Das Paar hat die größte Hoffnung und wird bitter enttäuscht. Denn die Worte der alten Frau, die in einer Hütte aus Wurzelwerk im Wald haust, lässt keinen Zweifel daran, dass die Frau keine Kinder gebären kann, noch jemals wird. Der Traum der Eheleute ist zerstört. Bis zu jener Nacht, als ein Licht am Himmel erscheint und ein Feuerschweif vor den Sternen vorüberzieht. Vor den erstaunten Augen des Mannes rammt ein ungeheuerliches Objekt in einen See. Sobald der Dunst des Aufpralls sich verzogen hat, sieht er eine Hülle, wie sie noch kein Mensch jemals sah. Doch das Kind, das er danach mit nach Hause bringt, sieht menschlich aus, braucht menschliche Zuwendung, eine Mutter und einen Vater. Und viele Jahre scheint es das Leben wirklich gut mit der kleinen Familie zu meinen.
Für den Fantasy-Fan, der auf wirklich geniale Bilder einer fremden Welt gewartet hat, ist dieser Band ein weiteres Fest. Zeichner Iko liefert hier seine erste Serie (in fünf Bänden) ab. Hier ist kein Unterschied zwischen der zeichnerischen Qualität des Titelbildes und der Grafiken auf den Innenseiten. Allein das Titelbild, der Aufmarsch der Krieger zu Pferd, zu Nashorn (!), zu Elefant und zu Giraffe (!) ist einen längeren Blick wert. Gerne auch mit der Lupe, denn die Krieger sind unterschiedlich, facettenreich, die Tiere sind außerordentlich und mal ehrlich, wann gab es jemals Kampfgiraffen?
Die Sequenz (besser gesagt eine Vorausschau derselben) zum Titelbild findet sich auch in der Geschichte selbst. Hier werden weitere Blickwinkel gezeigt, mehr Einzelheiten. Die Fahrzeuge werden deutlicher, noch mehr Tiere werden dem Leser dargeboten. In einem Film wäre der Aufwand schön, hier ist es in dieser Form und der Qualität, die der von Radierungen ähnelt, ein außerordentliches Leseerlebnis. Kurz: Das ist Kino auf Papier.
Wie bereits in der Rezension zum ersten Band erwähnt, nimmt Autor Christophe Bec ein paar Anleihen bei bekannteren Publikationen, vornehmlich Kinofilmen, ohne aber eigene Ideen zu vernachlässigen. Das funktioniert weiterhin erstaunlich gut, zumal er auch Punkte auflöst, die in den bekannteren Geschichten keine Erwähnung mehr finden. Einer dieser Punkte ist, ohne zu viel zu verraten, eine Szene, die sich im Film King Arthur ereignet. Ein Heer wird weniger durch den Gegner, als vielmehr durch natürliche Umstände geschlagen. Aber was geschieht danach mit ihnen? Diese Frage beantwortet Bec, besser, lässt sie durch Iko beantworten, grafisch beeindruckend und gruselig anzuschauen.
Fragen klären: Ein wichtiger Aspekt des zweiten Teils ist die Auflösung von Fragen, ohne besonders viele neue aufzuwerfen, wie es bei Bec doch zuweilen vorkommt. Eher werden Stränge dichter verwoben. Ioen, der Junge, den der Leser inzwischen kennenlernte, wird älter, reift zum Mann und Kämpfer. Mit einem Freund, Torüd, an seiner Seite, der ebenso wie er als Gladiator sein Brot verdiente, beginnt eine lange Reise mit seltsamen Begegnungen und Funden. Teils weiß der Leser, was den Helden erwartet, teils sind es gerade die Vorhersagen, von denen nicht zu sagen ist, ob sie sich bewahrheiten werden, die die Handlung spannend halten.
Farblich herrscht eine düstere und nächtliche Atmosphäre vor. Wenige Tagessequenzen sind zwar hell, doch wirkt das Wetter nie wirklich einladend. Nicht nur infolge des Titels der Serie ist dieser Eindruck kein Zufall. Und so wird das Szenario, als Ioen an seinem Ziel anlangt, vor dunkler und gleichzeitig feuriger Kulisse abgehalten.
Grafisch weiterhin beeindruckend: Iko setzt Szenen in einem Fantasy-Comic um, die in dieser Perfektion selten zu sehen sind. Christophe Bec schreibt, was er liebt: Genres wie Fantasy oder Science Fiction liegen ihm, er kennt es vom Film, verbeugt sich davor, kreiert Eigenes, mischt die Karten neu. Sehr gut. 🙂
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