Ein kleines Tal in den Pyrenäen wird zum entscheidenden Ort für die Zukunft Europas, vielleicht sogar der ganzen Welt. Während ein Weltkrieg tobt und die französischen Truppen versuchen, den Machanspruch ihres größenwahnsinnigen Herrschers, Herzog Lorraine, zu befriedigen, will dieser unbedingt seinen Anspruch als Nachfolger Christi in der Blutfolge zementieren. In seinem Schloss über dem Tal verläuft jedoch gar nichts seinen Erwartungen entsprechend. Verbündete, engste Vertraute begehen einen Verrat, dem der Herzog nicht mehr verzeihen kann. Jegliche Großmut ist aus ihm gewichen. So göttlich er sich geben will, so teuflisch ist er in Wahrheit geworden.
Julien Sauniere, ein Arzt, ist unabsichtlich durch einen Mord in die Wirren und Intrigen des Herzogs gezogen worden. Sicherlich lieben beide dieselbe Frau, doch Sauniere hatte sich von Genevieve zurückgezogen. Der Mord führt beide auf die Suche nach dem Heiligen Gral. Doch was ist der Gral? Immer noch scheinen dunkle Mächte im Hintergrund zu wirken. Magie wirkt auf und durch den Herzog. Was ist das Geheimnis des Tals und der blauen Äpfel? Sauniere, inzwischen von Herzog Lorraine gefangen gehalten und unter Folter befragt, ist der Lösung des Geheimnisses viel näher, als er glaubt und ganz anders auf der Spur, als er ahnt.
Arvid Nelson hat eine alternative historische Linie entwickelt und diese mit Mystery-Elementen versehen. Historisch angesiedelt in der Zeitzone des realen Zweiten Weltkriegs ist Zauberei nicht alltäglich, aber unterschwellig vorhanden und meistens eine Bedrohung. Die Atmosphäre ist dunkel und geheimnisvoll. Der Krieg, diesmal von Frankreich ausgehend und mit all den Anfeindungen behaftet, die auch der reale Krieg kannte, wird dem Leser in seinem großen Ganzen durch Zeitungslektüre nahe gebracht. Zugleich rückt der Leser durch die eigentliche Handlung ins Zentrum der Geschehnisse, genauer der Macht in Frankreich.
Sehr dicht im Rahmen, noch komplexer nach innen, zwischen den einzelnen Charakteren. In der dieser letzten Zusammenfassung der Ereignisse fühlt man sich an alte Schauergeschichten erinnert. Eine alte Burg überragt ein Tal und ein kleines Dorf. Ein Tyrann knechtet die Bevölkerung und seine Soldaten sind nur allzu gern bereit, seine brutalen Befehle auszuführen. Doch jede Knechtschaft endet. Hier ruft Arvid Nelson die Magie zu Hilfe, besser gesagt den Glauben, denn am Ende sind die Guten nicht von Gott verlassen.
Grafisch ist Juan Ferreyra dem Realismus verpflichtet. Ferreyra mag die klare eindeutige Bildkomposition ebenso wie die opulente Inszenierung. Die Präsentation des Heiligen Grals ist hierfür ein gutes Beispiel. In manchen Bildern nimmt er den Betrachter sehr schön mit ins Bild und legt mit seiner Bildsprache Hinweise aus. Eindeutig ist die Darstellung von Sauniere und Genevieve in der Haltung der Pieta, wie sie im Petersdom in Rom zu finden ist. (Kann übrigens auch in der Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin angesehen werden, nur mal so am Rande.)
Zum Gelingen der Bilder, zum Augenschmaus trägt auch die Kolorierung bei. Sicherlich per Computer bearbeitet wird trotzdem durch einen milchigen, lasierenden Farbauftrag die Imitation echter Farbe erzeugt. Das mag leichter zu korrigieren sein, ist aber zeitlich aufwändig und teilweise sehr intensiv betrieben worden. Überwiegend entsteht ein stimmungsvolles Farbfeuerwerk, das besonders zum Finale hin mit ungeheuer atmosphärischen Bildern aufzuwarten weiß.
Mystery-Fans können sich auf einen Gastbeitrag von Guy Davis freuen. Der Zeichner, bekannt von B.U.A.P., liefert ein grafisches Vorwort mit einer Kurzgeschichte, in der es um die Brechung eines uralten Fluches geht.
Letzter und abschließender Band der Reihe: Sehr dicht erzählt, packend durch die Darstellung verschiedener Schicksale, eine spannend aufgebaute Alternativwelt mit sorgsam eingesetzten Mystery-Elementen. Sehr empfehlenswert in seiner Gesamtheit. Die Kenntnis von Band 1 an ist für das Verständnis des Schlusses ein Muss. 🙂
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