Freitag, 17. September 2010
Ein Schriftsteller sucht den perfekten Ort für seine Inspiration und für die nötige Ruhe, um seine Arbeit mit aller erforderlichen Konzentration zu machen. Sein Weg führt ihn zur Herberge am Ende der Welt. Freilich liegt die Herberge nicht dort, denn ein Ende der Welt gibt es wohl nicht. Ein Ende bewohnter Gegenden schon. In dem kleinen Ort, den der Schriftsteller Edgar Saint Prieux in einer regnerischen Nacht betritt, lebt nur noch eine Menschenseele. Alle anderen sind gegangen. Saint Prieux richtet sich in seinem neuen Domizil ein. Es ist, besonders bei diesem Unwetter, ein wenig unheimlich. Der Herbergsinhaber hingegen, der so lange einen Gesprächspartner entbehren musste, erkrankt und ist für ein wenig Pflege und Gesellschaft dankbar. Bald beginnt er seine Erzählung darüber, wie es mit dem kleinen Ort so weit kommen konnte.
Es waren einmal zwei Kinder, keine Königskinder, doch zusammenkommen sollten sie trotzdem nicht. Irena und Yann verstehen sich sehr gut. Es gibt keine der üblichen Hänseleien, wie sie zwischen Mädchen und Jungen sonst bestehen. Sieht ein aufmerksamer Betrachter die beiden zusammen, könnte der Eindruck einer Bestimmung entstehen. Doch eines Tages verschwindet Irena und ihre Mutter, die sie nach Hause hatte bringen wollen, wird ermordet aufgefunden. An diesem Tag ändert sich für Yann alles. Aus dem lebenslustigen Jungen wird ein gebrochener Charakter. Die Jahre vergangen und schließlich geschieht etwas sehr seltsames.
Menschen verschwinden. Menschen kehren zurück. Viele Geschichten ranken sich um dieses Grundthema. Meistens sind die Heimkehrer auf eine bestimmte Art verändert und zehren von Erfahrungen, um die sie ein Geheimnis machen. Auch Irena kehrt nach vielen Jahren zurück. Vom Vater sofort wiedererkannt, kann sie dennoch nicht mündlich bestätigen, dass sie Irena ist. Irena ist verstummt.
Tiburce Oger, bewandert in gruseligen, auch märchenhaften Geschichten, wie seine bisherigen Veröffentlichungen zeigen, nimmt den Leser auf eine Reise mit, deren Atmosphäre sich einschleicht. Zuerst ist es nur eine harmlose Geschichte. Ein Schriftsteller auf der Suche, zwei glückliche Kinder, bis sich, man möchte sagen klammheimlich, eine merkwürdige Stimmung einstellt. Oger wirft neue Fragen auf, indem er den Leser an der Seite des Schriftstellers langsam auf das Geheimnis zuführt. Damit dieses Kunststück (und es ist eines), braucht es einen Künstler, dessen Bilder diesen Vorgang unterstützen können.
Oger arbeitete bereits bei Canoe Bay mit Patrick Prugne zusammen. Prugne, der dort eine Geschichte aus der nordamerikanischen Kolonialzeit illustrierte, zeigte auch schon mit FOL, dass er sich mit märchenhaften Themen auseinandersetzen kann. Seine sehr weiche, glasige Aquarelltechnik kommt der Geschichte zugute. Manchmal nebelhaft aufgetragen, hin und wieder in unwirklich hellen Farben, selbst in dunklen Szenen, könnte seine Technik mit der Überschrift romantisch versehen werden.
Prugners Außenaufnahmen, die Ansichten des Hafenörtchens, der Küste, sind wunderschön. Das Interieur, mit all seinen Bildern, die einen Blick auf diese vergangene Zeit geben, auch die Sicht auf Innenhöfe und Marktplätze, verstärkt die Dichte der Atmosphäre und Geschichte. Dank Prugne entsteht die Grundlage für Die Herberge am Ende der Welt in einer handfesten, greifbaren Weltenbeschreibung, auf der Oger seine Handlung in kleinen sorgsamen Schritten ausbreiten kann.
Romantisch unheimlich: Eine geistvolle Geistergeschichte, in bestem Sinne französisch, packend, einfach schön vom bewährten Duo Tiburce Oger und Patrick Prugne in Szene gesetzt. 🙂
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Donnerstag, 16. September 2010
Es gab eine Zeit, als Fantasio noch nicht der rasende Reporter war. Rasend war er schon, im Sinne von überdreht und jederzeit bereit, sich mit einer neuen Arbeitsstelle um Kopf und Kragen zu bringen. Wieder einmal ist Fantasio auf der Suche nach Arbeit, für die er auch die richtigen Voraussetzungen mitbringt, als er auf eine Anzeige in der Zeitung stößt, in der Verkäufer für Fertighäuser gesucht werden. Nachdem er sich überzeugt hat, dass der Aufbau eines solchen Hauses wirklich einfach vonstatten geht, macht er sich, natürlich mit seinem Freund Spirou, auf den Weg an den Strand.
Franquin, deutlich beeinflusst von den Zeichentrickfilmen jener Zeit, 1946, bringt hier eine Slapstick-Komödie auf das Papier. Wer den überzogenen Charme von Komödien mit einem Louis DeFunes oder einem Jerry Lewis mag, fühlt sich hier auch gleich wohl. In ihrer Gestaltung erinnern die Figuren allgemein an jene Spielfiguren, deren Gliedmaßen ein Draht innewohnt, so dass sie nach Belieben in alle möglichen Positionen verdreht werden können. Schlaksig ist das richtige Wort, das Anwendung auf Spirou + Fantasio finden kann. Von karikaturhaftem Charme sind alle anderen Charaktere, von denen die meisten eher Statisten sind.
Radar, der Roboter: Nachdem die erste Geschichte im vorliegenden Spezial-Album, stellenweise ohne Text auskommen konnte, nicht nur Slapstick war, sondern auch eine Komik adaptierte, derer sich Chaplin, Keaton und andere bedienten, kommt nun eine Figur ins Spiel, der jede Mimik abgeht. Professor Samovar, Herr und Meister dieses Roboters und eine Art Vorläufer von Zyklotrop, plant nicht anderes als das Ende der Welt. Es finden sich eine Reihe von Ideen, die später bei Spirou und Fantasio noch Spaß machten, die aber auch in anderen Serien für humorige Verwirrung sorgten. Das Auto, das wie von Geisterhand ohne Fahrer unterwegs zu sein scheint, ist nur eine dieser Ideen.
Mehr noch: Die zweite Geschichte um den Roboter, erschienen von 1947 bis 1948, karikiert auch den Roswell-Zwischenfall, der sich nur wenige Monate vor dem Erscheinen der Handlung zutrug und für einigen Wirbel in der damaligen Presse sorgte. Ein Ballon mit einer gefährlichen Fracht geht auf einem einsamen Feld nieder. Sofort rücken Militär und Feuerwehr aus. Anstelle von Außerirdischen steht Radar, der Roboter, bereit, den beiden Freunden Schwierigkeiten zu machen. Und in der Tat erinnert die martialische Vorgehensweise von Spirou gegen den Automaten an die Verteidigung gegen außerirdische Invasoren.
Zum guten Schluss finden sich in der vorliegenden Ausgabe, die eine letzte Lücke in den bisher auf Deutsch erschienenen Werken Franquins schließt, vier Einseiter aus dem Herbst 1947, in denen Franquin zeigt, dass ein Meister kurzer Episoden war. Bei genauer Betrachtung findet sich die dort vorherherrschende Struktur auch in seinen längeren Geschichten wieder. Kaum eine Seite, die nicht einen bestimmten Abschluss oder auch einen Cliffhanger hat.
Für den Fan von Spirou und Fantasio führt an dieser Ausgabe kein Weg vorbei. Die frühen Werke von Franquin sind von seinem späteren Strich noch relativ weit entfernt und für den heutigen Blick sicherlich antiquiert. Für Comic-Interessierte ist es mehr als einen Blick wert, da sich in dieser Ausgabe mit einem gut aufbereiteten Anhang auch einiges über die Entwicklung des Comics ablesen lässt. Insgesamt sehr gut. 🙂
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Daken, Wolverines Sohn, gibt im Kostüm eine gute Figur ab. Auch in Sachen Wildheit braucht er sich vor seinem Vater nicht zu verstecken. Doch das kleine Bisschen Selbstbeherrschung fehlt im noch. Norman Osborn, dem es entgegen aller Erwartungen gelungen ist, eine Machtposition innerhalb der USA einzunehmen, indem er nicht nur die Nachfolgeorganisation von SHIELD mit dem Namen HAMMER übernahm, sondern auch noch seine eigenen RÄCHER unter seinen Fittichen hat, weiß um das Fehlverhalten seines Schützlings. Er versucht Daken in der Öffentlichkeit gut aussehen zu lassen. Doch damit hat er sich eine Aufgabe eingehandelt, die selbst den ehemaligen Grünen Kobold überfordert.
Dark Reign: Ein Ereignis im Marvel-Universum jagt das nächste. Die Machtpositionen haben sich wieder einmal verschoben. Figuren, die in ihren jeweiligen Positionen etabliert schienen, mussten sogar in den Untergrund abtauchen oder stehen wenigstens auf der falschen Seite.
Daniel Way und Marjorie Liu zeichnen sich verantwortlich für die in dieser Ausgabe abgeschlossene Handlung. Way, der bereits sehr viel Erfahrung mit Wolverine-Geschichten sammeln konnte, komplettiert hier, seine Entwicklungen, die er zu Dark Wolverine beigetragen hat. Daken ist ein psychotischer Charakter (eigentlich wie alle, die in dieser Ausgabe auftauchen), der glaubt, sein eigenes Spiel spielen zu können (auch wie alle anderen in dieser Ausgabe). Damit zeigt sich auch der Kern von Dark Reign: Jeder misstraut jedem. Und viele wollen den König, Norman Osborn stürzen. Lang lebe der König.
Als Leser verfolgt man die Bösewichter und gönnt ihnen ihr Versagen und das Scheitern ihrer Intrigen. Daken, der Held dieser Geschichte, ist eine Tötungsmaschine und ein Großmaul. Für alle anderen um ihn herum ist das eine äußerst schlechte Kombination. Stephen Segovia und Paco Diaz Luque arbeiten stilistisch Hand in Hand und setzen Daken in Szene. Beide vermischen westliche und östliche Bildansichten. Das Große, Kantige und das Überzogene der Figuren mögen sie aus der östlichen Hemisphäre übernommen haben. Manche Ansichten, vor allem Großaufnahmen, fallen deutlich weicher und westlicher, gewohnter aus. Insgesamt sind sie stilistisch nahe bei einem Leinil Francis Yu (Superman Birthright, auch Wolverine).
Die kantige Form der Figuren erinnert an Schaufensterpuppen. Eindeutig menschlich, aber auch stets eine Spur abstrahiert. Diese Abstraktion wird nicht nur durch eine sehr hart wirkende Tuschearbeit verstärkt. Auch die Farbgebung besticht durch häufige starke Kontraste und Abgrenzungen, die einen metallischen Effekt erzeugen und das Maskenhafte in vielen Szenen noch verstärken. Auf Action verstehen sich beide Zeichner, auch mit unterschiedlichsten und einfallsreichen Perspektiven wird nicht gegeizt.
Hart wirkende Bilder für einen harten Charakter, auch inhaltlich. Dieser Wolverine weckt nur Abscheu, aber gerade das lässt ihn als Gegenstück seines Vaters interessant werden. Ein Ausschnitt aus Marvels dunkelster Stunde, brutal, aber spannend. 🙂
Sonntag, 12. September 2010
Aromater, Königin des Ozeans. Eine Handelsstadt, die ihre besten Zeiten hinter sich hat. Die Gebäude sind prunkvoll, die Hafenanlagen bieten viel Platz, doch Schiffe liegen nur wenige am Kai vertäut. Storm, seine Freunde Rothaar und Nomad, sind erst kurz in der Stadt und fallen prompt auf. Genauer gesagt, Rothaar fällt auf. Die junge Frau weckt die Begehrlichkeiten eines alten Händlers. Dieser schickt seinen riesenhaften Leibwächter, um die Frau käuflich zu erwerben (immerhin). Zu seinem Pech haben weder Storm noch Rothaar Sinn für solche Anliegen. Ein Wort gibt das andere (auch Handgreiflichkeiten) und schon steckt Storm wieder im schlimmsten Schlamassel.
Plötzlich ist Storm der Siebte! Zwar ist die Menschenmenge um ihn herum vollends begeistert über das Kommen des Siebten, aber Storm bleibt zunächst misstrauisch, weiß er doch nicht, was dieser Rummel um den Siebten zu bedeuten hat. Leider liegt er mit seinem Misstrauen völlig richtig.
Die Sieben von Aromater: Abenteuer schweißen zusammen. Die drei Freunde, Storm, Rothaar und Nomad, erweisen sich hier einmal mehr als gelungene Konstellation. Der ehemalige Astronaut und Zeitreisende. Die junge Frau aus der Zukunft der Erde. Schlussendlich der rothäutige und bärenstarke Hüne aus der Welt von Pandarve. Martin Lodwijk und Don Lawrence haben gut überlegt, indem sie dieses Trio zusammenstellten. Das vorliegende Abenteuer beweist ihre Wirkung auf den Leser (angesichts der tollen Szenen könnte man auch Zuschauer sagen). Einer gerät in Schwierigkeiten. Bleiben zwei, um ihn da wieder herauszuholen.
Für die Schwierigkeiten haben sich die beiden Comic-Macher eine ungewöhnliche Variante einfallen, die über ein Entführungsszenario hinaus geht. Storm wird verwandelt. Fortan gehört er in der 1983 erstmalig erschienen Geschichte zu den Sieben von Aromater. Die robotisch aussehenden Kreaturen bieten einen kleinen Vorgeschmack auf die späteren Roboter von Danderzei (Band 18). Es gibt einen kurzen Anlauf zu Storms Befreiung. Der anschließende Rest des Albums, der Großteil, ist ein einziges Finale, dem zum guten Schluss auch noch ein spannender Epilog folgt.
Don Lawrence erhält nicht nur die Gelegenheit aus Rothaar ein metallenes Wesen zu gestalten, der Ritt auf einer Wasserhose bietet einen spektakulären Anblick, lange bevor dergleichen in Kino-Blockbustern zur Gewohnheit wurde. Wieder einmal experimentiert Lawrence auch mit Lava, kochendem Gestein. Er machte sich den gleißenden und gefährlichen Eindruck ebenfalls in Der Mörder von Eriban (Band 13) zunutze, bevor er ihn in Der lebende Planet perfektionierte.
Perfektion ist das Stichwort: Nachdem Lawrence seine Bilder im Erde-Zyklus von Storm oder auch in Trigan auf gewohnte Art malte (gewohnt gut, aber gewohnt), steigert er sich nun von Ausgabe zu Ausgabe. Manche Künstler finden in ihrem Schaffenswerk einen ganz besonderen Abschnitt oder auch ein bestimmtes Projekt. Im Vergleich seiner Bilder mit älteren Erscheinungen ist Storm augenscheinlich das Projekt, auf das er immer hingearbeitet zu haben scheint.
Immer besser und experimentierfreudiger: Don Lawrence hat noch nicht den Gipfel seines Schaffens mit dieser Ausgabe erreicht, weit entfernt davon ist er nicht. Ein spannender Meilenstein im Pandarve-Zyklus, ein künstlerischer Augenschmaus (ja, wie immer) und für Freunde besonders phantastischer Space Operas ein absolutes Muss. 🙂
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Manche Männer haben kein Glück. Manche Männer geben irgendwann auf. Sie vegetieren dahin, leben nicht mehr. Sie funktionieren und grübeln vor sich hin. So wie Jacob, der es nicht verwinden konnte, für den Tod seiner Frau verantwortlich gemacht zu werden. Wenn so einer, auch noch zur falschen Zeit am falschen Ort ist, geht alles andere auch noch den Bach runter. Der falsche Ort ist ein Diner in den frühen Morgenstunden. Leute, die nachts gearbeitet haben, kommen manchmal her zu dieser Zeit. Oder Leute, die kein geregeltes Leben führen. Jacob begegnet einem Pärchen dieser Kategorie und steckt prompt in Schwierigkeiten. Dummerweise glaubt er auf gewisse Weise auch galant zu sein. Oder vielleicht braucht er auch wieder eine Frau. Wahrscheinlich letzteres.
Ed Brubaker entwirft gerne Anti-Helden. Sie strahlen nicht, sie machen es dem Leser schwer, sie zu bemitleiden. Jacob arbeitet als Comicstrip-Zeichner für eine Zeitung. Seine Figur, der Privatdetektiv Frank Kafka, blickt ihm wie ein gemeiner und vorlauter Geist immer häufiger über die Schulter und gibt Anweisungen, die mit der Realität nicht immer viel zu tun haben. Zunächst jedenfalls. Jacob hat keine Freunde, eigentlich nicht einmal mehr ein Leben. Er lässt am Ende des Arbeitstages das letzte Bild seines Comicstrips unvollendet, um am nächsten Tag schneller den Einstieg wiederzufinden. Oder, diese Vermutung stellt sich schnell ein, um überhaupt einen Grund zu haben, jemals wieder aufzustehen.
Ed Brubaker gibt diesem Anti-Helden zu Beginn etwas Hoffnung, einen halb abgenagten Knochen im übertragenen Sinne. Jacob findet wieder Geschmack am Leben. Genug jedenfalls, um ihn anschließend noch tiefer ins Elend stürzen zu können. So schreibt Brubaker: Düster, stichelnd gegen seine Charaktere, gemein, auch brutal. Er beschreibt die Kehrseite eines amerikanischen Traums, so wie es viele seiner literarischen Kollegen in den USA machen. Der Traum ist tot, lang lebe der Alptraum. Tatsächlich scheint dieser für Jacob kein Ende zu nehmen.
Ein passender Zeichner für diesen Alptraum ist Sean Phillips, im positiven Sinne. Phillips trägt seine Striche hart auf, streifig, skizzenhaft. Selten sind die Striche vollkommen, noch sind sie sehr dünn angelegt. Phillips reißt die Szenen geradezu auf das Papier. Obwohl die Figuren nur hingeworfen scheinen, transportieren sie den Charakter sehr gut. Der Gesamteindruck ist jener der berühmten Schwarzen Serie, es herrscht eine ständige Dämmerung. Jacob verbirgt sich daheim, wird im Keller gefangen gehalten, treibt sich nachts herum, in Nachtclubs. Sean Phillips arbeitet in seiner Gestaltungstechnik sehr gerne mit Schatten. Einige wenige Striche formen die Bereiche im Licht, schwere Schatten sorgen für Volumen und Tiefe.
Ganz gleich welche Formen Phillips zeichnet, Menschen oder auch Straßenzüge, die Welt ist schwer, träge. Das ist gewollt, denn aus anderen Veröffentlichungen sind Variationen in den Bildtechniken von Phillips her bekannt. Selbst hier finden sich Abweichungen vom einmal eingeführten Stil, damit einzelne Bilder besonders hervorgehoben werden oder Szenen von der durchgehenden Erzählweise abgekoppelt scheinen.
Ed Brubaker ist wieder einmal gemein zu seinen Charakteren und wie es sich zeigt: Sie haben es allesamt verdient. Mit Sean Phillips als Künstler an seiner Seite ist ein eingespieltes Team entstanden, das gegen den üblichen Mainstream erzählt und Erfolg damit hat. 🙂
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Freitag, 10. September 2010
Hal Jordan absolviert seinen Testflug nicht mit dem nötigen Ernst. Warum sollte er auch? Er sitzt in einem Simulator. Erst nach einer neuerlichen Ermahnung gibt er sich Mühe. Eingeschlossen in der engen Testkapsel bemerkt er nicht, was sich draußen abspielt. Ein Raumschiff dringt in die Erdatmosphäre ein. In einer abgelegenen Gegend legt es eine Bruchlandung hin. Sein Pilot hat nur noch ein einziges Anliegen in seinem Todeskampf: Den Mann finden, der nach seinem Ableben sein Nachfolger im Green Lantern Corps werden soll. Auf dem Luftwaffenstützpunkt können die Mitarbeiter nur hilflos das Ergebnis eines seltsamen Ereignisses betrachten: Die Simulatorkapsel ist fort, samt ihrem Testpiloten Hal Jordan.
Green Lantern: First Flight. Bevor die Realverfilmung mit in der Hauptrolle in die Kinos kommt, können sich Fans der Grünen Leuchte aus dem Hause DC mit dieser gelungenen Comic-Umsetzung trösten. Hal Jordan, in der synchronisierten Fassung gesprochen von Boris Tessmann (dt. Stimme u.a. von David Boreanaz, bekannt aus Angel, Bones), ist ein Cowboy im sprichwörtlichen Sinne. Er hat ein Obrigkeitsproblem, das bei mehreren Gelegenheiten zutage tritt.
Jordans erster Vorgesetzter und Lehrer im Corps, Sinestro, geht nicht eben zimperlich mit Jordan um und ist in der Wahl seiner Verhörmethoden eher der härteren Gangart zugeneigt. Die Wächter von Oa, allesamt optisch perfekt umgesetzt und toll synchronisiert, können Jordan, da er ein Mensch ist, ohnehin kein Vertrauen entgegenbringen. Warum Abin Sur, Jordans verstorbener Vorgänger, ausgerechnet diesen Menschen als Nachfolger erkoren hat, ist den meisten Lanterns wie auch den Wächtern schleierhaft. Sehr bald zeigen sich Schwachstellen im System der Green Lanterns. Nicht nur die grüne Energiequelle, die für die Kraftringe zum Aufladen bereit steht, hat einen Makel, auch das Vertrauen der Wächter in Sinestro geht zu weit.
Die ruhigen Momente, in denen der Aufbau des Corps und seine Funktion gezeigt wird, sind die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Der Film wartet mit rasanten Szenen auf, in denen Hal Jordan zeigen darf, was er als Green Lantern bereits kann. Und der Zuschauer erlebt, wie wacker sich Jordan auch ohne Kraftring zu schlagen weiß. Das ist auch bitter nötig, denn die Fähigkeiten des Rings lassen die Träger nahezu unbesiegbar erscheinen. Erst der Wechsel von Sinestro von der grünen zur gelben Seite der Macht verschiebt das Ungleichgewicht im Kräftemessen. Es blitzt, flackert, rast, explodiert. Es gibt Zweikämpfe, auch Tote, so dass die Action nichts für die ganz kleinen Zuschauer ist.
Zwar kann nicht die gesamte Vielfalt des Lantern Corps eingefangen werden, aber der Ausschnitt hat es in sich. Allen voran weiß der grummelige Kilowog zu begeistern (sehr gut gesprochen von Tilo Schmitz, der deutschen Stimme von Hellboy). Die Unterschiedlichkeit der Lanterns war schon immer reizvoll. Insgesamt rissen die Geschichten um Hal Jordan und seine Nachfolger die Abenteuer ins All, wo gemäß der Möglichkeiten Gegner und Abenteuer deutlich außergewöhnlicher waren als in den Szenarien auf der Erde.
Inhaltlich gelungen, mit guten Charakterzeichnungen. Rasant erzählt, optisch gelungen. Ein sehr guter Soundtrack untermalt perfekt das Szenario. Der Einsatz guter Stimmen, im Original wie in der deutschen Synchronisation, gibt den Figuren Tiefe. Insgesamt tolle Comic-Unterhaltung. Viele Extras und Hintergrundinformationen warten auf den Fan außerdem in der Special Edition. 🙂
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Ein Piratenkapitän hat es auch nicht leicht. Storms Mannschaft ist von ihrem Kapitän nicht sehr angetan. Ein Piratenkapitän, der keine Beute verspricht, sieht sich schnell einer Meuterei gegenüber. Storms Mannschaft geht noch einen Schritt weiter. Als sich Storm und seine beiden Freunde kurz darauf auf einem kleinen Asteroiden ausgesetzt sehen, von dem es kein Entkommen zu geben scheint, findet sich doch noch eine, wenn auch recht ungewöhnliche Lösung, um zu entkommen. Aber die Schwierigkeiten fangen damit erst so richtig an. Denn Marduk, der verlängerte Arm Pandarves, hat es immer noch nicht aufgegeben, der Anomalie auf die Spur zu kommen. So nennt er Storm, von dem er sich einen Weg erhofft, die Herrschaft Pandarves ein für alle Mal abzuschütteln.
Martin Lodewijk verfolgt den in Ausgabe 11 noch relativ jungen Pandarve-Zyklus aus der Welt von Storm konsequent weiter. Storm muss sich an eine vollkommen neue Welt anpassen, ein Umstand, der einige Zeit erfordert. Hatte er durch seine Zeitreise in die Zukunft der Menschheit auch einige Veränderungen mitgemacht, ist der Sprung in ein anderes Universum weitaus gravierender, da Martin Lodewijk sich eine Welt mit vielen Eigenarten hat einfallen lassen. Durch Trabanten, unterschiedliche Gegenden und regionale Besonderheiten ergibt sich eine Fülle, die nie den Erzählstoff ausgehen lässt.
Don Lawrence, der als Künstler die Figur Storm von Beginn an gestaltet und begleitet hat, kann die angestammten Pfade in Anlehnung an eine vergangene Erde endlich verlassen. So kann er sich, das ist spürbar, auch optisch von der Erfolgsserie Trigan lösen und völlig neue Ideen umsetzen. Die Möglichkeit, im Weltraum zu surfen, bietet tolle Ansichten. Den Bildern ist nicht nur das Können des Künstlers anzusehen, auch sein Humor lässt sich immer wieder erkennen.
Einerseits gibt die Gestaltung einzelner Figuren selbst Anlass zu dieser Behauptung. Marduk, der Herrscher, den in dieser Episode Aufrührer stoppen möchten, ist eine gelungene Mixtur. Er wirkt wie die Karikatur eines Herrschers, gemischt aus einem Groucho Marx, einem Ming und einem Cäsar. Als Figur steuert er den notwendigen Humor bei, ein Element, das sich in jeder Episode wohl dosiert findet, nicht selten in Form einer oder mehrerer Gestalten. Durch Visfil, dem Diener Marduks, einem Sidekick, wird die Figur des Herrschers noch verstärkter zur Lachnummer.
Bewundernswert ist die grafische Technik von Don Lawrence. Dank des hoch auflösenden Drucks sind die feinen Farbstriche einzelnen erkennbar. Die Arbeit, die der Farbauftrag mit sich brachte, ist in jedem noch so kleinen Bild ersehbar. Lawrence arbeitete gerne mit starken Farbkontrasten. Er setzte Lichter aus Beleuchtungskonsolen in den Hintergrund und beeindruckte durch besonders phantasievolle Kostüme der hier auftretenden Gaukler und Artisten. Eine sehr variable Seiteneinteilung sorgt einerseits für eine gute Dynamik im Gesamteindruck, andererseits gibt er sich für jede Szene stets genügend Freiraum.
Grafisch beeindruckend, von einem Meister seines Fachs: Ohne Computer! Optische Qualität findet sich in jeder Szene auf jeder Seite. Die Feinheit von Farbe und Formen sowie Ideenreichtum in grafischer Umsetzung und Erzählung ist und bleibt spitze. Nicht unerreicht, aber im Comic-Genre nur sehr selten anzutreffen. 🙂
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Mittwoch, 08. September 2010
Roland kehrt auf sein Lehen zurück, nur um zu erfahren, dass König Artus von den Aufsässigkeiten seines Untertanen erfahren und ihm die Verwaltung des Lehens entzogen hat. Als Heißsporn, der Roland nun einmal ist, lässt er unwirsch alles hinter sich und reitet, wohin der Wind ihn führt. An einem einsamen Strand, weiteren Demütigungen entkommen, versucht er Ruhe zu finden und Einkehr zu halten. Da bemerkt er in der Brandung Schiffstrümmer und einen menschlichen Körper. Jemand hat Schiffbruch erlitten. Schnell ist Roland herbei und zieht den Unglücklichen an Land. Als in der einbrechenden Dunkelheit ein unheimlicher Ton vom Meer her ertönt, ist der ehemals geschundene Fremde stark wie Berserker. Allerdings nur kurz, dann übermannt ihn die völlige Erschöpfung.
Und schon steckt Roland wieder zum Hals in einem neuen Abenteuer, wie er es sich nicht erträumt hat. Vergessen sind die Querelen mit König Artus. Francois Craenhals setzt im vorliegenden zweiten Sammelband der Reihe um Roland, Ritter Ungestüm mit drei Abenteuern die Geschichten um das Leben des Heißsporns fort. Das Nebelhorn, Die heilige Harfe und Das Geheimnis des König Artus führen Roland in die Welt der Wikinger, der Iren und an den Hof des legendären König Artus.
Hexerei ist im Spiel. Oder vielleicht auch eine Art Hypnose. Roland gerät in eine Intrige und gleichzeitig an eine ganz besondere Gegnerin. Die von Craenhals entworfene Geschichte ist gleich von Beginn an spannend. Der rätselhafte Fund erinnert an neuere Geschichten um mysteriös an den Strand geworfene Verletzte. Dieser hier hat jedoch ein intaktes Gedächtnis. Doch er wurde konditioniert und ist zeitweise nicht Herr seiner Handlungen. Rolands Gegnerin ist eine Priesterin, machtvoll, von ihrem Volk respektiert und dezent hervorgehoben, indem eine Gesichtshälfte vollkommen schwarz gezeichnet ist. Craenhals lässt seinen Helden hier von einer Messerschneide auf die nächste tanzen.
War ein Nebelhorn der Auslöser des ersten Abenteuers, ist ein scheinbar harmloser Gegenstand wie eine Harfe im zweiten Abenteuer der Stein des Anstoßes. Und war es das Aufbegehren eines Einzelnen gegen das Schicksal, ist es nun der Wille zur Freiheit, der die Iren gegen ihre Besatzer, die Wikinger, zu Felde ziehen lässt. Dieses Abenteuer ist nicht weniger spannend, allerdings etwas dichter, mit echter wirkenden und auch sympathischeren Charakteren. Craenhals lässt sich sogar einen leicht mythologischen Kampf entspinnen, der auch optisch seinen Reiz hat.
König Artus! Mehr muss man nicht sagen. Diese fabelhafte Königsgestalt, ihre Sage, die Tafelrunde bieten reichlich Material zur Handlungsgrundlage. Craenhals hingegen weicht von der gängigen Darstellung ab. Plötzlich ist Artus unnachgiebig, sogar nachtragend und sogar ein wenig intrigant. Warum er sich so verhält, liegt in seinem Geheimnis begründet, das Craenhals weitaus verschachtelter als in den vorherigen Abenteuern langsam lüftet.
Die verschieden aufgebauten und abwechslungsreichen Abenteuer wissen durch eine versierte grafische Umsetzung zu überzeugen, die nach all den Jahren immer noch sehr gut ist. Francois Craenhals verstand sich auf optisch ansprechende Aktionsszenen ebenso wie das Kammerspiel. Sicherlich war er auch inspiriert von bekannten Kinofilmen seiner Zeit (eine Annahme die durch die Informationen im Anhang gestützt wird). Manchmal ist die Inszenierung ein wenig theatralisch, aber das lässt die Umsetzung umso wärmer, liebevoller erscheinen als manche neuere Rittergeschichten, die zuweilen mechanisch kühl sind und moderne Verhaltensweisen auf alte Zeiten übertragen.
Herrlich abenteuerliche, auch romantische Unterhaltung mit ritterlichen Helden, Fieslingen auf der anderen Seite. Mit heldenhaften Kämpfen, Intrigen und wie bereits im ersten Sammelband einfach schön in Szene gesetzt. 🙂
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Dienstag, 07. September 2010
Das zerbrechliche Gefüge des Jenseits, des Fegefeuers, droht in einem Aufruhr der Toten zerstört zu werden. Die Anführer einer Vereinigung, die sich selbst den Namen Bruderschaft des Abgrunds gegeben haben, werden von der Obrigkeit gefangen gesetzt und sollen letztlich hingerichtet werden. Ein Akt, darüber scheinen sich die Beteiligten bewusst zu sein, der nur von relativ kurzer Dauer ist, da die Seelen einst wiederkehren werden.
Eine Welt der Illusionen, eine Endstation. Das Licht der Sterne durchbricht die Dunkelheit und schenkt nur wenig Licht. Autor und Zeichner Eric Liberge hat in den ersten beiden Bänden eine Welt jenseits des Todes kreiert, die einer Ansicht einer griechischen Unterwelt nahe, jedoch viel raumgreifender und weitaus bizarrer ist. Der Held der Geschichte, mittlerweile unter seinem neuen Namen Monsieur Mardi-Gras unterwegs, starb durch eine Lappalie und hat keinen sehnlicheren Wunsch, als wieder in die Welt der Lebenden zurückzukehren.
Eric Liberge hat eine hoch komplexe Geschichte geschaffen, die es allein schon durch die Wucht ihrer Bilder schafft, den Leser in seinen Bann zu ziehen. Es ist eine Welt ohne optische Grenzen. Ob Monsieur Mardi-Gras sein früheres Ich riesenhaft zwischen den Sternen erkennt oder ob einzig für ihn gigantische Grabmäler vor dem Hintergrund des Weltalls erscheinen, immer ist der Anblick faszinierend und bannend. Auf einer ganzen Seite betritt der Leser zusammen mit Mardi-Gras das Tor zum Kreis des Hochmuts. Selten war das Totenreich derart schaurig schön.
Mit sehr fein gezeichneten Linien, die in den Bildern, gerade bei der Darstellung der Skelette, beinahe zu zerbrechen drohen, baut Liberge seine Grafiken vordergründig auf. Demgegenüber stehen die fetten, schwarzen Flächen des Weltalls, durchsetzt von haarfeinen Trümmern oder die Ruinen, in denen Victor Tourterelle (der Name, den Monsieur Mardi-Gras in der Welt der Lebenden inne hatte) herumirrt, verfolgt für seine Vermessenheiten und seine Eitelkeiten. Dann explodiert regelrecht die Hölle.
Es ist keine Hölle, wie der Leser sie aus anderen Darstellungen gewöhnt sein mag. Sie ist nicht rot und heiß. Sie ist düster, grau, bräunlich, grünlich verdorben, in kaltes Blau gehüllt. Sie sieht eingeäschert aus, trostlos, leer, hohl. Eric Liberge ist ein trefflicher Blick auf das Ende von allem gelungen. Hier wächst nichts, keine Hoffnung, nicht einmal Leid. Es ist einfach nur öde Leere, angefüllt mit Trugbildern, die schattenhaft aufplatzen, angreifen und verpuffen. Ebenso wie es die Hauptfigur immer wieder trifft und abstraft, schafft es auch Liberge magische Bilder entstehen zu lassen, die diese wahnsinnigen Momente perfekt vermitteln.
Nichts für jedermann: Die Geschichte, die unter Knochen handelt, ist Tragödie, Drama, Niedergang einer Welt und eines Einzelnen. Die unterschwellige Frage, ob da sonst gar nichts mehr ist, wird furchtbar und ebenso bar aller Hoffnung beantwortet. Weiterhin ungewöhnlich im Comic-Genre, aber auch ungewöhnlich gut. 🙂
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Montag, 06. September 2010
Während draußen die Gläubigen jedweder Religion in heller Aufregung sind, die Presse verzweifelt versucht einen Blick auf das Geschehen im Inneren der riesigen Kathedrale zu werfen, tobt drinnen ein Kampf, den die Welt noch nie gesehen hat. Selbst Yiu, die sich überreden ließ, ein kleines Team anzuführen, müsste sich an dieser Stelle eingestehen, dass Hilfe Not tut. Allerdings schrumpft dieses Team auch bedenklich und mit ihm die Hoffnung auf einen Sieg. Yiu gibt alles. Für jemanden, der als einer der besten Killer in dieser ohnehin verflucht gewalttätigen Gesellschaft gilt, ist das eine verdammt große Menge an Können, Schweiß und Blut. Und alles nur aus einem Grund, der aufrichtiger nicht sein könnte. Yiu riskiert ihr Leben einzig, um ihren kleinen Bruder Ji-A zu retten.
Plötzlich bluten die Herzen. Und nicht nur das. Doch nach vielen Kämpfen, manche würde es Gemetzel nennen, sind diese, vergleichsweise kleinen Wunden, die in aller Stille anrühren. Das Autorentrio Tehy, Guenet (gleichzeitig als Zeichner hier vertreten) und J.M. Vee lassen nach einem fulminanten Kampf etwas Ruhe einkehren. Es gibt kaum einen optischen Vergleich, für diese Auseinandersetzung, die von den drei Machern hier aufgefahren wird. Ein Wesen, ein Anti-Gott, der Kraft seiner Stimme, Gegner in Flammen aufgehen lassen kann, stellt für ihre Heldin Yiu eine immense Herausforderung dar. Nach allem, was Yiu bereits erledigt hat (im wahrsten Sinne des Wortes), gerät die zerbrechlich wirkende Frau an ihre Grenzen.
Obwohl die Welt um Yiu herum, diese moderne Apokalypse, vielschichtig angelegt ist und ungeheuer viele Details die Darstellung bereichern, steht nicht die Science Fiction im Vordergrund. Yiu ist ein Sci-Fi-Fantasy-Kracher. Jedes einzelne Bild von Guenet belegt diese Aussage. Wenn er in bester Schwermetall-Manier Massenszenen über die Seite ausbreitet oder in Breitwandoptik seitenübergreifend malt, dann liegt dem Leser hier echtes Action-Kino im Albenformat vor.
Ein milchig, mit deutlich sichtbarem Pinselstrich geschaffener Farbauftrag taucht die Bilder in ein zumeist feuriges Licht. Überall schießt und brennt es. Es explodiert, platzt, stürzt ab, geht in Flammen auf. Das darf man nicht ernst nehmen. Entsprechend wirkt die Figur des antichristlichen Wesens, so hoch wie ein Einfamilienhaus und unkaputtbar, alptraumhaft, unrealistisch, fast schon wie eine Kreation von Clive Barker, der eine besonders abscheuliche Gestalt für sein Hellraiser-Universum schaffen wollte.
Die gesamte Konstellation, die Erzählung wie auch die Grafiken, ist eigentlich eine derartige Überspitzung, so dass sämtliche Erscheinungen in Sachen Horror und Science Fiction hier über den Leisten gezogen werden. Wenn zig religiöse Gemeinschaften auf einem riesigen Schlachtfeld in den Kampf der letzten Tage ziehen, wenn der Anti-Gott sich immer wieder regeneriert, machtvoll ist und trotzdem den Hass von Yiu lernen will, dann schwelgen Tehy, Guenet und Vee geradezu in einem Bombastepos, dessen erzählerische Grenzen nach oben offen sind. Alles ist möglich.
Wer auf knallharte Action steht, sollte einen Blick in diese Achterbahnfahrt werfen. Selten musste ein Action-Held derart viel aushalten, selten wurde ein Konzept so strikt durchgezogen. Würde der Text einen nicht zum Lesen zwingen, würde sich die Umblättergeschwindigkeit von Seite zu Seite erhöhen. Action-Kino im Albenformat! Aber nichts für schwache Nerven. 🙂
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