Observieren, das bedeutet: Warten. Warten gibt Zeit zum Gespräch unter Kollegen, denn die meiste Zeit geschieht nichts. Man spricht, trotzdem bleibt eine gewisse Distanz. Das ist neu, Pierre Dragon merkt nichts. Ein Fehler, für den er sich später schämen wird. Es kann geschehen, dass man nicht alleine wartet. Wer aufmerksam ist, und Dragon ist aufmerksam, entdeckt Kleinigkeiten, so auch andere Fahrzeuge am Wegesrand, die mehr und mehr auffallen. Und wenn sich zwei verschiedene Abteilungen in die Quere kommen, entsteht nicht automatisch eine Zusammenarbeit. Ganz besonders dann nicht, wenn sich die Kollegen untereinander nicht ausstehen können.
Es gibt sie noch: Sklaverei, mitten in Europa. Der Ermittler Pierre Dragon, im Einsatz im weltstädtischen Paris, muss diese Erfahrung machen, während er sich mit Schleusern auseinandersetzt und geheimen Nähereien auf der Spur ist. In einer sehr realistischen Erzählweise, gerade heraus, schnörkellos, berichtet er über die langwierigen Ermittlungen, damit einhergehende Frustrationen und Erfolge, aber er erzählt auch vom Leben eines Kriminalbeamten allgemein, das weit entfernt ist von jenen Action-Knallern, die von Romanen und Filmen so gerne propagiert werden.
Pierre Dragon (Autor und Hauptfigur der vorliegenden Kriminal-Graphic-Novel haben denselben Namen), wirkt zunächst leidenschaftslo, unbeteiligt. Tatsächlich hat er sich ein dickes Fell zugelegt. Er kann charmant sein, wenn er will, ist aber damit nicht immer erfolgreich. Er hat Durchhaltevermögen und setzt sich für seine Ziele ein. Er ist ein Vollblutbulle, der sich auch durch Kollegen nicht in die Parade fahren lassen will. Sein Privatleben vermischt sich mit seinem Beruf. Seine Ehe ist dabei auf der Strecke geblieben. Sein bester Freund ist ebenfalls Polizist, seine neue Freundin lernt er durch den Beruf kennen.
Freunde neuerer französischer Kriminalgeschichten, härter, an Hollywood orientiert oder auch an streng konstruierten Thrillern aus dem Roman-Bereich, werden hier nicht so sehr fündig werden. Fans älterer Machart, fundierter, mit kernigen Charakteren, werden die Dichte der Erzählung, den versiert dargestellten Hintergrund und diesen besonderen Blick auf Paris sicherlich mögen. Die Figur des Pierre Dragon, für den ein Schauspieler wie Lino Ventura genau die richtige Wahl gewesen wäre, vereinnahmt den Leser von Seite zu Seite. Man lernt diesen kantigen Kerl zu schätzen.
Rückseitig findet sich ein Vergleich mit einem Schimanski-Tatort. RG, der Verdeckte Einsatz in Paris, ist echter, Dragon ist kein Schimanski, mitunter wütend, aber kein Prolet, jedenfalls nicht so wie der frühe Schimanski.
Frederik Peeters, Zeichner, führt seine Technik des ersten Teil rigoros fort. In einer Mischung aus Gerichtszeichnung, etwas Karikatur und auch gewohntem Comic-Eindruck entsteht ein Bild der Geschichte, das eine zweite, sehr starke Ebene ausmacht, in der weitere Informationen aus Gesichtern, Gestik und Kameraeinstellung herausgezogen werden können. Peeters bleibt dabei nah am Charakter, am jeweiligen Darsteller, weshalb der Eindruck eher der eines sehr guten Fernsehfilms entsteht, weniger der eines Blockbusters (um diese Vergleiche hier zu bemühen).
Es ist Februar, ein matschiggrauer Himmel liegt über Paris. Ein Sylvesterabend bringt Farbe an den Himmel, die sonst eher verhalten sind. Ab und zu, in den besseren Lebensmomenten von Dragon, wird die Farbe etwas bunter, kräftiger. Beim Abendessen mit seiner künftigen, bzw. neuen Freundin, in zärtlichen Momenten. Innerhalb von Büros, in Gebäuden im Flughafen wird realistischer ausgeleuchtet, aber draußen, besonders in der Nacht wird es unwirklich.
Echt inszeniert und dadurch echt gut: Der zweite Einsatz von Pierre Dragon vermittelt noch mehr Tiefe eines Polizistenalltags wie auch eines Polizistenlebens. Von Seite zu Seite intensiver. Empfehlenswert. 🙂
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