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Comic Blog


Freitag, 30. September 2011

Black Mary 3

Filed under: Abenteuer — Michael um 20:13

Black Mary 3 - Die Nacht des PuppenspielersDie Puppen wissen Bescheid. Wie in alter Zeit berichten Puppen in einem kleinen Theater über Missstände, verarbeitet der Puppenspieler den Klatsch und die Tragödien von der Straße. Mary, Black Mary, wie sie genannt wird, hat es an die Spitze der Bruderschaft der Gauner geschafft. Aber wer ist in dieser Welt eigentlich ein Gauner? Sind es die kleinen Fische, die stehlen und betrügen? Oder sind es die Unternehmer, die Industriellen, die durch die Ausbeutung der unteren Klassen immer reicher werden? Längst genügen Worte nicht mehr, längst ist der bewaffnete Kampf auf den Straßen angekommen, streiten die Arbeiter hinter eiligst gebauten Barrikaden gegen die Soldaten mit ihren Musketen und Bajonetten.

David Chauvel nimmt den Leser im dritten und abschließenden Teil der Black-Mary-Trilogie mit in die Zeit der Arbeiterbewegungen des 19. Jahrhunderts. Mary, eine außergewöhnlich starke Frau an der Spitze von Gaunern, öffnet ihr Herz für die Belange der Arbeiter und tritt mit der Bruderschaft in ihrem Rücken den Unternehmen offen entgegen und stellt Forderungen, die nur Widerstand hervorrufen können: Kürzere Schichtzeiten bei doppeltem Lohn. Die höhere Gesellschaft, die nicht an ein erfolgreiches Vorgehen von Polizei und Soldaten gegen das Bündnis der Arbeiter glaubt, wählt noch einen weiteren Weg zur Beseitigung von Mary: Den des hinterhältigen Attentäters.

Vor diesem Hintergrund entwickelt Chauvel unerwartet eine Liebesgeschichte, die zögerlich wächst. Mary verweigert sich dem Verehrer zunächst. Der Ernsthaftigkeit des Werbens des blonden Copley kann sie sich aber auf Dauer nicht erwehren. Und da ist noch eine magische Ebene, ein Beschützer, der dann erscheint, wenn es brenzlig ist. Hier bringt Chauvel ein Mystery-Element ein, das für denjenigen, der die ersten beiden Episoden verpasst hat, vielleicht unpassend, mindestens aber ungewöhnlich wirken muss. Chauvel verfolgt diesen Kurs aber weiter fort, im Stile alter Gruselerzählungen, so dass sich der Bogen am Ende schließt.

Grafisch kann Erwan Fages mit seinen Zeichnungen nur überzeugen. Fages, der seine Figuren mit einem möglichst realistischen und individuellen Strich versieht, kann diese Epoche an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter mit großer Lebendigkeit darstellen. In einem ruhigen Seitenaufbau, von sechs bis hin zu dreizehn Bildern pro Seite, tritt gerade durch die extrem feine Strichführung niemals ein überfüllter Effekt ein. Besonders hervorzuheben in dieser schönen historischen Darstellung (in der Ausführung, inhaltlich ist es sehr dramatisch) sind die Straßenkämpfe wie auch die kleine romantische Sequenz, die auch die einzige glückliche dieser Art bleibt.

Der kleine erzählerische Trick, den Leser mit Informationen über die Darstellung eines Puppenspiels zu versorgen, sorgt für den nötigen Humor. Er ist grafisch ulkig, erinnert selbstverständlich an das gute, alte Kasperle-Theater, ist aber ungleich ernsthafter, auch gemeiner. Chauvel verwebt die Szenen geschickt mit der Haupthandlung, die immer mehr einem überaus furchtbaren Finale zustrebt.

Gegensätze: Im Stile romantischer Gemälde kommen sich Mary und Copley näher. Es ist die einzige grüne, wirklich freundliche Sequenz von Fages, der hier auch die Kolorierung übernommen hat. Demgegenüber steht eine Hochzeit mit einer ganz in Schwarz gekleideten Mary, mit einem zur Zeremonie gezwungenen Priester, fast schon eine Verhöhnung der berühmten Szenen, in denen sich ein anderer Vogelfreier, Robin Hood nämlich, mit seiner Marian trauen lässt.

Eine streng erzählte Geschichte, keine Romanze, sondern harter Straßenkampf, Oben gegen Unten, nur böse sind sie irgendwie alle. Die einen mehr, die anderen weniger. Spannend, auch traurig, ein wenig mysteriös. Black Mary entzieht sich einer genauen Einteilung, aber das macht gerade den Reiz des Abschlussbandes aus. 🙂

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Oder bei Finix Comics.

Siebengestirn 2 – Angusalem

Filed under: SciFi — Michael um 18:39

Siebengestirn 2 - AngusalemDer Professor hat kein leichtes Leben. Irgendwie scheinen seine Versuchsobjekte nicht so recht zu wollen. Auch scheinen sie die Behandlung nicht zu mögen. Mit eigentümlicher Kälte setzt der Mann seine Tätigkeit, nicht ahnend, dass sich bald eine Veränderung in seinem Leben ergeben wird. Zu seinem Nachteil. Die kleine Kanone, eine junge Frau, soll zuvor für weitere absonderliche Experimente zur Verfügung stehen. Chronover, der Fremde, der sich in die Wüste gerettet und der kleinen Gemeinschaft von Nomaden angeschlossen hat, muss selbst um sein Leben fürchten. Die Überwindung dieses Horts des Wahnsinns ist noch lange nicht das Ende von Chronovers Reise.

Nicht nur einer flog über das Kuckucksnest: Mitten in der Wüste, im Nirgendwo treibt ein Mad Scientist, ein verrückter Wissenschaftler, sein Unwesen, betreibt Experimente mit Menschen, zerstört Körper und Geist, bestrebt neue Ordnungen nach seinen (sehr kranken) Ideen zu kreieren. Andre Houot, weiterhin bildlich in einer Mischung eines Moebius () und eines Eric Stalner (Die Legende von Malemort) arbeitend, gewährt neue Einblicke in die Welt von Siebengestirn. Es sind schön und technisch perfekt gezeichnete Einblicke, gleichzeitig aber auch eine alptraumhafte Welt.

Siebengestirn, genauer die verbotene Zone, ist eine Welt, die ihren Zusammenbruch schon lange hinter sich gebracht hat. Es gibt Leben in dieser Welt, allerdings ist es ein seltsames, ein genügsames auch, mitunter ist es auch ein gruseliges. Andre Houot begnügt sich nicht mit verrückten Wissenschaftlern. Auch Cyborgs machen dem Helden, Chronover, das Leben schwer. Einiges von dem mögen Anklänge von anderen Geschichten sein, vielleicht die berühmte Verbeugung vor dem Original, vielleicht ist es aber auch nur reiner Zufall. Wenn allerdings eine Mixtur aus gigantischer Krabbe und Skorpion in das Geschehen eingreift, mag der Genre-Fan auch an die zweite Episode von Der dunkle Turm oder an Straße der Verdammnis denken.

Die von Houot gezeichneten Trümmer einer vergangenen Zivilisation lassen sehr gut erahnen, wie es einmal ausgesehen haben muss. Vieles erinnert an die reale Welt. Häuserruinen von Wohnblocks, U-Bahntunnel, Gleisstrecken, alte Ordnungen, die vom Sand überflutet wurden. Mancherorts zeichnet Houot ausgetrocknete Leichen, von Staub überzogen, in dem Moment erstarrt, als das alltägliche Leben auf den Straßen plötzlich zu enden schien. Auch die Charaktere in dieser Geschichte wundern sich über diese Darstellung des Zusammenbruchs.

Die Stimmung des vorliegenden zweiten Bandes der Reihe bietet Spannung, geboren aus einem gut konstruierten Inhalt und ein wenig Ekel, der beim Anblick der Experimente und den daraus resultierenden Ergebnissen zwangsläufig entsteht. Houot zeigt beileibe nicht alles und überlässt vieles den Gedankenspielen des Lesers. Aber Houot wartet auch mit Melancholie auf. Die junge Frau findet eine Schachtel Zigaretten, mehr als zehn Jahre alt, unrauchbar, aber immerhin äußerlich gut erhalten. Ein Relikt des Überflusses, ein winziges Erinnerungsstück an eine intakte Zivilisation.

Chronover ist kein Roland, kein Revolvermann, wie ihn Stephen King für den Dunklen Turm entwarf, auch fehlt jegliche Magie, doch die Grundstimmung, das Abgründige, ist teilweise auch hier zu finden. Mit einer Prise Mad Max abgeschmeckt.

Eine konsequente, sehr düstere Fortsetzung. Angusalem, in Anlehnung an die gelobte Stadt, ist tot, verderbt. Die Geschichte bietet eine unheimliche Endzeithandlung, ein Roadmovie durch zerstörtes Land. Toll gezeichnet, voller Details gestaltet. Fans von Endzeitszenarien sollten einen Blick riskieren. 🙂

Siebengestirn 2, Angusalem: Bei Amazon bestellen

Luc Orient Gesamtausgabe 2

Filed under: SciFi — Michael um 12:19

Luc Orient Gesamtausgabe 2Der Aufenthaltsort der Rebellen wurde lokalisiert. Die Vernichtungsmaschinen setzen sich in Bewegung, unaufhaltsam. Ihre Waffen sind simpel, armlange zugespitzte Pflöcke, doch die Wirkung ist so gefährlich wie durchschlagend. Waffen können nicht helfen. Professor Kala, ein menschlicher Wissenschaftler auf der Seite der Rebellen Terango, setzt auf einen anderen Abwehrplan, der allerdings ein Risiko birgt.

Abschied vom Planeten Terango, Rückkehr zur guten alten Mutter Erde. Doch zuvor schicken Greg und Eddy Paape ihre Helden noch einmal in ein unglaubliches Abenteuer auf dieser fernen Welt. In Der stählerne Wald wecken die auf dem Titelbild aufmarschierenden metallenen Ungeheuer natürlich gleich Erinnerungen an andere Dreibeiner, nicht nur an jene von von H.G. Wells sondern auch an die dreibeinigen Herrscher.

Greg vergisst allerdings nicht, eine gedankliche Brücke zur Erde zu schlagen und holt einen Erzfeind von Luc Orient nach Terango. Der Leser verfolgt den Aufbau der neuen Waffe des Tyrannen, die gegen die Rebellen zum Einsatz kommen soll. In kleineren Sequenzen wird die Spannungsschraube angedreht, indem Orient ebenfalls eine neue Waffe überbracht wird und eine Warnung überbracht wird. So strebt das Weltraumabenteuer einem perfekt vorbereiteten Finale zu.

Der Abschied von den Bewohnern von Terango fällt nicht leicht. Der Leser durfte immerhin drei verschiedene Völker kennenlernen (eigentlich vier, nimmt man es besonders genau). Greg, einer der ganz Großen der Comic-Erzähler, bewegt sich auch stilsicher durch diese fremde Welt, ließ seiner Phantasie freien Lauf. Aber daheim ist es nicht nur am schönsten, es (die Erde) hat auch noch einige Geheimnisse zu bieten.

Die Grundidee zu Phantome des Lichts ist einfach: Es existieren verschiedene Arten von Licht. Jede beeinflusst die Wahrnehmung anders. So stellt Lucs Kollege Professor Kala jedenfalls fest. Sieben Stück hat er bereits entdeckt. Leider haben diese Lichtvarianten noch eine andere Eigenschaft, besonders dann, wenn ein Mensch ihnen gleichzeitig ausgesetzt ist. Luc und seine Kollegin Lora werden zu Phantomen. Greg lässt den ersten Schrecken über diese Zustand verstreichen (der in einem anderen Comic-Universum eine besondere Eigenschaft von Superhelden war) und nutzt die Fähigkeiten zur Lösung eines weiteren Falls.

Eddy Paape, der als Zeichner die Reihe nicht begleitet, sondern maßgeblich mitgestaltet hat, kann hier sehr viel erdgebundener sein, aber auch psychedelische Effekte einsetzen. Paape kann ebenfalls für sich in Anspruch nehmen, seinen Figuren einen individuellen Strich zu verleihen. Gerade den jünger ausschauenden Charakteren haftet zuweilen etwas elfenhaftes an: Schmale Gesichter, große Augen, eine insgesamt zarte Struktur, was auch auf Luc Orient selbst zutrifft.

Paapes Stärken liegen sicherlich in der Gestaltung phantastischer Elemente, aber aus heutiger Sicht sind seine Abbildungen der damaligen Gegenwart interessant und ganz bestimmt kann auch ein Nostalgiker mal ein Tränchen verdrücken. Besonders solche, die Autonarren sind, können sich an den Fahrzeugen eines Luc Orient erfreuen, der zwar Wissenschaftler ist, aber auch ein gewisses Playboy-Image besitzt. Sein Opel GT wird hier regelrecht zelebriert, bevor die Handlung von Der Krater des Verderbens in eine frühe Vorläufervariante einer Wutvirusgeschichte mündet.

In diesem wie auch dem folgenden Abenteuer Im Bann der teuflischen Strahlen hat Paape anscheinend an seiner Tuscheführung gearbeitet (oder jemand anderes hat den Part übernommen). Die Linien sind genauer gezogen, insgesamt feiner, so dass sich der Effekt von Paapes zerbrechlichen Strukturen verstärkt.

Mit vier Abenteuern wird das rasante Leben von Luc Orient forterzählt. Besonders überzeugen können die beiden abschließenden Folgen. In einer Mischung aus paranoidem Kammerspiel und Psychostudie sowie unterhaltender Hommage an das Superheldengenre sind Greg und Paape mit diesen Inszenierungen immer noch auf der Höhe der Zeit. 🙂

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Donnerstag, 29. September 2011

Golden Cup 1 – Daytona

Filed under: SciFi — Michael um 18:06

Golden Cup 1 - DaytonaDer Junge kann fahren! Er hat ein natürliches Talent. Er lenkt im richtigen Moment, hohe Geschwindigkeiten schrecken ihn nicht. Aber er ist auch zu risikofreudig. Als die Seifenkisten den engen Parcours herunterjagen, sind seine Manöver waghalsig und kosten schließlich seiner Schwester beinahe das Leben. Der Junge mit dem Namen Daytona hat keine Wahl. Da weder er noch seine Mutter in der Lage sind für eine vernünftige medizinische Versorgung der Schwester zu sorgen, geht Daytona einen Handel ein, der ihn an eine Rennunternehmung bindet, bis die Schulden abbezahlt sind.

Andernorts sind manche Menschen durch ihre Herkunft mit weniger Sorgen behaftet. Doch Reichtum macht sie auch zur Zielscheibe. Kelly Styler, die das Internat verlässt und sich zunächst auf der Heimreise wähnt, steckt bald in einer handfesten Entführung. Und das Opfer ist sie! Zurück in der Welt, im Universum der Science-Fiction-Geschichte von Golden City, jener Seeheimat der Superreichen des Planeten Erde, erzählt Daniel Pecqueur nun aus einer anderen Perspektive. Die Welt, wie sie hier gezeigt wird, ist mehr zur Seenlandschaft geworden. Einzig an den Küsten scheint das Leben noch möglich zu sein. Im Inland, so wie es hier gezeigt wird, regiert wüste Ödnis.

Die Möglichkeiten, in einer solchen Umgebung einem halbwegs normalen, auch geregelten Leben nachzugehen, sind nicht einfach. Und manchmal scheint erhöhtes Risiko auch der ständige Begleiter zu sein. Ehrliche Menschen sind schwer zu finden. Finten gehören dazu, jeder wurschelt sich durch. Hin und wieder jedoch ergeben sich Freundschaften und Chancen. Daytona, der sich einem Rennzirkus anschließt, um seiner Schwester finanziell helfen zu können, findet schließlich einen solchen Freund durch puren Zufall und nach langer Reise. Die Erzählung seiner Geschichte bis zu diesem Punkt ist ruhige Science Fiction, nicht reißerisch (gut!) und sehr auf die Person fixiert, die von Daniel Pecqueur sehr sympathisch entworfen wurde.

Dem gegenüber steht zunächst der Geschäftsmann Burt Styler, der trotz Sicherheitsvorkehrungen erfahren muss, dass seine Tochter entführt. Styler, ein Mann, der sich ähnlich wie Mel Gibson in Kopfgeld dazu entschließt, nicht zu bezahlen, sondern den Entführern das Handwerk zu legen, geht mit außergewöhnlicher Härte vor. Dieses Vorgehen überrascht bei einem Geschäftsmann und zieht gleichzeitig die Spannungskurve steil nach oben.

Alain Henriet nimmt die Vorgaben des Euromanga-Stils der Ursprungsserie auf. Obwohl der Begriff Euromanga eine stilistische Aussage trifft, ist dies dennoch zu kurz gegriffen. Wie in Golden City wird grafisch auch in Golden Cup nichts dem Zufall überlassen. Strichstärken weisen keinerlei Ausbrüche auf, weshalb der erste Eindruck ein strenger, architektonischer und konstruierter ist. Allerdings ist dies im Hinblick auf futuristischen Darstellungen von Fahrzeugen gewollt. Hier erlebt der Leser solche Gefährte in Aktion, die ansonsten als Studien auf Automessen vorgesellt werden.

Die Landschaften sind, sofern sich Tupfer von grünen Pflanzen mit dem Blau des Meeres mischen, sehr idyllisch. In ihnen gehen entweder die prachtvollen Gebäude der reichen Bevölkerung dieser Zukunftsfantasie auf oder sie werden von den Baracken der ärmeren Bevölkerung durchbrochen. Daniel Pecqueur entwirft eine Welt, in der ein Mittelweg, die allseits beschworene Mittelschicht, keinen nennenswerten Stellenwert mehr hat.

Ein neuer Ausflug in die Welt von Golden City: In einer Mischung aus Rennfahrergeschichte und Entführungsdrama kann der Leser einem kurzweiligen Abenteuer folgen, das den Auftakt zu einer Serie bildet, denn Daytona steht erst am Beginn seiner Rennfahrerkarriere. 🙂

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Dienstag, 27. September 2011

Perry 139

Filed under: SciFi — Michael um 18:27

Perry 139Das Rhodan-Sternenobservatorium in Berlin-Potsdam: In der Stille der Nacht befürchtet an dieser ehrwürdigen Forschungsstätte niemand etwas Böses. Auch Cristoforus Esteban Rhodan, kurz Crest, glaubt sich hier sicher. Mit diesen Irrtum räumen zwei ganz in Schwarz gekleidete Einbrecher auf. Inmitten der Papiere scheinen sie das Gewünschte zu finden, entscheiden sich allerdings außerdem dafür, den Institutsleiter gleich mitzunehmen. Als Perry Rhodan, der Neffe von Crest, am nächsten Morgen das verwüstete Büro des Onkels betritt, beginnt ein außergewöhnliches Abenteuer.

Finale: Wer auf den Showdown der bisherigen heftübergreifenden Geschichte gewartet hat, kann diese nun in einer rund 30seitigen Geschichte erleben. Da ein reiner Comic in dieser Form nicht möglich war, geht man in der 139. Ausgabe der Reihe Perry einen Mittelweg. Der Text wird mit schwarzweißen Illustrationen versehen. So veranschaulicht kann die Handlung mit einigen Überraschungen aufwarten. Ein besonderer Höhepunkt ist sicherlich der Auftritt des Wächters der Gruft, der SciFi-Nostalgiker vielleicht sogar an ein Spukschloss im Weltall denken lässt. Die sehr aktionsgeladene Geschichte driftet schließlich einem sehr einfallsreichen, aber auch kuriosem Ende entgegen, wie es dem Humor der Reihe zueigen ist.

Von Spionen gejagt: Dieser Humor findet sich in der Sonntagsbeilage des Berliner Allgemeinen Courier vom 10. September 1911. In dieser gezeichneten Form von Michael Vogt, atmosphärisch ein wenig mit Jules Verne und H.G. Wells angehaucht, könnte es weitergehen. Die kleinen Fortsetzungen verteilen sich sich auf die zweite Hälfte der vorliegenden Ausgabe. Stilistisch im guten, einfachen frankobelgischen Strich gehalten ist hier eine schön anzuschauende und sicherlich auch nostalgisch anmutende Comic-Unterhaltung entstanden.

Weitaus moderner in Optik und Erzählung wird ein Absturz von Perry Rhodans Geliebter Auris von Lastoor beschrieben. Zusammen mit einem Piloten muss sie auf dem unwirtlichen Planeten überleben. Die Tage vergehen. An Rettung ist kaum noch zu denken. Langsam finden sich die beiden, Auris und der Pilot Clyde, mit der Situation ab. Die Entwicklung der beiden Raumfahrer, hin zu Menschen, die nur noch an ihr Überleben denken, ist schnörkellos geschildert. Die Kolorierung ist leicht und überlässt dem realistischen Zeichenstil das Feld. Interessant ist hier der Auftritt einer anderen humanoiden Spezies, die der Genre-Fan als archaischen Abe Sapien interpretieren könnte.

Marian Kretschmer wählt einen optisch vollkommen anderen Ausdruck und erinnert stilistisch mit Planet der Regenschirme an Sky Doll. Entsprechend entführt Autor Olaf Brill den Leser mit seiner Kurzgeschichte in eine kunterbunte Welt, die Welt des ewigen Lebens, in der alles möglich ist. Das ist ein wenig psychedelisch, auch spaßig, mit leisen Anspielungen, bis aus dem Traum ein Alptraum wird.

Eine feine Mischung mit einigen schönen Höhepunkten, von denen man sich mehr und längere Abenteuer wünschen würde. Sicherlich werden hauptsächlich Perry-Rhodan-Fans ihre Freude daran haben, aber so mancher könnte hier auch zum Fan werden. 🙂

Perry 139, Tod in der Sonne: Beim Verlag bestellen

Montag, 26. September 2011

Valerian und Veronique Gesamtausgabe 2

Filed under: SciFi — Michael um 17:46

Valerian und Veronique Gesamtausgabe 2Valerian und Veronique hatten bereits schlechtere Aufträge. Besonders Valerian, der sich nicht sehr auf seine Reden vor den Siedlern gefreut hatte, ist umso erfreuter über die anschließenden Feierlichkeiten. Hinterher, im gemütlichen Teil, wird er stets zur Verkostung alkoholischer Getränke gebeten. Natürlich kann es in einem Weltraum voller wundersamer Dinge und Gefahren nicht lange dauern, bis ein Ereignis den Weg der beiden Reisenden kreuzt. Das Land ohne Sterne entpuppt sich als eine Welt, deren Bewohner nicht wissen, dass es da draußen ein Weltall gibt. Das wäre nicht weiter schlimm, befände sich besagte Welt nicht auf Kollisionskurs mit einem weiteren bewohnten Planeten. So ergibt sich der nächste Auftrag von Valerian und Veronique wie von selbst.

Willkommen auf Alflolol: Doch so herzlich wie der Titel des zweiten Abenteuers in der zweiten Gesamtausgabe von Valerian und Veronique klingt, ist die Aufnahme der heimkehrenden Weltraumnomaden in dieser Ausgabe nicht. Auf die beiden Abenteurer wartet eine außergewöhnliche Begegnung, die hier wohl die liebevollste der drei Abenteuer in diesem Band sein dürfte. Pierre Christin verlagert die Thematik der Ureinwohner ins Weltall und wirft die Frage auf, was wäre, wenn die rechtmäßigen Besitzer eines Fleckens Welt, ganz gleich wo, nach einiger Zeit (nun, gut, hier sind es einige tausend Jahre) zurückkehrten und ihren angestammten Platz zurückforderten.

Christin entwirft eine fehlschlagende Integration, eine furchtbare Reservation und löst die Handlung mit dem allseits bekannten und geliebten Humor. Mit dem Volk der Heimkehrer nach Aflolol gelingt Christin außerdem ein ziemlicher starker Gegensatz zu den geknechteten Kreaturen, die in Das Land ohne Sterne und in der dritten Geschichte Die Vögel des Tyrannen vorkommen. Hebelt Christin die Ernsthaftigkeit des ersten Geschichte, eine Art ewigen Krieg, noch mit einem klein wenig Humor auf, herrscht in der dritten Episode pure Verzweiflung.

Doch es sind gerade diese Unterschiede, die diese Serie so bemerkenswert machen. Indem Christin immer wieder neue Wege beschreitet, sich nicht auf eine Genrenische eingrenzen lässt, entstehen Überraschungen und überaus spannende und abwechslungsreiche Handlungen. In Die Vögel des Tyrannen, eine Geschichte, die bereits durch ihren Titel neugierig macht, in einen Abgrund aus Wahnsinn und Sklaverei, der bis dahin noch niemals so ernsthaft innerhalb der Reihe dargestellt wurde. Fast fühlt man sich an eine Apokalypse erinnert, dreht Christin die Schraube der Hoffnungslosigkeit im Laufe der Handlung immer weiter an.

Der zweite Garant für den Erfolg der Geschichten ist natürlich Jean-Claude Mezieres, der mit seinem scheinbaren schnellen, intuitiven Zeichenstil diese fremden Welten, Maschinen, Städte und Kreaturen mit derart leichter Hand erschafft, dass ein Vergleich zu einer ähnlichen Größe des Comic-Fachs, Hugo Pratt, naheliegt. Leichte Strichführung bedeutet auch Wackeligkeit, organische Strichführung, der Tusche auch mal ihren Lauf lassen. Auf diese Art inszeniert Mezieres einen Ideenreichtum, ein Übermaß an Ausstattung und Kulisse, wie es seinesgleichen sucht und erst später in dieser Form so populär wurde.

Farbe bedeutet Atmosphäre. Ton in Ton zu arbeiten war lange Zeit ein Markenzeichen verschiedener Publikationen. Valerian und Veronique war eine davon. Sicherlich ging es auch schneller, andererseits trug und trägt es gehörig zur Atmosphäre bei. In Die Vögel des Tyrannen ist dieser Effekt besonders gelungen: Lebensfeindlich, nächtlich, auch höllisch mit einer Grundtendenz, die an Schwefel denken lässt. E. Tranle gebührt mit dieser Fingerfertigkeit auch ein entsprechend großer Anteil am Erfolg der Reihe.

Mit zwei sehr dramatischen Folgen und einer Episode, die Valerian und Veronique auf eine eher heitere Mission schickt, kann dieser zweite Band der Gesamtausgabe nur begeistern. Ein jung gebliebener Sci-Fi-Klassiker. 🙂

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Freitag, 23. September 2011

MODOTTI – Eine Frau des 20. Jahrhunderts

Filed under: Biographie — Michael um 17:37

MODOTTI - Eine Frau des 20. JahrhundertsTina Modotti. Schauspielerin, Fotografin, Künstlerin, Kommunistin. In Mexiko kommt die junge Frau, die bereits einen langen Weg hinter sich hat, mit einigen faszinierenden Menschen zusammen. Einige sind Visionäre. Manche sind nicht gut für sie. Als sie 1923 mit dem Fotografen Edward Weston nach Mexiko geht, hat die im Jahre 1896 geborene Frau schon drei Filme gedreht. Es ist eine Zeit, auf die sie rückblickend betrachtet nicht stolz ist. Das Abkommen, das sie mit dem Fotografen schließt, ist einfach. Er bringt ihr den Umgang mit der Fotografie bei. Sie erledigt für ihn den Haushalt und kümmert sich um seinen Sohn. Und um den Fotografen selbst.

Es ist eine Zeit des Umbruchs, in der sich die künstlerische Linke in der Nähe von Tina Modotti aufhält. Es ist eine Zeit der Ideen. Es ist auch eine Zeit der Risiken. Modotti liebt, wen sie mag. Gerüchte scheren sie nicht. Nicht immer ist sie glücklich. Sie muss erleben, wie ihr Geliebter Julio Antonio Mella eines Nachts auf offener Straße neben ihr erschossen wird. Die Polizei glaubt nicht an eine unbeteiligte Modotti. Die Zeitungen stürzen sich auf diesen Fall. Eine Kommunistin, die nicht nur Fotos macht, sondern auch selbst als Aktmodell gearbeitet hat, im Zusammenhang mit einem ungeklärten Mordfall ist ein gefundenes Fressen.

Der Kommunismus führt sie schließlich nach Moskau. Weit entfernt von der Fotografie, die sie einst liebte, widmet sie sich der Kommunistischen Internationalen. Doch das Leben treibt die nicht müde werdende Frau weiter, nach Spanien, in den Krieg und weiteren Schicksalsschlägen entgegen.

Eine Frau des 20. Jahrhunderts: Lange bevor technische Errungenschaften das Leben erleichterten, auch eine Vorschau dessen abbildeteten, was es jenseits des eigenen Horizonts gab, als Ideologien noch einen hohen Stellenwert besaßen, lebte Tina Modotti ein unstetes, aber auch faszinierendes wie später ein gefährliches Leben. In allen Abschnitten strahlt aus dieser Lebensgeschichte ein großer Enthusiasmus, ein starker Lebensdrang hervor und der Wunsch, etwas Wichtiges zu leisten. Aus der Schauspielerin wird die Künstlerin, später die Kommunistin, sogar an vorderster Front in Spanien. Modotti liebt die Männer und sie lieben sie, aber Modotti hätte auch ohne sie auskommen können.

Angel de la Calles spürt dem Lebensweg der Modotti nach, durchaus auch mit Bewunderung, wenn man dem Stil, den Worten und der Atmosphäre dieser Spurensuche glauben darf. Diese Frau, die im Krieg vom Tod der Mutter erfuhr, drei Monate, nachdem diese gestorben war. Die einstige Künstlermuse nimmt die Gefahren eines Krieges auf sich, obwohl sie niemand dazu zwingt. Am Ende muss sie doch vor den Faschisten fliehen, wie viele andere auch. Auf rund 250 Seiten erzählt Angel de la Calles Modottis Leben in einfachen Bildern, schwarzweiß, mit dicken Strichen, eindringlich, ausschnitthaft. So will diese Graphic Novel auch gesehen werden, mittels Augenblicken, kleinen und schnellen Eindrücken.

Ausgewogen zwischen der Erzählung, die Fakten und historische Vermutungen beschreibt, und Dialogen, die mit Möglichkeiten spielt, liefert die vorliegende Biographie ein breites Bild jener Epoche zwischen 1923 und 1942, in der sich langsam neue Weltordnungen gegeneinander aufstellten und der Zweite Weltkrieg schließlich ausbrach. Es ist ein Blickwinkel eines Menschenlebens, das diese Spirale von verschiedenen Plätzen der Erde, an der Seite unterschiedlichster Menschen erlebte. Das wird grafisch den Comic-Fan vielleicht nicht beeindrucken, ist aber in seiner Komplexität und mit all den gesammelten Erlebnissen höchst spannend.

Kein langes Leben, aber ein aufregendes, ein kämpferisches, unruhiges. Eine Biografie, die berührt und mitreißt. Angesichts der Komplexität, auch der Stärke dieser Frauenfigur ist es verwunderlich, dass sich noch kein Kinofilm dieser Frau des 20. Jahrhunderts angenommen hat. 🙂

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Donnerstag, 22. September 2011

Frostfeuer 1 – Herzzapfen

Filed under: Mystery — Michael um 17:01

Frostfeuer 1 - HerzzapfenMaus, nach außen hin ein Junge, Nacht für Nacht die Schuhe der Hotelgäste putzend, hat das Hotel Aurora noch nie verlassen. Die Welt da draußen bereitet ihr Panik. Eines Tages, als die anderen Jungen sie kurzerhand vor die Tür setzen, um ihr nach der Manier von Heranwachsenden eine Lektion zu erteilen, bricht sie draußen vor der Tür in Panik aus. Zu diesem Zeitpunkt weiß sie noch nicht, dass ihre bis dahin relativ heile Welt bedroht ist, von innen heraus und von Mächten, die sie nicht einmal erahnen kann. Denn ein ganz besonderer Gast hat sich ins Hotel Aurora eingemietet.

Tamsin Spellwell kommt nach Sankt Petersburg. In ihrem Gepäck befindet sich Diebesgut der ungewöhnlichen Art. Eigentlich wollte sie mit dem Diebstahl ein, wenn schon nicht besonders durchdachtes, so doch gutes Werk vollbringen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Welt wird kälter, die Kälte unkontrollierter. Etwas wurde in Gang gesetzt und scheint unaufhaltsam zu wachsen.

Die Comic-Umsetzung eines weiteren Bestsellers von Kai Meyer führt den Leser nicht nur in eine märchenhafte Geschichte, die wie eine Fortsetzung des ewigen Märchen von Hans-Christian Andersen Die Schneekönigin anmutet. Sankt Petersburg. Allein der Name der Stadt lässt Romantik aufblühen. Märchenhaft bedeckt der Schnee die Stadt und angesichts der Bedrohung, die in die Stadt gekommen ist, liegt auch der Vergleich zu einem Leichentuch nahe.

Yann Krehl adaptiert den Roman von Kai Meyer, zeichnerisch umgesetzt hat ihn Marie Sann. In der Kürze des ersten Teils dieser Trilogie entsteht sehr schnell Atmosphäre, obwohl nach der Einleitung der Geschichte erst einmal ein Bruch erfolgt. Gerade noch herrscht tatsächlich ein Andersen-Flair vor, da findet sich der Leser in Sankt Petersburg wieder, mit einer der interessanten Figuren, Tamsin Spellwell, an der Seite von Väterchen Frost auf einer Parkbank. Erst dann wird die eigentliche Hauptfigur vorgestellt, gut erkennbar auch auf dem Titelbild: Maus. Das kleine Mädchen schafft es schnell, das Herz des Lesers zu erwärmen.

Ihre Herkunft ist traurig, ihr junges Leben trist und gelitten wird sie augenscheinlich nur von Kukuschka, dem Eintänzer. Das ist mitreißend, traurig, intensiv erzählt, aber auch ohne jegliche Hoffnung. Der Auftritt von Spellwell, heiter in dieser Düsternis, hilft dem Mädchen kaum weiter. Optisch entsteht durch die Grafiken Sanns ein Gefühl alter Märchenfilme von früher, als es noch nicht so viel im Fernsehen gab. Rückblicke erfolgen durch eine Eislinse. Abgesehen von Maus selbst wirken die übrigen Charaktere sehr stilisiert, fast schon ein wenig scherenschnittartig. Fast meint man, ruckartige, abgehackte Bewegungen sehen zu können.

Diese optische Nostalgie erkennt wahrscheinlich nur, wer sie auch damals selbst erfahren hat oder auf eine der heutigen, wahrscheinlich zahllosen Wiederholungen stößt. Hier wie dort, das ist auch gewiß, lässt sich die Erzählung Zeit. Die Atmosphäre ist schnell aufgebaut und hält sich. Kalte Farben, auch ein starrer Aufbau lassen einen schnell mit Maus frösteln. In der Kolorierung, die dem Geschehen folgt, liegt auch ein wenig die Gefahr der Eintönigkeit, da die Schwankungen nicht allzu groß sind. Dieser Effekt ist zweifellos gewollt, denn Spellwell, die später zum Tanz auffordert bildet in ihrem Kleid einen bunten Farbtupfer vor diesem Einerlei.

Sehr, sehr märchenhaft, für junge Leser genau die richtige Geschichte. Wer nur den abenteuerlich erzählenden Kai Meyer kennt bzw. Yann Krehls Comic-Umsetzung der Wolkenvolk-Trilogie kennt, wird von der Ruhe, die diese Geschichte ausstrahlt, überrascht sein. Wer hingegen genau das sucht, sollte einen Blick riskieren. 🙂

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Dienstag, 20. September 2011

Barracuda 1 – Sklaven

Filed under: Abenteuer — Michael um 20:08

Barracuda 1 - SklavenKapitän Blackdog weiß um seinen Ruf. Er hetzt seine Männer gegen den Feind, die sich tapfer wehren, wohl wissend, dass eine Niederlage den Tod bedeutet. Der Kampf ist brutal, gnadenlos. Jedes Mittel ist recht, um den Gegner niederzuzwingen. Am Ende steht ein Zweikampf, der über das Leben des Kapitäns des geenterten Schiffes entscheidet. Raffy, ein Junge und Sohn von Kapitän Blackdog, überlebt den Kampf, schwer gedemütigt und voller Hass. Beide, Mann und Junge, sind gewiss, dass sie sich eines Tages an anderer Stelle wieder begegnen werden. Dann, daran besteht keinerlei Zweifel, als sie sich einen vorläufigen letzten Blick zuwerfen, wird sich endgültig entscheiden, wer der bessere Fechter ist.

Die Barracuda landet bei Puerto Blanco, einem Piratenversteck. An Bord befindet sich die Beute, drei Frauen, die auf dem örtlichen Sklavenmarkt einen guten Preis erzielen sollen. Aber diese Frauen haben ein Geheimnis.

PIRATEN: Sie gehören zu der Sorte Halunken, die stets ein ein wenig glorifiziert wurden. Dank der Schatzinsel und eines Errol Flynn, auch einer Wiederbelebung des Genres in jüngster Zeit, erfreuen sich die Ganoven des Meeres einer großen Beliebtheit, freilich nur in der Unterhaltung. Autor Jean Dufaux betritt mit dieser Reihe ein weiteres Abenteuer-Genre, nachdem er dem Leser bereits Themen wie Kreuzzüge, Thriller und Erotik nahegebracht hat. Seine Piraten sind nicht romantisch, sie sind nicht der erwähnte Flynn, aber auch nicht die neuzeitlichen Geena Davis und Johnny Depp. Diese Piraten kommen einem nicht komisch.

Dufaux kreiert geradlinige Halsabschneider, die einem gewissen Kodex folgen, doch sollte man sich nicht allzu sehr darauf verlassen. Wichtig ist die Jagd nach der nächsten Beute, das nächste Amusement, zum Beispiel bei einem Sklavenhandel. Neben den Kämpfen während der Kaperung eines Schiffes, der atmosphärischen Darstellung von Puerto Blanco, nimmt eine Versteigerung von Sklaven einen nicht unwichtigen Teil im Fortgang der Handlung ein. Denn hier entscheiden sich die weiteren Lebenswege dreier wichtiger Charaktere der Reihe.

Jeremy, ein junger Künstler, gestaltet den ersten Band von Barracuda stilsicher, aufwendig, realistisch und mit einem Auge für Charaktere. Den ersten, wichtigen Charakter erblick der Leser sogleich auf dem Titelbild, Kapitän Blackdog selbst. Zerfurcht, zerschunden, nachlässig gegen sich selbst präsentieren sich diese Piraten in abgewetzter Kleidung und so sorgsam gestaltet, als gelte es Produktionszeichnungen für einen teuren Hollywood-Blockbuster abzuliefern.

Blicke: Jeremy scheint Blicke und ihre Ausdrücke zu lieben. Voller Hass oder Sorge, voller Schrecken über das Erlebte, Zorn, Begierde, Gehässigkeit oder sogar Langeweile bei jenen, die dieses Leben auswendig kennen und die nichts mehr überraschen kann. Der leichte aquarellartige Farbauftrag und der schmale Tuschestrich sorgen für einen grazilen Gesamteindruck der Grafiken. Prächtige Tagesszenen unter karibischer Sonne lösen sich mit dem Schein der nächtlichen Lampen und dem fahlen Licht des Mondes ab. Letztere bilden das Ambiente einer Reihe von Sequenzen, eigentlich strahlender und mit mehr Atmosphäre behaftet als die Tagesszenen.

Ein überdurchschnittlich spannend erzähltes Piratenabenteuer, mit vorbildlichen und aufwendigen Bildern zum Leben erweckt von einem jungen Künstler, von dem sicherlich noch mehr zu erwarten ist. Keine Romantik, dafür umso dramatischer als das gängige Piratenszenario der letzten Jahre. Sehr gut. 🙂

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Montag, 19. September 2011

SHANGHAI 1 – Kind des Regens

Filed under: Abenteuer — Michael um 11:56

SHANGHAI 1 - Kind des RegensYu Xin. Derjenige, auf dessen Spur sich diese Frau heftet, hat ein großes Problem, denn Yu Xin kennt kein Erbarmen. Im Kampf sehr erfahren, ist sie außerdem völlig unnachgiebig und erfüllt ihren Auftrag ohne jegliche Emotion. Derjenige, der von Yu Xin verfolgt wird, ist bereits tot und weiß es nur noch nicht. Shanghai erlebt im Jahre 1908 eine Zeit des Umbruchs. Ausländer dringen ins Land. Kluge Chinesen erkennen, wie sehr diese Einflüsse ihr Land verändern werden. Können sie auch nicht die neuen Einflüsse aufhalten, so sind sie doch nicht gewillt, sich einfach ihre Macht nehmen zu lassen. Wenn sich die Zeiten ändern, dann soll es zu ihren Bedingungen geschehen. Eigentlich soll Yu Xin an einem Uhrmacher nur ein Exempel statuieren. Doch das Resultat wird ein vollkommen anderes sein.

Und deine Klinge wird meine Botschafterin sein.

Der Kaiser in Peking ist schwach, die Verbrecherorganisationen suchen nach einem Weg, sich gegen die Ausländer zu behaupten. Vor der Kulisse dieser Zwistigkeiten gelangt Yu Xin in die Gesellschaft eines kleinen Jungen, zu dem sie, obwohl sie es nicht will, eine Beziehung aufbaut.

Mathieu Mariolle lässt zusammen mit Yann Tisseron (Zeichner und Kolorist) eine Zeit und eine Ecke der Welt wieder aufleben, die überaus fremd erscheint. Es ist eine Übergangszeit. In dieser Epoche, in der den Menschen überaus klar ist, dass sich nicht nur alles verändert, sondern dass diese Veränderungen auch Bestand haben werden, lässt Mariolle eine Heldin antreten, die erst einmal um die Sympathie des Lesers buhlen muss.

Eine professionelle Mörderin und Attentäterin als Hauptfigur zu etablieren (oder auch einen Mann), ist kein neues Motiv innerhalb rasanter und dramatischer Erzählungen, auch nicht im historischen Kontext. Meist ist es ein Funke, der eine neue Leitlinie hinzufügt. Manchmal ist es ein Kind, so auch hier. Dieser Kleine vollbringt das Wunder, der Mörderin Yu Xin Gefühle abzuringen, kannte sie ansonsten allenfalls Stolz nach vollbrachtem Auftrag oder Zweikampf. Vielleicht nicht einmal das, denn die Geschichte bringt keinen Gegner hervor, der ihr auch nur ansatzweise gewachsen scheint.

Bevor Mariolle sich aber gänzlich in der Charakterentwicklung Yu Xins verliert, spielt sich im Hintergrund ein viel größeres Machtspiel ab. Vor der Kulisse Chinas gewinnt das Wort Größe an zusätzlicher Bedeutung. Mittels der seidenweichen, mit markerähnlichen Farben kolorierten Bilder von Yann Tisseron entsteht vor dem Auge des Lesers ein düsteres, oft nächtliches, manchmal in Sonnenuntergänge getauchtes China, hinter dessen prachtvollen Fassaden es brodelt und sich die Menschen nur um sich selbst scheren.

Optisch im Stile neuerer computeranimierter Animes geht der erste Band von Shanghai noch einen Schritt weiter als die offizielle Historie. Die Opiumkriege sind geschichtlich bekannt, die Bemühungen des zahnlosen chinesischen Kaisers sind es nicht. In einem sehr festen und starken Zeichenstil, in dem der Stift scheinbar breiter aufgedrückt wurde, findet schleichend ein Wechsel vom historischen Thriller zum phantastischen Mystery-Abenteuer statt. So vollführt das letzte Viertel von Kind des Regens, Untertitel des ersten Bandes der Reihe, einen vollendeten Schwenk, der jegliche Vorausschau auf den nächsten Band unmöglich macht.

Dunkel, mysteriös, mit einer wandelbaren Heldin. Yann Tisseron erweckt das alte Shanghai der Jahrhundertwende von 1900 mit düsterer Pracht zum Leben. Mathieu Mariolle zeigt einmal mehr, dass er ein Händchen für Mystery-Thriller hat (Smoke City). 🙂

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