimmt den Kampf gegen die Unterdrücker auf.
Wer Mantel und Degen, Alexandre Dumas und seine drei Musketiere mag, sich an der Seite von Scaramouche wohlfühlte, ein wenig Zorro in den Zeiten eines Richelieu sich vorstellen kann, findet sich hier sofort zurecht. Der Aufbau einer Geschichte geht schnell vonstatten. Andre Juillard schafft es, die Epoche mit leichtem Strich, aber auch sehr exkat einzufangen. Wer der rote Falke ist, ist zwar sehr schnell klar und man muss sich wundern, dass eine bestimmte Person nicht so leicht hinter das Geheimnis kommt, aber vermutlich verhält es sich hierbei wie Lois Lane zu Clark Kent.
Scaramouche nein, Theater ja: So haben denn auch die Gaukler ihren Auftritt und berichten von der Legende des roten Falken, bis die Obrigkeit einschreitet und das Volk erschüttert. Der Eichelhäher und der Falke, so der Titel der Episode bildet eine Grundlage für spätere Entwicklungen. Band 1, hier neu aufgelegt damit ein durchgängiges Druckbild zu neuerlichen Geschichten erreicht wird, berichtet von der fortschreitenden Entwicklung, auch Eingewöhnung eines Helden in seine Rolle. Begegnungen unterschiedlichster Art, sogar mit dem noch jungen König, prägen diese Figur, die über eine natürliche Selbstsicherheit verfügt.
Andre Juillard hat ein wenig Jugendstil im Strich, leicht idealisiert, etwas geschwungen, auch stilistisch sicherer von Episode zu Episode. Die Kolorierung ist der Entstehungszeit gemäß einfach gehalten. Das wirkt sich durch die Sorgfalt der Außenlinien und des Tuscheauftrags aber keineswegs nachteilig aus. Juillard arbeitet mit gerne mit Gesichtern, die geradewegs aus einer Nachtwache oder anderen Gemälden, die aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstammen könnten. Im direkten Vergleich ist jene Zeitphase sehr schön und eindrücklich eingefangen.
Abenteuerlich, nostalgisch, auch romantisch, wie es sich für derlei Handlungen gehört. Ausgeführt mit guten Figuren, viel Aktion, schönen Kostümen. Es treten auf: Einfaches Volk, Gaukler, Gauner, der König und natürlich ein Held. Für Freunde fesselnder Geschichten aus dem Mantel-und-Degen-Genre ist diese Neuauflage genau richtig. 🙂
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Die Gruppe von Kim Keller versucht nach ihren Absturz zurück zur Siedlung des Landungstrupps zu gelangen. Nur mit einem massiven Raupenfahrzeug ausgestattet, gestaltet sich die Reise langwierig und voller Gefahren. Die Landschaft mag überschaubar sein, die Tierwelt hingegen birgt stets neue Überraschungen und oft wirkt etwas harmlos, das sich kurz darauf als lebensgefährlicher Beutejäger entpuppt. Dennoch schien es für einen Spähertrupp zunächst wie jede andere Welt auch. Belebt, aber nicht von intelligenten Wesen bewohnt. Inzwischen ist für jeden einzelnen Menschen auf dem Planeten klar, dass es ein Geheimnis gibt.
Zunächst stand die Vermutung im Raum, jemand beobachte den Planeten und betreibe ausführliche Studien an den Tieren wie auch an den Menschen, die kurzer Zeit landeten. Kim Keller und ihre Freunde entdecken ein weiteres Rätsel. Wandmalereien und deutliche Spuren in einer Höhle weisen auf die Anwesenheit einer menschenähnlichen Spezies hin. Ob sie noch auf dem Planeten existiert? Ob die Malereien uralt oder neu sind? Niemand vermag das zu sagen. Von Kim unbemerkt machen sich die führenden Personen des Siedlungstrupps daran, eine Expedition auszurüsten, die den Nachbarplaneten erkunden soll. Denn eines ist sicher: Dort sitzen die rätselhaften Beobachter.
Leo macht es spannend: Der Autor und Zeichner der Reihe Antares macht es weiterhin furchtbar spannend. Die Reihe, inzwischen der dritte Zyklus um Kim Keller und ihre Abenteuer während der menschlichen Kolonisierung des Weltalls, erreicht hier einmal mehr den Punkt, an dem alles zu scheitern droht. Haben sich die fremden Intelligenzen in der vorhergehenden Zyklen beizeiten zu erkennen gegeben oder gab es wenigstens Hinweise auf eine Motivation der oder des Fremden, ist an dieser Stelle immer noch alles offen.
Mehr noch: Die Schwierigkeiten mit den religiösen Eiferern innerhalb der Siedlungsgruppe wachsen. Frauen sollen gnadenlos auf einen letzten Platz innerhalb der Gesellschaft verbannt werden. Moderne, tatkräftige Frauen wie Kim Keller stören hierbei nur, sind zu aufsässig und müssen sich wehren. Leo geht sogar einen Schritt weiter: Was wäre, wenn religiöse Fanatiker die Gelegenheit wahrnehmen könnten, als erste Kontakt zu einer außerirdischen Intelligenz aufzunehmen? In dieser hier vorliegenden Form geht er noch einen Schritt weiter, als eine Science-Fiction-Geschichte wie Contact getan hat.
Die Theorie: Außerirdische müssen eine sittlich klare Gesellschaftsform entwickelt haben, mit deutlicher Trennung von männlich und weiblich, Körper, Geist und Seele. Leo treibt die Dramatisierung innerhalb der Gruppe vollkommen auf die Spitze. Kim Keller, mit der Leo den Typus einer vollkommen emanzipierten Frau geschaffen hat, gerät innerhalb dieses Abenteuers zum ersten an die Grenzen ihrer Kräfte. Noch nie zuvor war sie durch die Entführung ihrer Tochter so stark belastet. Leo zeigt eine Frau, die Schwächen hat, diese aber immer zu verbergen sucht. Von allen Seiten wird ihr deshalb noch mehr aufgebürdet. Schließlich wird alles zuviel.
Leo zeichnet weiterhin mit dieser bewundernswerten Genauigkeit, Erfindungsgeist und einem Blick für das Wesentliche. Dies gelingt ihm in seinen Zeichnungen ebenso wie in seiner Erzählung. Kleine Gesten, Gesichtsausdrücke, Haltungen. Das Menschliche gewinnt hier vor der Kulisse eines fremden Welt die Oberhand, in jeder Beziehung. Und Leo zieht den Leser durch seine Bilder so nah an die Charaktere heran, dass die Fremdartigkeit der Umgebung zwar nicht aus dem Blick verloren wird, aber sich mehr am Rande der Wahrnehmung wiederfindet.
Sehr dicht, ungeheuer spannend durch toll entworfene Charaktere, die erst diese ungewöhnliche Dramatik möglich machen. Feine Science Fiction, für mich fraglos innerhalb des Comic-Mediums eine der besten ihrer Art. Die Kenntnis wenigstens der vorherigen Bände des Antares-Zyklus ist allerdings Pflicht. 🙂
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Wenn man Newton vergisst: Dann kann auch der Mond aufwärts schweben. Aber vielleicht wäre er dann gar nicht erst ins Wasser gefallen. Und es wäre nicht nötig gewesen, ihn mit einem Bindfaden am Himmel aufzuhängen. Benjamins Ansichten vom Leben, vom Lesen, vom Träumen geht in die zweite Runde. Die Schnecke ist häufig an seiner Seite, nicht immer, aber falls nötig, immerhin zur rechten Zeit. Benjamin entwickelt sich. Er sieht über seine Träume hinaus. Ab und zu vergisst er das Kindsein. Dann zeigt sich etwas Größeres, etwas, das über sogar über das Erwachsensein hinausreicht. Und wenn die Träume ihn schließlich doch einholen, die Gedanken Purzelbäume schlagen, kann man noch versuchen, ein Buch zum Fliegen zu bringen. Man sollte nur das Wort Start richtig schreiben.
Alberto Varanda nimmt sich weiterer Aspekte eines Jungen an, die zwangsläufig auf ihn zukommen: Mädchen. Ja, die auch. Aber mit denen kann Benjamin noch nicht allzu viel anfangen. Dazu ist er zu schüchtern. Manieren. Die werden von ihm verlangt. Nicht auf dem Klositz pinkeln. Nicht aus dem Mülleimer essen. Sonntags etwas bessere Kleidung anziehen. An der Seite von Benjamin kann der erwachsene Leser vielleicht einige Träume von einst wiederentdecken. Als man noch in die Wolken starren konnte und entdeckte Irgendwas.
Das ist ein wenig poetisch. Das hat nicht wenig Lebensweisheit, aber die liebenswerte, nicht die von der Sorte mit dem erhobenen Zeigefinger. Für den ist zwar die Schnecke, der kleine Freund an Benjamins Seite zuständig, aber das ist ein gnädiger Zeigefinger. Der weiß, dass er es mit einem kleinen Jungen zu tun hat. Und der weiß, dass Benjamin nicht nur ein kleiner Junge, sondern auch ein Weltenerbauer ist. Ein Junge, der auf dem Mond am Himmel schaukelt. Ein Junge, der aus einem Buch ein Fluggerät bauen kann, bei dem es auf Details ankommt. Ein viel gelesenes Buch, mit Eselsohren, sollte besser fliegen.
Zerbrechlich: So ist die Wirkung der Zeichnungen von Alberto Varanda. Feine, wie radierte Striche fügen die Figuren in vornehmlich knuffiger Unproportionalität zusammen. Seine kleinen Szenen und Geschichten entstehen, wie es notwendig scheint. Mal wirkt einfach der Malgrund als Hintergrund und die Figuren agieren wie auf einer leeren Bühne. Mal geht Benjamin in der Atmosphäre des Hintergrundes auf. Beispielhaft ist Benjamins Ausflug in einen Raum voller Bücher, der beste Bilderbuchatmosphäre besitzt, während andere Bildaufbauten eher mit klassischen Cartoonformen einhergehen, die auch bei den Peanuts zu finden sind.
Weiterhin: Einfach schön, aber etwas anders als zuvor. Eine Entwicklung ist zu sehen. Die Welt ist nicht zur Gänze aus den Träumen ausgeschlossen. Benjamin erhält neben der Schnecke weitere Spielpartner. Benjamin lernt etwas mehr, schaut genauer hin, aber seine Träume fliegen vielleicht sogar noch höher als zuvor. 🙂
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Dienstag, 24. Januar 2012
Einer? Hunderte! Tausende! Abertausende! Vor diesem Tag haben die Überlebenden sich gefürchtet. Sicher haben sie bisher schon gegen die Untoten gekämpft. Sie haben einen Weg gefunden, sie zu besiegen, endgültig zu vernichten. Aber gegen das da, gegen eine Herde, deren Leiber sich bis zum Horizont erstrecken, die kein Hindernis scheuen, welche Hoffnung, welche Waffe soll es geben, um diese Bedrohung aufzuhalten. Dabei wähnte man sich innerhalb der Gruppe der Überlebenden auf einem aufsteigenden Ast. Es war nicht problemlos, die Bedrohung blieb letztlich, doch hatte man sich arrangiert, organisiert. Die Untoten bildeten keinen größeren Schrecken mehr als Raubtiere. Ihre Gefahr war kalkulierbar.
Für Sam hatte es sich eine gewisse Zeit alles zum Besseren entwickelt. Jedenfalls angesichts der Umstände. Seine Tochter hatte er in den Wirren der Zombiekriege verloren, dafür jedoch einen kleinen Jungen, Josh, gefunden, auf den er wie ein Vater aufpassen konnte. Zuerst war er dieser Aufgabe mit nicht allzu großem Enthusiasmus nachgekommen. Neuerlich sein Herz wieder an jemanden zu binden, war zu anstrengend, zu gefährlich für das eigene Seelenleben in einer Welt, in der es jeden Moment zu Ende gehen kann. Als Josh verletzt wird, steht Sam kurz vor dem Durchdrehen. Nun, da Freunde im helfen wollen, Medikamente für den Jungen aufzutreiben, steht ihm weiterhin noch ein Geheimnis im Weg, um sich wirklich und ernsthaft in die Gruppe integrieren zu können. Erst die Hoffnung darauf, seine Tochter doch noch lebend wiederzusehen, setzt eine Veränderung in Gang.
Von der Kürze des Lebens: Wenn die Akteure einer Zombie-Geschichte eines wissen, ist es genau dieser Umstand. Jeden Augenblick kann alles zu Ende sein. Erzähler Olivier Peru stellt dem Band ein Zitat von Seneca hintenan: Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen. So weit, so philosophisch, so wahr. Peru versetzt den Leser in eine übergeordnete Rolle, der mehr weiß als die Akteure dieses Horrorszenarios: Die Uhr tickt. Und immer schneller. Zuvor allerdings wird wieder Hoffnung in die Augen gestreut. Einige kommen sich näher. Etwas Liebe entsteht. Hoffnung erfüllt sich. Aber Peru setzt die sehr gute Erzählung in Zombies 2 fort, so dass auch hier der große Knall kommen muss. Er wird sehr groß.
Das Lösungswort lautet: Apokalypse. Schon in anderen Zombie-Horrorgeschichten wurde dieser Aspekt sehr verdichtet dargestellt, weit über das ursprüngliche Konzept eines George A. Romero hinaus, der sicherlich etwas ungläubig auf all die Veröffentlichungen schauen muss. Finden sich natürlich Szenen im zweiten Teil der Trilogie, die in so manchem Computerspieler Erinnerungen wecken, finden sich aber auch Bilder, die Lesern von Romanen wie World War Z oder Nation der Untoten bekannter vorkommen werden.
Sophian Cholet, dessen Zeichenstrich zwischen Manga und europäischem Realismus angesiedelt ist, bietet einen sehr genauen, penibel ausgeführten Blick auf das Geschehen. Hier wird nichts verheimlicht, in den Schatten versteckt. Mit Kameraaugen beherrscht Cholet die Fahrten nah an die individuellen Charaktere heran, geht hinaus in die Weite und präsentiert schließlich auf einer Doppelseite eine Ansicht, die in dieser Tragweite besonders unheimlich wirkt. Erschreckend, bedrückend, anrührend, auch brutal sind Attribute weiterer Szenen. Cholet führt jene Charaktere gegen den untoten Feind, für die der Leser dank Perus erzählerischem Geschick Sympathien entwickeln konnte. Cholet beantwortet auch dank Perus Erzählung die Frage, ob Zombies schwimmen können: Ja, wenn die Masse genug nachdrückt.
Farblich wird weiterhin nicht übertrieben, sondern mit Grundstimmungen gearbeitet. Ist es szenisch manchmal auch gewalttätig oder sind die Ansichten auch ein wenig eklig (gehört zu einem Zombie-Szenario zwangsläufig dazu), wird deshalb noch lange nicht das Theaterblut mit dem Bade ausgeschüttet. Hier darf Blut auch gnädigerweise dunkel bleiben.
Dramatisch, packend, apokalyptisch, besser als der erste Teil und mit einem höchst gemeinen Cliffhanger (für den Leser): Wird Olivier Peru dieses Szenario noch mit ein wenig Mitgefühl für seine Charaktere auflösen? So nervenaufreibend kann Horror sein! 🙂
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Ein böses Überwesen: Allmächtig, allwissend. Sein Name: Tchakakahn. Renaud findet sich in einer Spielewelt wieder. Vor verpixelten Hintergründen erheben sich Pixelmonster, sind Fallen aufgestellt, wollen Plattformen, Abgründe und Leitern überwunden werden. Renaud ist im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Art Spielball geworden. Doch um sein Leben zu retten, bleibt ihm keine andere Wahl. So begibt er sich auf einen Parcours, der ihm alles abverlangt. Durchhaltevermögen und Geschicklichkeit sind gefragt bei allem, was ihm in den Weg geworfen und geschossen wird. Schließlich wird es immer abstruser. Sogar seine Freunde treten ihm in verpixelter Form entgegen. Renaud war bereits oft in Gefahr, doch dies könnte wirklich sein Ende bedeuten …
Das ist es natürlich nicht. Aber bei Pierre Seron weiß man nie so recht, was vielleicht noch geschehen wird. Der Erzähler und Zeichner der Minimenschen macht was er will, Hauptsache, es macht Spaß. Im Interview im redaktionellen Teil der vorliegenden 12. Ausgabe der gesammelten Abenteuer der Minimenschen berichtet Seron von seinen Vorlieben, die merkwürdigerweise mehr auf Seiten von Architektur als auf den Entwürfen von Flugobjekten liegen. Diese Feststellung erscheint angesichts von Serons Fertigkeiten in diesem Bereich unwahrscheinlich, sind doch die Grafiken realer Vorbilder (häufig Jagdflugzeuge aus dem 2. Weltkrieg) wie auch die Eigenkreationen der Fluggeräte der Minimenschen nicht nur sehr genau gezeichnet, sondern bei letzteren auch schöne Beispiele für Fantasie im Comic.
Wie auch immer Seron über seine Arbeit denken mag, betrachtet man die hier drei abgedruckten Abenteuer Melting pot, 20.000 Meilen unter der Erde und Schönes Fest, Mama! wird sein ungeheurer Einfallsreichtum sehr schnell sehr deutlich. Dadurch, dass ihm nach eigener Aussage auch keine (oder kaum) Grenzen während des Ersinnens und Erzählens auferlegt werden, entstehen nicht nur immer neue Abenteuer im Lande der Minimenschen, manchmal bricht er auch aus gewohnten Erzählformen aus. So entstehen nicht nur besagte Nachahmungen von Jump-And-Run-Spielen, sondern auch Abschnitte, in denen der Leser direkt und ohne Umwege angesprochen wird. Auf den ersten Blick ist dies ungewöhnlich, auch gewöhnungsbedürftig, doch gerade dieses Ausprobieren, immer mit der nötigen Portion Schalk im Nacken, ist ein Garant für die Langlebigkeit der Serie. Denn so lässt sich nie vorhersagen, was möglicherweise Serons nächster Einfall sein wird.
Glück und Glas: Ersteres braucht Renaud ganz dringend, letzteres kommt ihm nämlich in die Quere, nur ganz anders, als vielleicht angenommen. In bester Abenteuermanier eines Jules Verne verschlägt es Renaud unter die Erde, wo es ziemlich persönlich wird. Renauds gespanntes Verhältnis zu Cedille, einer Blondine, die sich immer und überall ungefragt einmischt, ist den Fans der Reihe sattsam bekannt. Seltener kommt Renauds Familie zum Einsatz. So wir aus einer Geschichte, die ein wenig wie eine Gruselgeschichte beginnt, später eine Rettungsaktion mit haarsträubenden Situationen, in den Seron von Seite zu Seite Spannung und Humor bündelt. Seltsame Feinde, nervige Freunde (siehe Cedille) und ein über die Maßen anstrengender Vater sorgen für einen leicht wirkenden Humor.
Hotel Mama: Oder auch: Kleiner Mann ganz groß. Renaud hat es nach den ganzen Aufregungen erst einmal ins heimatliche Nest verschlagen. Seine Mutter, die nichts von seinem Minileben ahnt, überreicht ihm alsbald eine Postkarte aus Eslapion, der Heimatstadt der Minis. Renaud wird gerufen, nicht ahnend, dass er in eine Falle läuft. Bei Pierre Seron gewinnt im folgenden Abenteuer das kleine Wörtchen Fremdgesteuert eine völlig neue Bedeutung. Nach den Tiefen der Erde, den Einfällen, die starke Fantasy-Tendenzen aufwiesen, jongliert Seron in der dritten Episode des Sammelbandes mit Thrillerelementen, wie sie auch schon der bekannteste Geheimagent der Welt vorweisen konnte. Entsprechend könnte eine Amokfahrt mit einem Panzer als Verbeugung vor Mr. Bond verstanden werden, erinnert sie doch stark an die Sequenz aus Goldeneye. Darüber hinaus ist da Spiel mit einem alten Feind der Minis noch so ideenreich, dass hier die Spannungsentwicklung noch gelungener ist, als in den beiden vorherigen Abenteuern.
Sehr vielfältig, sehr abwechslungsreich: Fast wünscht man sich eine filmische Umsetzung der Minis. Der Einfallsreichtum der Serie wird von Seron einmal mehr zu neuen Höhen getrieben. Indem er sich keine Grenzen setzt, kann es zu jener wunderbaren Episode im Reich der Computerspiele kommen. Slapstick, Albernheiten, leichter Humor, Spitzfindigkeiten, aber auch Spannung in Serie finden sich in dieser vorbildlichen Comic-Unterhaltung. 🙂
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Sonntag, 22. Januar 2012
Ein Krieg, der sich über die Jahrhunderte zieht: Assassinen und Templer sind auf der Suche nach geheimnisvollen Artefakten. Durch die Recherche in den langen Ahnenreihen der jeweiligen Kriegerkasten versucht jede Seite in den gesammelten Erinnerungen Hinweise auf deren Verbleib zu finden. Doch manchmal kreuzen sich diese Erinnerungen und neuerliche Kämpfe sind unausweichlich. Desmond Niles ist einem Ankh, einem ägyptischen Henkelkreuz, mit ungewöhnlichen Eigenschaften auf der Spur. Dieses Artefakt besitzt technische Eigenarten, die selbst in der technologisch weit entwickelten Gegenwart immer noch unerreicht sind. Über eine Holographietechnik vermag es Nachrichten aufzuzeichnen. Die Informationen, die Desmond darüber zu erlangen vermag, sind von größter Wichtigkeit.
Eric Corbeyran schließt die Zeitreisetrilogie ab. Ein deutlicher Vergangenheitsanteil im dritten Teil bietet einen großen Blick auf die Abenteuer vergangener Zeiten. Kostüme, historische Schlachten, Intrigen, Liebe: Hier schöpft Eric Corbeyran aus dem Vollen. Bevor der Held Desmond Niles aber wieder ins Zentrum der Geschichte rückt, verfolgt der Leser zunächst der Figur des Jonatahn Hawk auf seiner Zeitreise. Römer kämpfen gegen Alemannen. Ein geheimes Treffen soll das Ende der Kämpfe besiegeln. Corbeyran hat die Handlung zu diesem Zeitpunkt derart verschachtelt, dass eine Kenntnis der ersten beiden Bände nicht nur ein Muss ist, sondern auch mit hoher Aufmerksamkeit gelesen werden will.
Spannungsgeladener noch ist der Handlungsstrang um Desmond Niles, der sich nicht nur in der Gegenwart verteidigen muss, sondern gerade in der Hochzeit des alten Rom die zentralen Ereignisse der Trilogie von Assassins Creed, der Videospieleumsetzung, erlebt. Eric Corbeyran lässt das andere Ich von Desmond Niles, Aquilus, den Assassinen aus der Vergangenheit, zwar etwas überraschend abtreten, macht damit aber gleichzeitig den Weg für einen neuen Handlungsstrang frei. Corbeyran lässt sozusagen die eine Flamme erlöschen, um im gleichen Atemzeug eine neue zu schüren. So reißt der Spannungsfaden zu keinem Zeitpunkt der Handlung ab.
Djillali Defali die atmosphärisch dichten Bilder aus der Vergangenheit mit viel Geschick und Sinn für eine Mischung aus alten und neuen Optiken. Wer alte Sandalenfilme und auch neuere Umsetzungen im Stile von Gladiator mag, wird diese Sequenzen mögen. Durch die Farbgebung eines Alexis Sentenac präsentiert sich römischer Alltag, Architektur und Lebensgefühl. In dunklen Nächten erhellen Öllampen die prächtigen Innenräume mit den kunstvollen Wänden und Böden, entscheiden sich Leben und Tod im Kampf Mann gegen Mann.
Einen kleinen Fehltritt, wenn man es so nennen will, begeht Corbeyran: Aquilus, der Assassine, der so behände ans Werk geht, mit akrobatischem Geschick, wird gestellt und gefangen, da er ein recht untypisches, auch unvorsichtiges Verhalten an den Tag legt, dass in dieser Situation nicht nachvollziehbar erscheint. Dafür macht Defali umso mehr aus dieser Szene. Immerhin entsteht so ein weiteres Anziehen der Spannungsschraube.
Ist diese Trilogie sehr in Richtung Rom orientiert, gibt die Schlussszene einen kleinen Hinweis, in welches ferne Land und in welche Epoche es beim nächsten Mal gehen mag. Corbeyran und Defali wissen sich ihre stimmungsvollen Umgebungen mit treffsicherer Hand auszusuchen.
Ein ausdrucksstarker Abschluss der Trilogie, in dem Corbeyran genau dosiert an der Spannungsschraube dreht. Freunde historischer Szenarien kommen sehr auf ihre Kosten, Fans des Spiels werden hier noch neue Seiten entdecken. Die Kenntnis der beiden Vorläuferbände ist Pflicht. 🙂
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Freitag, 20. Januar 2012
Der perfekte Killer: Gezüchtet, trainiert, mit übermächtigen Fähigkeiten ausgestattet. Unbesiegbar. Ohne Gefühle. Eiskalt. Gefährlich. Und nicht zu lenken. Sein Schöpfer hatte eigentlich nur eines im Sinn: Geld verdienen. Seine Kreation sollte ihm den großen Wurf bescheren. Leider ging der Schuss wenig sprichwörtlich nach hinten los. Showman Killer wird der Mann für aussichtslose Fälle. Wenn nichts anderes mehr hilft, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, erst dann ist die Bereitschaft groß genug, auch wirklich jeden Preis für Showman Killers Dienste zu bezahlen.
Alejandro Jodorowsky zitiert sich mit der Kreation seines Showman Killers ein wenig selbst, erinnert diese übermenschliche Figur nicht nur an Frankensteins Monster (siehe auch Titelbild), sondern auch an den Metabaron. Aber es ist die Vermischung mit Aspekten einer Figur von Mary Shelley, die wieder neue Seiten in dieser sehr fantastischen Science Fiction erzeugt.
Alpträume: Agiert dieses sehr moderne Frankensteinmonster auch mit einem Blutdurst, der seinesgleichen sucht, ist er auch von einem Egoismus getrieben, der in diesem von Jodorowsky geschilderten Universum einzigartig ist, so nagt doch irgendwo tief in dieser Kreatur etwas an seinem Geist. Sobald Jodorowsky die Entstehung dieses Wesens erzählt hat, widmet er sich den Einsätzen dieses Söldners, doch zunächst begleitet der Leser den Showman in einen Traum, nicht weniger blutig als Showmans reales Leben, dennoch erschreckend genug, um das künstliche Wesen zu erschüttern. Solange Zeit ist. Denn bald schon naht Showmans Alltag.
In diesem Alltag, der in fremde Welten entführt, wie sie besonders einem Jodorowsky einzufallen scheinen, traumhaft wie alptraumhaft, hier sogar in leichter Verbeugung vor einem Wüstenplaneten, bleibt wieder einmal keine Zeit zum Luftholen. Vielleicht, bei genauer Betrachtung, zieht Jodorowsky eine religiöse Figur, Moses nicht unähnlich, durch den Kakao. Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass Jodorowsky religiösen Wahn thematisiert und aufs Korn nimmt. In jedem Fall tritt an vielen Stellen Jodorowskys abgrundtief schwarzer Humor zutage. Sicherlich gibt es auch andere Interpretationsmöglichkeiten.
Gewalt? Ja. Showman ist ein Killer, wird als solcher gezeugt und geboren. Gewalt, so könnte man sagen, ist sein zweiter Vorname. So fallen einige Darstellungen durch Nicolas Fructus auch entsprechend drastisch aus. Nicolas Fructus konnte hierzulande mit dem Mehrteiler Thorinth Fans finden. Bei Fructus ist jede Seite ein Gemälde, weniger eine Comic-Seite. Sicherlich beherrscht er die übliche Aufteilung und platziert seine Bilder, doch die Kolorierung erfolgt ungleich aufwändiger als in anderen, auch vergleichbaren Produktionen.
Showman, der die Fähigkeit zur Verwandlung besitzt, bietet einem Künstler wie Fructus ein ideales Betätigungsfeld. Besonders beeindruckend gerät die Sequenz, in der Showman die Gestalt eines Gottes annimmt, um ein ganzes Volk in den Krieg zu führen. Das ist dank der Malerei von Fructus mehr Kino als Comic. Das Auge bewegt die Bilder automatisch. Wer hat, lege entsprechend rasante Musik dazu ein. Heavy Metal oder ein Bombast-Soundtrack wären passend. Gleichzeitig mag dieser Beschreibungsansatz dazu dienen, dem Leser diese und ähnlich gelagerte Szenen vor Augen zu führen.
Bombastisch, wieder einmal, mit weniger scheint sich Alejandro Jodorowsky kaum noch zufrieden zu geben. In Nicolas Fructus hat er einen Künstler gefunden, der diese Ideen sehr schwermetallig umzusetzen vermag. Für Freunde beinharter SF und Fantasy empfehlenswert. 🙂
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