Ein Heulen ist in finsterer Nacht zu hören. Der kleine Junge, Bertrand Russell, liegt in seinem Bett und hört die unheimliche Laute mit Schaudern. Gerne würde er ergründen, was es damit auf sich hat. Ein Geheimnis scheint mit diesen Tönen einher zu gehen. Mehr noch. Ein Geheimnis liegt auch auf seiner Familie. Das Wissen um das Schicksal seiner Eltern wird ihm verwehrt. Auf eigene Faust macht sich Russell auf die Suche nach der Antwort. Dieser Antrieb, die Suche nach etwas, wird ihm Zeit seines Lebens begleiten, manchmal auch verfolgen. Nicht immer zum Guten, nicht immer ohne Widerstand und schon gar nicht auf leichten Füßen. Und nicht ohne Fehler zu machen, in der Mathematik wie im Leben.
Mathematik und Logik sind schwierige Felder, höchst komplex, kompliziert. Für die meisten Menschen sind es böhmische Dörfer oder aber nur interessant, wenn sich dadurch ein konkretes Anwendungsgebiet erschließt. Stellt sich die Frage: Wer sind die relativ wenigen Menschen, die sich mit Leidenschaft dafür interessieren, auf dem Gebiet der Mathematik forschen und ihr Leben dieser Wissenschaft widmen. Und im Zusammenhang mit Bertrand Russell, der im Mittelpunkt der Erzählung steht: Wie nah ist Philosophie am Leben des Menschen? Und: Braucht es dergleichen überhaupt?
Die Autoren Apostolos Doxiadis und Christos H. Papadimitriou haben den Mathematiker, Logiker und Philosophen Bertrand Russell als zentrale Figur gewählt. Im Rahmen einer Vorlesung, gehalten vor den Ereignissen im Jahre 1940, als die USA aktiv in den Zweiten Weltkrieg eingriffen, erzählt Russell über sein Leben und enthüllt Stück für Stück, welche Faszination für ihn Mathematik und Logik bedeuteten. Er berichtet vom Wahnsinn, der in der Suche nach Wahrheit zu finden ist. Mathematik erfordert Beweise, auch solche, die der menschliche Geist nicht sofort zu ergründen vermag, weshalb er lange gegen die sprichwörtlichen Windmühlen anrennt.
Was nützt ein Beweis, der auf etwas Unbewiesenem aufbaut?
Russell bezieht sich hier auf die Mathematik, aber er zeigt, dass diese Frage auf das Leben übertragbar ist. So ist der Schritt zur Logik nicht weit und von dort zur Philosophie noch viel kürzer. So wird es für Russell in der Tat Eine epische Suche nach Wahrheit. Die beiden Autoren zeigen ein interessantes wie auch spannendes Leben. Russell lebte allerdings kein fehlerfreies Leben. Auch wurde es ihm nicht allzu leicht gemacht. Sein hehres Ziel, zusammen mit seinem Freund, dem Mathematiker Alfred North Whitehead, der Mathematik einen soliden und beweisbaren Grundbau zu geben, wird nach 10 Jahren Arbeit erschüttert. Der Verlag ist nicht bereit das Werk auf eigene Kosten zu veröffentlichen.
Andere Ideen, die leicht und völlig unerwartet daher kommen, erschüttern auf einen Schlag die Bereiche Logik und Mengenlehre. Das Russell′sche Paradox, so Russell selber, so klein es sei, sei dasjenige Konstrukt, an das sich viele noch nach seinem Ableben erinnern werden, im Gegensatz zu anderen Schriftsätzen von ihm (derer es weitaus mehr gibt, als hier überhaupt Erwähnung finden). Russells Wertvorstellungen, auch im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen, zieht man die Mathematik heran, vermischen sich mit der echtenWelt. Er erlebt zwei Weltkriege. Letzterer wandelt seine pazifistischen Ansichten.
Vergleiche zur Realität, zur tatsächlichen Historie wie auch zu den Biographien der erwähnten Mathematiker, Logiker und Philosophen erübrigen sich. Sie haben existiert. Ob sie in dieser oder jener Situation tatsächlich so handelten, wie hier beschrieben, ist für die Erzählung und die diversen Aussagen der Geschichte nicht wichtig.
Ein interessantes Leben, eine leichtfüßige Sicht auf die Mathematik, die Logik und die Philosophie: Fragen und Antworten suchen als Lebenszweck. Niemals stehen bleiben, produktiv sein, vor allem: Eigene Gedanken und Selbstbewusstsein entwickeln. Das gesamte Team von Logicomix hat einen sehr schönen, mit 351 Seiten, inkl. Anhang, auch sehr umfangreichen Comic geschaffen, der in Ruhe gelesen werden will. Ein ungewöhnliches Projekt, ein Comic-Roman, der gleichzeitig einen geschichtlichen Abriss abseits von Russells Lebensweg zeigt. Sehr gut. 🙂
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