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Comic Blog


Montag, 19. September 2011

SHANGHAI 1 – Kind des Regens

Filed under: Abenteuer — Michael um 11:56

SHANGHAI 1 - Kind des RegensYu Xin. Derjenige, auf dessen Spur sich diese Frau heftet, hat ein großes Problem, denn Yu Xin kennt kein Erbarmen. Im Kampf sehr erfahren, ist sie außerdem völlig unnachgiebig und erfüllt ihren Auftrag ohne jegliche Emotion. Derjenige, der von Yu Xin verfolgt wird, ist bereits tot und weiß es nur noch nicht. Shanghai erlebt im Jahre 1908 eine Zeit des Umbruchs. Ausländer dringen ins Land. Kluge Chinesen erkennen, wie sehr diese Einflüsse ihr Land verändern werden. Können sie auch nicht die neuen Einflüsse aufhalten, so sind sie doch nicht gewillt, sich einfach ihre Macht nehmen zu lassen. Wenn sich die Zeiten ändern, dann soll es zu ihren Bedingungen geschehen. Eigentlich soll Yu Xin an einem Uhrmacher nur ein Exempel statuieren. Doch das Resultat wird ein vollkommen anderes sein.

Und deine Klinge wird meine Botschafterin sein.

Der Kaiser in Peking ist schwach, die Verbrecherorganisationen suchen nach einem Weg, sich gegen die Ausländer zu behaupten. Vor der Kulisse dieser Zwistigkeiten gelangt Yu Xin in die Gesellschaft eines kleinen Jungen, zu dem sie, obwohl sie es nicht will, eine Beziehung aufbaut.

Mathieu Mariolle lässt zusammen mit Yann Tisseron (Zeichner und Kolorist) eine Zeit und eine Ecke der Welt wieder aufleben, die überaus fremd erscheint. Es ist eine Übergangszeit. In dieser Epoche, in der den Menschen überaus klar ist, dass sich nicht nur alles verändert, sondern dass diese Veränderungen auch Bestand haben werden, lässt Mariolle eine Heldin antreten, die erst einmal um die Sympathie des Lesers buhlen muss.

Eine professionelle Mörderin und Attentäterin als Hauptfigur zu etablieren (oder auch einen Mann), ist kein neues Motiv innerhalb rasanter und dramatischer Erzählungen, auch nicht im historischen Kontext. Meist ist es ein Funke, der eine neue Leitlinie hinzufügt. Manchmal ist es ein Kind, so auch hier. Dieser Kleine vollbringt das Wunder, der Mörderin Yu Xin Gefühle abzuringen, kannte sie ansonsten allenfalls Stolz nach vollbrachtem Auftrag oder Zweikampf. Vielleicht nicht einmal das, denn die Geschichte bringt keinen Gegner hervor, der ihr auch nur ansatzweise gewachsen scheint.

Bevor Mariolle sich aber gänzlich in der Charakterentwicklung Yu Xins verliert, spielt sich im Hintergrund ein viel größeres Machtspiel ab. Vor der Kulisse Chinas gewinnt das Wort Größe an zusätzlicher Bedeutung. Mittels der seidenweichen, mit markerähnlichen Farben kolorierten Bilder von Yann Tisseron entsteht vor dem Auge des Lesers ein düsteres, oft nächtliches, manchmal in Sonnenuntergänge getauchtes China, hinter dessen prachtvollen Fassaden es brodelt und sich die Menschen nur um sich selbst scheren.

Optisch im Stile neuerer computeranimierter Animes geht der erste Band von Shanghai noch einen Schritt weiter als die offizielle Historie. Die Opiumkriege sind geschichtlich bekannt, die Bemühungen des zahnlosen chinesischen Kaisers sind es nicht. In einem sehr festen und starken Zeichenstil, in dem der Stift scheinbar breiter aufgedrückt wurde, findet schleichend ein Wechsel vom historischen Thriller zum phantastischen Mystery-Abenteuer statt. So vollführt das letzte Viertel von Kind des Regens, Untertitel des ersten Bandes der Reihe, einen vollendeten Schwenk, der jegliche Vorausschau auf den nächsten Band unmöglich macht.

Dunkel, mysteriös, mit einer wandelbaren Heldin. Yann Tisseron erweckt das alte Shanghai der Jahrhundertwende von 1900 mit düsterer Pracht zum Leben. Mathieu Mariolle zeigt einmal mehr, dass er ein Händchen für Mystery-Thriller hat (Smoke City). 🙂

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