Regen. In London ist diese Witterung ein normaler, ein häufiger Zustand. Inmitten eines dunklen London ist ein bewaffneter und verzweifelter Mann hingegen seltener anzutreffen. Matt Thurow eilt zu heim und ihm schwant Übles. Und tatsächlich wird er am Zielort, einer kleinen gemütlichen Wohnung, überfallen werden. Die Männer sind erbarmungslos. Einige machen sich nicht einmal die Mühe, ihre Gesichter zu verbergen, so selbstsicher sind sie in ihrem Tun. Die Verbrecher begnügen sich nicht mit Rache an Matt, auch seine Schwester Nelly soll für seine Schnüffelei leiden.
Zweiter Band: Andere Kolorierung. Schöner. Ein Wort, besser kann man es nicht sagen. Im ersten Teil des zweiteiligen Zyklus aus der Reihe Clockwerx wählte Zeichner und Kolorist Jean-Baptiste Hostache noch eine bodenständige, aber erkennbare Computerkolorierung. Hier wird nun Wert darauf gelegt, die Kolorierung natürlicher aussehen zu lassen. Die Imitation einer papiernen Oberflächenstruktur mit etwas Buntstiftabrieb sorgt für den gewünschten Natureffekt. Die Kolorierung im vorherigen Band hätte zwar auch für die Arbeit mit Markern gehalten können, doch ergaben sich einige Strichstrukturen, wie sie häufig bei der dort gewählten Kolorierung auftreten. Zugleich nimmt sich Jean-Baptiste Hostache bei seinem Farbauftrag noch etwas zurück. So entsteht eine sehr ruhige und durchweg schöne Farbstimmung.
Stimmung: Ein viktorianisches London muss auch als solches zu erkennen sein. Das Genre des Steampunk lebt von Atmosphäre. Im zweiten Band des Zyklus mit dem Titel Sintflut sind gerade solche Eindrücke besonders stark. Tageslicht wird der Leser nur einmal entdecken. Ansonsten herrscht die Nacht vor, vielleicht noch die Dämmerung. Innen finden konspirative Treffen statt, es wird gefeiert (eigentlich auch nicht weniger konspirativ), bevor es in den Showdown geht, die Entscheidung, die sich bereits im ersten Band ankündigte. Hier gibt es nur ein Entweder Oder, dazwischen ist nichts.
Die Autoren, diesmal zu dritt am Werke, Izu, Jason Henderson und Tony Salvaggio, klären bestehende Fragen über die Charaktere und ihre Herkunft. Beleuchtet wird, wie Matt Thurow, der ehemalige Kriminalbeamte, auf die schiefe Bahn geriet, indem er in eine Falle tappte. Hinter den Kulissen werden die Pläne der Geheimorganisation Golden Shell deutlicher, die sich mit der Ausbeutung des Energieträgers Luzifernum eine Vormachtstellung sichern möchte. Die Autoren wählen verschiedene, wenige Sequenzen, in denen sie ihre Geschichte treffsicher, pointiert zu Ende bringen und entfalten gleichzeitig einige für das Auge interessante Handlungsorte, die von Jean-Baptiste Hostache mit viel Sinn für die perfekte Perspektive umgesetzt werden (sofern er nicht entsprechende Vorgaben erhalten hat, versteht sich).
Die Rückblende ist Spannung pur, der Aufenthalt am und im Zug ein stilsicheres Vorgeplänkel, bevor schließlich mit einem Ball im Haus von Lord Oak, dem Chef der Golden Shell, eine Szenerie entsteht, die wie eine Hommage an die Eingangssequenz von True Lies wirkt. Dann sind alle Positionen verteilt und fast die gesamte zweite Hälfte ist als Finale anzusehen.
Das Finale: Von London in die Hölle. Der Energieträger hat nicht umsonst den Namen Luzifernum. Neben der technischen Komponente (beeindruckend anzusehen) kommt noch eine mysteriöse Komponente hinzu, aufgeworfene Fragen, deren fehlende Klärung allerdings nicht schlimm ist. (Denn dafür gibt es hoffentlich noch Fortsetzungen. Schließlich wird ganz bewusst das Ende dieses Zyklus verkündet.)
Sehr gut: Eine Geschichte wird in zwei Teilen abgeschlossen. Straff erzählt, sehr schön in seiner Gesamtheit gezeichnet, insbesondere im vorliegenden zweiten Teil koloriert. Jean-Baptiste Hostache ist ein Zeichner, von dem man sich als Comic-Fan mehr wünscht. Nicht nur für Steampunk-Fans, sondern auch für Comic-Leser, die SciFi, Mystery und Thriller mögen. 🙂
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