Die Männer auf der Yacht haben nicht mit einem Überfall gerechnet. Allerdings haben die afrikanischen Piraten, die sich vermummt und mit Schnellfeuergewehren bewaffnet dem weißen Schiff auf kleinen Motorbooten nähern, auch nicht mit dieser Form der Gegenwehr gerechnet. Denn die Männer an Bord der Yacht sind ein besonderes Kaliber, die in dieser Situation absolute Ruhe bewahrt und professionell die Angreifer abwehrt. Viel schneller als gedacht, ist die Situation bereinigt. Es ist eine kleine Zwischenepisode, bevor die Männer ihr nächstes Ziel ansteuern. So, als wäre nichts gewesen.
Keine Gnade: Während sich der Janitor mit dem Codenamen Trias alias Bruder Vince mit Albträumen plagt, passieren vor der Kulisse eines sonnigen Rio de Janeiro zwei Morde oder anders gesagt: Hinrichtungen. Denn so wird es von den beiden recht ungewöhnlichen Nazi-Jägern aufgefasst. Gerechtigkeit vor Gericht scheint ein Ding der Unmöglichkeit geworden zu sein, dennoch sollen die beiden, ein alter Mann und eine alte Frau, die im Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite schändliche Experimente im Namen des Rassenwahns begingen, ihrer Strafe nicht entgehen. Die vierte Episode von Der Janitor springt zunächst aus dem sehr fein aufgebauten Handlungsstrang heraus.
Yves Sente produziert einen Bruch, um schließlich die Handlungsstränge zusammenzuführen. Jahrzehnte in die Vergangenheit reichen die Linien, die sich schließlich in der Gegenwart kreuzen und Bruder Vince als verbindendes Element haben.
Die Wahl der Schauplätze sorgt für internationales Thriller-Flair. Im Comic müssen keine Kosten gescheut werden. Nach dem Start in Rio de Janeiro geht es auf hohe See vor die Küsten Afrikas. Ein Abstecher nach Rom (mit einer schönen Szeneneinstellung vor die Einzelteile der Konstantin-Statue) und ein Rückblick in ein vergangenes New York, genauer nach Harlem, komplettieren die Eindrücke. Yves Sente verschachtelt die Handlungsstränge sehr gut, setzt im richtigen Augenblick an anderer Stelle wieder an und hält so über die ganze Strecke die Spannung aufrecht.
So werden nicht nur die Bemühungen des Vatikans gegen jene geheimnisvoll im Untergrund operierende Organisation geschildert, sondern auch die Erinnerungen von Bruder Vince an seine Herkunft und die Geheimnisse, die damit einher gehen. Die Jagd auf die ehemaligen Angehörigen einer Führungsschicht des Dritten Reichs ist der Strang, der sehr aktionsbetont eingesetzt wird.
Francois Boucq pflegt als Zeichner einen feinen, schnellen, aber sehr genauen Strich. Hier ist Realismus Trumpf. Ähnlich wie ein Philippe Francq (Largo Winch) mit interessanten Ortsbildern arbeitet, sind die Schauplätze hier eine wichtige, stimmungsvolle Kulisse. Einige Spots zeigen zügig, wo die Handlung stattfindet, bevor sie in die Nebenschauplätze eintaucht. Von der Weite geht es in die Enge, so in Rio de Janeiro vom Corcovado hinein in ein Wellness-Center. Dieses wird nach der touristischen Atmosphäre zu Beginn zum Schauplatz eines brutal verübten Racheaktes.
Boucq zeichnet seine Figuren mit großer Individualität. Die beiden Nazi-Jäger als Beispiel genommen, ein älterer Mann und eine junge Frau, sind ein sehr gut aufeinander abgestimmtes Duo, ehemaliger KZ-Häftling und punkiger Racheengel. Bei all den Gesichtern, die starke Charaktere widerspiegeln, wirkt die Figur des Bruder Vince beinahe ein wenig neutral, zurückgenommen, aber auch wie ein direkt erkennbares gutes Gesicht, selbst in seinen beiden Rollen.
Eine sehr spannende, aber auch überleitende Episode aus der Geschichte des Janitors. Yves Sente versieht seinen Titelhelden mit noch mehr Tiefe, während Francois Boucq Rückblicke und Gegenwart von Bruder Vince cineastisch in Szene setzt. Die Kenntnis der bisherigen Geschichte ist jedoch ein Muss. 🙂
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