Wann stellen sich Heimatgefühle ein? Wann empfindet man ein Heim als Zuhause? Die Männer, Frauen und Kinder, die unter der Führung des ehemaligen Polizisten Rick Grimes den Weg in die kleine Enklave gefunden haben, wo hinter hohen Mauern so etwas wie Normalität existiert, haben sich noch lange nicht eingewöhnt. Besonders Rick, dem die Verantwortung aufgebürdet wurde und der sich nie darum gerissen hat, fällt ein normaler Alltag schwer. Zu sehr sind die Ängste noch wach, zu lange haben die Untoten ihn gelehrt, immer und stets wachsam zu sein und niemals in dieser Wachsamkeit nachzulassen. Man könnte auch sagen: Der Preis des Überlebens ist ewige Wachsamkeit.
Allerdings scheinen die Menschen, die sie in die Enklave (geht man davon aus, dass die von Untoten überrannten USA ein fremder Staat geworden sind) eingeladen haben, diese Ängste nur im Mindestmaß zu kennen. Waffen innerhalb des kleinen Ortes sind nicht erlaubt. Alles ist irgendwie in eine Friede-Freude-Eierkuchen-Atmosphäre getaucht, die auch vom Anführer der kleinen Gemeinde, Douglas, so gewollt ist. Doch Rick ist misstrauisch. Die Atmosphäre ist trügerisch, der Wille zu gut und die Fassade bröckelt. Denn es gibt Geheimnisse, mit denen die bisherigen Bewohner der Enklave nicht herausrücken wollen. Sehr bald treten Ereignisse ein, die Rick in seinem Misstrauen bestärken.
Normalität ist in einer Welt, in der ein ungeschützter Mensch aufgefressen werden kann, ein Fremdwort. Zwölf Folgen lang haben die Flüchtlinge, die Überlebenden um Rick Grimes nach einem sicheren Ort gesucht, einem Ort zum Durchatmen, wo die Gefahr auf ein Minimum reduziert ist. Kurz fanden sie ein Heim in einem Gefängnis. Der Gitterzaun hielt die Untoten draußen, die Lebenden schlossen sich freiwillig ein. Der neue Aufenthaltsort, eher eine Art Fort, der sich äußerlich wie ein gutbürgerlicher, amerikanischer Vorort ausnimmt, ist größer, schöner und doch gärt es unter der Oberfläche, denn mit den guten alten Vorteilen hielten auch die schlechten alten menschlichen Eigenarten Einzug.
Rick ist wieder Polizist und als solcher will er nicht nur nach außen beobachten. So kommen denn die Bedrohungen zunächst wieder von innen, nicht von außen. Robert Kirkman, Autor der Erfolgserie THE WALKING DEAD beschreibt eine Menschheit im Umbruch. Das Sehnen nach Vergangenem, die Umsetzung, die nicht mehr so funktionieren kann, wie man dachte. Bei genauer Betrachtung ist der Wilde Westen zurückgekehrt. Das Rechtssystem ist vereinfacht worden. Gefängnisse, lange Verhandlungen kann man sich nicht mehr leisten. Ist das Verbrechen zu schwerwiegend, gibt es nur noch ein Urteil: Tod.
Kirkman lässt seine Charaktere um Normalität ringen, besonders jetzt, da sie diese Normalität direkt vor Augen haben und danach greifen können. Jeder Verlust wird betrauert, weil damit stets ein Stück Zivilisation verloren geht, auch ein Stück Menschlichkeit, die man so sorgfältig aufgebaut glaubte. Für Charlie Adlard gibt es nach wie vor auch Zombies zu zeichnen, auch sind die Zeichnungen weiterhin in Schwarzweiß mit den Grautönungen von Cliff Rathburn, aber ein großer Teil der Handlung konzentriert sich auf das Miteinander der Menschen.
Fans der Reihe müssen selbstverständlich nicht auf die Untoten verzichten. Es gibt genügend Szenen, die eine hohe Gefährlichkeit des Lebens veranschaulichen. Da die Enklave noch nicht aus eigener Kraft produzieren kann, ist der Nachschub von außen Pflicht und sehr riskant. Wie riskant, wird von Adlard auf drastische Weise vor Augen geführt. Innerhalb der Enklave sind es Charakterzeichnungen, Gesichtsausdrücke, Blicke, Konstellationen, die ein regelrechtes Drama abbilden. Adlard, zwar nicht von den Anfängen der Reihe dabei, inzwischen aber ein Serienveteran, fängt auch diese atmosphärischen Bestandteile sehr schön ein.
Ein Wendepunkt, der nächste: Robert Kirkman hält die Spannung, die Abwechslung ist vielseitig, die Bedrohungen immer wieder anders. Doch diesmal lässt er den Leser auch mit einem Funken Hoffnung zurück. Aber nur einem ganz kleinen. Mehr gönnt Kirkman seinen Charakteren (noch) nicht. 🙂
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