Auch ein schurkischer Herzog wie Philipp hat einen Vater. Auch ein solcher Mensch kann seinen Vater vermissen. Obwohl ihm das kaum einer zugetraut hätte. Und erst recht keiner traut es sich, dem neuen Herzog etwas ähnliches ins Gesicht zu sagen. Eine Jagd, eine Hatz, lässt die Maske kurzzeitig fallen. In der Raserei des Jagdglücks offenbart sich eine Trauer, der niemand in die Quere kommen möchte, denn diese Trauer will Rache. Was bleibt den Anhängern des rechtmäßigen Thronfolgers zu tun? Sogar die Bitte um Vergebung für den Tod des alten Herzogs wird in Betracht gezogen. Aber sollte ein Thronfolger Frankreichs vor dem herzöglichen Erben Burgunds zu Kreuze kriechen?
Kein Bösewicht: Der hier besonders vorgestellte König von England, Henry, der auch König von Frankreich werden will, ist keiner dieser Bösewichte, die einfach nur schlecht handeln, weil sie schlecht sind. Der englische König folgt alten Verwandtschaftsgraden, noch älteren Regeln, nach denen nur ein Reich, das sich vergrößert, auf Dauer bestehen kann. England und Frankreich, mal mehr, mal weniger, über die Jahrhunderte verbandelt, je nachdem von welcher Seite des Kanals gerade die Invasion anrollte, sollen hier nun endgültig vereint werden. Die Autoren Nicolas Jarry und France Richemond präsentieren hier jenen Abschnitt der Historie Frankreichs, in dem dieses Ziel erreicht scheint.
Ein geschickter Schachzug manövriert die Anhänger des Dauphins aus. Ihre Anhängerschaft schrumpft. Schlechte Ratgeber an der Seite des französischen Thronfolgers reißen das Ruder noch weiter in Richtung Untergang. Tanneguy Du Chatel, der getreue Ritter an der Seite des Dauphins, der bereits mit dem ersten Band eingeführt wurde, ist ein Mann der Tat und der Waffe. In den Ränken hinter den Kulissen übt er sich, gelangt dort aber keineswegs zur gleichen Meisterschaft wie im Kriegshandwerk. Der dritte Band beschreibt eine für Frankreich verfahrene Situation, in der das Land von England und Burgund gefleddert wird, sorgfältig aufgeteilt, über die Köpfe des Volkes hinweg.
Die ersten drei Viertel der Handlung befassen sich mit den taktischen Manövern der Mächtigen, führen auch sorgsam den neuen Mann an der Spitze Burgunds ein. Der Geschichtsinteressierte, der immerhin um den bekanntesten Abschnitt jenes langen Krieges weiß, wird ein kleines Mädchen entdecken, das in einer Höhle auf ein Kreuz stößt und jenen Weg betritt, der es geradewegs zum Dauphin führen wird, allerdings erst viele Jahre später. Der allgegenwärtige Zorn und die Gier nach Macht, wie auch die Ohnmacht derer, die Frankreich retten wollen, ziehen auch den Leser in die Handlung. Gerade jener äußerst menschliche Abschnitt ist pures Drama.
Weniger dramatisch, eher handfest wird das letzte Viertel des dritten Teils. Tanneguy Du Chatel und seinen Königsgetreuen bleibt nur die Wahl eines, wie man es heutzutage nennen würde, Guerillakampfes. Angreifen, zurückziehen, empfindliche Hiebe austeilen und sich dem eigentlichen Kampf verweigern, der gegen eine Übermacht zwangsläufig verloren gehen muss. In allen Belangen, ob nun mit höfischen Szenen oder Schlachtengetümmel, zieht Zeichner Theo Caneschi wieder alle Register. Besonders eindrucksvoll sind die Sequenzen mit Philipp von Burgund und Henry von England, insbesondere ein Fest kann hier den Leser in seinen Bann ziehen. Der Aufmarsch von zig Figuren ist fein choreografiert und von Theo wieder mit dem nötigen Realismus gezeichnet.
Die Kolorierung hingegen, erneut von Lorenzo Pieri ausgeführt, ist nicht mehr so farbenprächtig wie in den ersten beiden Folgen. Zum Teil bedient sich Pieri eines Konzepts der Unfarben, die zwar einen künstlerischen, vielleicht auch atmosphärischen Eindruck hinterlassen, aber gegen die bisherige Technik verblassen. Gäbe es die andere Kolorierungsvariante nicht, könnte man durchaus zufrieden sein, wird doch derlei Technik gerne im Comic angewendet. So aber findet sich keine Erklärung für diese Änderung. Einzig dürfte der zeitliche Aufwand etwas geringer sein. Nur hier und dort blitzt in einigen Szenen der frühere Glanz wieder auf.
Intrigen, Intrigen, Intrigen: Spannend! Nicolas Jarry und France Richemond reihen sich mit ihrer Erzählung über diese Phase des Einhundertjährigen Krieges in die Spitze anderer historischer Adaptionen ein. Gelungene Unterhaltung, nicht nur für Historienfreunde. 🙂
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