Tibet, 1987: Die Expedition wird freundlich empfangen, allerdings nur, da sie Geschenke im Gepäck hat. Nämlich Waffen. Der Aufenthalt bei den Mönchen währt nur kurz. Die Forscher machen sich an den Aufstieg. Als sie das Basislager in über 6.000 Metern Höhe erreichen, erwartet sie ein grauenhaftes Bild. Sämtliche Männer, die dort auf sie warteten, wurden auf bestialische Weise getötet. Seltsamerweise scheint das den Ausrichter der Expedition nicht weiter nervös zu machen, wertet er das Massaker doch als Beweis für seine Theorie von der Existenz eines mysteriösen Wesens: Des Yeti.
Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich erträumen lässt: Jedenfalls bringt Christophe Bec mehr Tiere wieder ins Leben zurück, als unsere Schulweisheit noch am Leben glaubte. Carcharodon Megalodon, ein urzeitlicher Riesenhai, gegen den der Große Weiße Hai ein Fischstäbchen ist, hat nicht nur in großer Tiefe überlebt, Exemplare seiner Art haben auch den Weg an die Oberfläche gefunden. Rückblicke zeigen eine Begegnung der besonderen Art, die allein schon ausgereicht hätte, um einen SciFi-Thriller zu entwerfen.
Christophe Bec ist jedoch kein Autor, der mit Ideen und Einfällen geizt. In der zweiten Episode von Carthago mit dem Untertitel Die Challenger-Tiefe verwebt Bec wissenschaftliche Fakten geschickt mit technischen Möglichkeiten. Er lässt sich durchaus auch von Romanen oder Filmen inspirieren und beschwört hier eine Art modernes Jules-Verne-Szenario herauf. Ein steinreicher Unternehmer will einem Rätsel auf den Grund gehen und scheut dafür keine Untat, auch Entführung und Erpressung nicht.
Die Fahrt geht in die absolute Tiefe des Ozeans, knapp 11.000 Meter hinab, in die ewige Finsternis. Während unten die Rätsel ergründet werden, ist das Rätsel oben sehr lebendig und treibt sein Unwesen. Während verschiedene Organisationen gegen die Bedrohung angehen wollen, auf ihre Art und in unterschiedlichen Situationen, wissen manche Naturvölker bereits seit langem viel mehr, was sich im Verborgenen auf der Erde abspielt. Geschickt gestreute Informationen, Schnippsel, halten die Aufmerksamkeitsspanne hoch, legen aber auch viele lose Enden aus, die wieder zusammengeführt werden wollen.
Eric Henninot entwirft zu dieser Geschichte Szenen, die geradewegs aus einem entsprechenden Film stammen könnten. Wenn im Jahre 1915 ein U-Boot von einem Kronosaurus angegriffen wird, ist das ein ganz klein wenig Jurassic Park (1990), vielleicht auch ein wenig Lost World (1912). Die Inspiration reicht sicherlich zurück bis zu einem Sir Arthur Conan Doyle. Irritierend in diesem Erzählstil, nichts, wofür Henninot etwas könnte, ist die Sprunghaftigkeit und die teilweise zerhackt wirkende Szenerie. So schön die Szene um den Kronosaurus auch ist und ein Puzzleteil des Gesamträtsels darstellt, zerreißt sie zunächst den Haupthandlungsstrang.
Henninot schafft in jedem Fall sehenswerte Szenen, die genau choreographiert sind. Der Rückblick, der nach Tibet ins Jahr 1987 führt und geradewegs zu einem ganz besonders aufregendem Bild, ist derart spannend ausgeführt, dass man als Leser wahrhaft traurig, dass es dort nicht weitergeht. Die Strichführung ist zart, zerbrechlich wirkend und auf das Allernötigste beschränkt. Außenlinien, Konturen, Falten, das ist alles. Da muss jeder Strich sitzen. Verrutschungen von Gesichtern, die in Perspektiven manchmal nicht so aussehen, wie sie aussehen sollten, gibt es bei Henninot nicht. (Bei Bec, wenn er zeichnet, schon. Deshalb die Anmerkung.) Henninot ist Perfektionist bis ins notwendige Detail.
Die Sanftheit der Zeichnung findet sich in der Kolorierung wieder. Es gibt weiterhin keine harten Schatten. Sehr leichte Verläufe, sanftes Computerairbrush, das eher allgemein aufgetragen ist, ohne körperlichen Konturen im Besonderen zu folgen. Das funktioniert durchaus bei dieser strikten Einhaltung. Wäre mehr Wert auf Volumendarstellung gelegt worden, hätten die Bilder eine größere Pracht entfalten können.
Ein grafisch sehr ansprechender SciFi-Techno-Thriller. Wer von BBC-Produktionen zum Thema Urzeit fasziniert war, Jurassic Park mochte oder auch Primeval, der sollte einen Blick riskieren. 🙂
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