Das Schiff pflügt durch die Wellen. Besondere Vorkommnisse sind nicht zu erwarten. Ein Funkspruch durchbricht die Routine: Schiffbrüchige in Seenot. Die Seeleute ändern den Kurs. Sie kommen gerade rechtzeitig, wie es zuerst aussieht. Doch sehr schnell übernehmen die Geretteten das Kommando an Bord. Die außergewöhnliche Ladung, die in aller Heimlichkeit den Atlantik überqueren sollte, verschwindet. Lange Zeit nehmen die Verantwortliche an, das Schiff sei gesunken. Eine trügerische Schlussfolgerung!
In gefährlicher Mission unterwegs: Eine geheimnisvolle Organisation bedroht ganz Frankreich. Ganz Frankreich? Ja, in der Tat, nicht nur ein kleines Dorf an der Küste. Vielmehr steht sogar Paris im Mittelpunkt dieses Terroristenszenarios, das ganz so beginnt, als würde nicht Frankreich, sondern ein weiter nördlich gelegenes Empire bedroht. Immerhin sind es englische Jagdmaschinen, die sich als konkrete Bedrohung herausstellen. Jean-Michel Charlier stellt hier in einer Doppelfolge mit den Titeln Vampire kommen bei Nacht und Terror am Himmel ein Flugzeug in den Mittelpunkt, dessen Konzept ich nie so richtig in der Militärtechnik durchsetzen konnte: den Hawker Siddeley Harrier.
Ihre seltene Fähigkeit, nämlich der Senkrechtstart, stellt die französische Abwehr zunächst vor ein Rätsel. Als das erste Album des Abenteuers 1971 erschien, war dieser Flugzeugtyp immer noch eine Besonderheit bei Düsenstrahlflugzeugen (und ist es noch). Die Einbußen an Fähigkeiten gegenüber der französischen Jagdfliegerkonkurrenz, der Mirage, lässt Charlier anfangs außer Acht, da die Terroristen sich blindlings auf die Landefähigkeit ihres Flugzeugs verlassen. Wie ein Blofeld (Supergauner in der Filmreihe über den Superagenten James Bond) zieht hier der Vampir seine Fäden.
Seinen besonderen Reiz bezieht die Mischung aus Fliegerabenteuer und Agentenszenario aus der direkten, vor der Haustür liegenden Umgebung. Jedenfalls für französische Leser. Touristen, Cineasten, Googlisten werden die Faszination aber ebenfalls nachempfinden können, wenn Zeichner Jije die Kampfjets über das nächtliche Zentrum von Paris jagt, in Richtung Triumphbogen, und auf den Straßen das Chaos ausbricht. Hier ist ein Charlier am Werk, der ein Terrorszenario bis auf den Grund ausschöpft und teilweise das vorweg nimmt, was Jahrzehnte später zum Horror der westlichen Welt geworden ist, in welcher Flugzeugform auch immer.
Jije, inzwischen in seinem ganz eigenen Stil in der Serie unterwegs, ohne mehr den Beschränkungen seines Vorgängers Uderzo zu unterliegen, zeichnet kraftvoll, fett, wuchtig. Hier wird Jijes Überschwang sehr deutlich. In den Charakteren kann er sich nicht sehr austoben, denn ernste Helden geraten allgemein sehr eingeschränkt. Den gebrochenen Helden findet man hier nicht. Dafür aber den Komödianten in Form von Laverdure und diesen zeigt er auch in herrlichen Situationen, die im spannenden Doppelszenario aber deutlich geringer ausfallen als sonst.
In weitaus kleineren Abenteuern, mit mehr menschlicher Interaktion hat auch ein Laverdure die Möglichkeit, stärker ins Rampenlicht zu treten. In den hier abgedruckten Geschichten, die in den Pocket-Ausgaben des Magazins Pilote erschienen, können Tanguy und Laverdure zuerst mehr vom Alltag der Piloten zeigen (Der Saboteur). In der Geschichte Der Piratensender (ebenfalls ein Pocket-Abenteuer in mehreren Teilen) geht es schließlich wieder handfester und mit mehr Action zur Sache. Jijes Bilder, die in den Pocket-Ausgaben weniger Platz hatten und ein anderes Format berücksichtigen mussten, fallen in der Vergrößerung für die Albumversion deutlich luftiger aus als die echten Album-Geschichten.
Ein dichtes und düsteres Hauptabenteuer, einerseits mit einem Filmgauner, andererseits mit einer äußerst realistischen Bedrohung konstruiert. Zusammen mit den kleineren Geschichten im Vorfeld und im Anschluss eine gelungene Mischung. 🙂
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