Gefangen: Roland kann die vermummten Krieger nicht einschätzen. Verborgen hinter Tiermasken geben sie sich nicht wie die üblichen Geiselnehmer. Sie sind wortkarg und lassen ihre Beute schließlich sogar auf einer Lichtung zurück. Allein. Sofort sucht Roland nach einem Ausweg. Der junge Ritter will sich nicht seinem Schicksal ergeben. Für ihn und Gwendoline, seine große Liebe, sind die Gitterstäbe zu eng. Der Knabe Johann, das in der Wildnis aufgewachsene Kind, hingegen könnte mit etwas Geschick entweichen. Es wird eine Geduldsprobe. Wird Johann durch allerlei Verrenkungen dem Käfig entkommen können, bevor die Unbekannten, die sich der Geiseln annehmen wollen, auf der Lichtung erscheinen. Es sieht nicht danach aus.
König Artus war keiner weiser Herrscher. Oder hat es ihm Ritter Roland besonders schwer gemacht? Roland ist tatsächlich ein Ritter Ungestüm. So ist es für ihn ein Leichtes diesen König aus der Reserve zu locken. Ein Artus, wie er einem Prinz Eisenherz gegenüber trat, fast schon ein wenig göttlich, aber wenigstens väterlich oder großväterlich, findet sich hier endgültig nicht. Bislang konnte der Leser aber doch noch einen Funken Sympathie für diesen Regenten entwickeln, waren seine Verhaltensweisen von der Notwendigkeit des Regierens geprägt. In den hier versammelten drei Episoden Die gefangene Prinzessin, Der Aufstand des Vasallen und Die Reiter der Apokalypse zwingt dieser König seinen Gefolgsmann Roland zum Äußersten.
Francois Craenhals, der diesen Chevalier Ardent, wie die Figur im Original heißt, erfand einen jungen Ritter, der zu Beginn mit einer Portion Naivität und Starrsinn in das Ritterleben startete, später aber durch seine Abenteuer reichlich Erfahrungen sammelte, den Stolz aber nie zugunsten einer größeren Beherrschung ablegen konnte. Vielleicht ist es das, was die Beziehung zu dem alten König ausmacht. Beide sind sie stark und sehr impulsiv. Fügt man noch mehrere Prisen Misstrauen dieser Mischung hinzu, entsteht ein Pulverfass, das früher oder später explodieren muss.
Aus einer wohl meinenden Tat (Roland will die Tochter des Königs retten) wird eine Strafe, die Roland nicht verstehen kann. Fortan steht er gegen seinen König, wirft das Schwert, mit dem er dem Regenten diente, fort und führt nadenfeine Stiche gegen Artus an: Wie einst Robin Hood holt Roland sich das Geld von den Pfeffersäcken und gibt es jenen, die es besser brauchen können. Craenhals entwirft eine Geschichte, die sehr wohl auf den Spuren des englischen Volkshelden wandelt und auch an anderer Stelle Parallelen zu anderen Klassikern aufweist. Doch die Geschehnisse passen in die geschilderte Epoche, sind besonnen gesetzt und Craenhals beweist sich so erneut als versierter Erzähler, der mit einem sympathischen Heißsporn eine Seite des legendären Britannien zeigt, die bis dahin eher selten zu sehen war.
In einem klassischen Zeichenstil, angesiedelt zwischen Hal Foster (Prinz Eisenherz) und Antonio Hernandez Palacios (El Cid), erprobt sich Craenhals an realen Kämpfen und (alp)traumhaften Sequenzen. Das Auftreten der Charaktere ist bühnenhaft, möglichst dem Leser zugewandt. Die Gefühle der Figuren sollen ablesbar sein. Craenhals erzählt Schritt für Schritt, mit der erforderlichen Geschwindigkeit und wendet zur Abkürzung längerer Passagen, die zwar wichtig sind, aber ausführlicher beschrieben den Lesefluss stören würden, eine collagenhafte Bildtechnik an. Eine Erzählerstimme kommt meist in solchen Sequenzen zum Einsatz.
Die Reiter der Apokalypse: In der dritten und abschließenden Episode des vorliegenden Sammelbandes stellt sich Roland dem Überirdischen, geisterhaften Erscheinungen und eigentlich kann er hier nicht richtig kämpfen, nur vorwärts gehen, um seine Geliebte zu finden und retten. So ungewöhnlich diese Geschichte ist, so schön ist sie, vor aktuellen Erscheinungen fast schon etwas asiatisch und poetisch anmutend.
Eine faszinierende Mischung: Francois Craenhals setzt einen Helden zurück auf Anfang. Roland kämpft schließlich nur noch für die Liebe und lässt ansonsten alles hinter sich. Bei all den gefährlichen Abenteuern, die er zu bestehen hat, besitzt auch diese Rittergeschichte, was eine Rittergeschichte benötigt: Romantik. Schön. 🙂
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