Die junge Frau, Eva, ist allein im Dschungel. Wie sie von hier wieder zurückfindet, weiß sie nicht. Die Verletzung schmerzt und könnte sich entzünden. Moment! Vollkommen allein ist sie nicht. Die Orang-Utans um sie herum machen die junge Frau nervös. Die Affen halten sich zurück, sind friedlich und sie sind sogar mehr als das: Sie wollen helfen. Dieser Umstand wird von Eva jedoch völlig missverstanden. Sie scheucht die Tiere fort, um sich ihren Weg selbst zu suchen. Aber die Orang-Utans geben nicht auf. Bald sind sie wieder da und sie haben ihre eigene Methode, um Zuneigung bei der jungen Frau zu wecken.
Richard Marazano erzählt gegen den Strich. Dies zeigte sich bei Der Schimpansenkomplex, bei Absolute Zero und bei Eco Warriors scheint es nicht anders zu sein. Gegen den Strich bedeutet: Häufig folgen Autoren einmal festgelegten Regeln. Sie legen Spannungsbögen fest, bauen ihre Charaktere in erkennbaren Mustern auf und einiges mehr. Marazano bricht aus diesen Mustern aus, frei nach dem Motto: Das Leben folgt keinen Regeln. Er hat die beiden Hauptfiguren, Chris und Eva, getrennt. Chris muss Eva, die im Dschungel scheinbar verschollen ist, nun suchen und geht dafür einen Pakt ein, indem er die Eco Warriors, denen er entsagt hatte, zur Hilfe ruft.
Der Dschungel: Kriegsgebiet. Nicht nur die Natur ist dem Menschen gegenüber feindselig, der Mensch wird selbst zur Gefahr. Darüber hinaus haben im Dschungel Forschungen stattgefunden, die nicht an die Öffentlichkeit geraten sollen. Marazano, der gerne ein unheimliches oder auch rätselhaftes Element in seine Geschichten einfügt (das weder vom Leser noch von den Akteuren zunächst durchschaut wird), legt hier gleichzeitig die Grundlage für weitere Abenteuer. Zwar ist dieses Abenteuer mit zwei Bänden erzählt, doch es harrt bereits die nächste Mission, die in die Arktis führt.
Sieht man von den Meinungsverschiedenheiten (auch Freundschaften) unter den menschlichen Charakteren ab, bilden die Orang-Utans den heimlichen Anziehungspunkt der Handlung, nicht nur durch den Titel. Ihr Verhalten, mal verspielt, mal unabhängig, mal verzweifelt, rührt an und wird von Marazano geschickt eingebaut. Chris Lamquet, Zeichner und ausführender Kolorist in dieser Ausgabe, widmet sich gerade den Affen sehr hingebungsvoll, hängt doch gerade von den Grafiken dieser Tiere in vielen Szenen einiges ab. Wie der Anhang zeigt, hat er nicht nur die menschlichen Charaktere sorgfältig studiert.
Lamquet zeichnet hoch realistisch, beschränkt sich aber bei der Abbildung stets auf so wenige Striche wie möglich. Er liebt den Effekt der scheinbar durchgepausten Fotografie, die durch die Kolorierung an Volumen gewinnt und doch auch leicht abstrahiert wird. Durch einige grafische Tricks wie Geschwindigkeitsunschärfe, realistisch ausschauende Himmel, Spiegelungen und einiges mehr erzeugt Lamquet Bilder mit Tiefe und einem Ausdruck starker Lebendigkeit. Ein filmischer Eindruck ist offensichtlich gewünscht.
Wenn ich einem Affen eine Pistole in die Hand drücke und der Affe erschießt jemanden, dann ist nicht der Affe schuld. Eine der besonders ergreifenden Szenen soll hier nicht geschildert werden, damit der Leser sie unvoreingenommen erleben kann, aber sie gehört zu einer der besten Comic-Szenen seit langem (für mich) und unterstreicht auch die Ernsthaftigkeit der Geschichte.
Für mich eines der besten Abenteuer von Richard Marazano, das bislang in Deutschland erschienen ist. Hart am Realismus gezeichnet, sehr ausdrucksstark, gegen den Strich erzählt. Ein wenig Öko-Thriller, tragisch, packend, mit etwas Verschwörung und SciFi. Außerdem mit dem zweiten Band ist dieser Abschnitt erst einmal abgeschlossen. Das passt. 🙂
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