Manche Männer haben kein Glück. Manche Männer geben irgendwann auf. Sie vegetieren dahin, leben nicht mehr. Sie funktionieren und grübeln vor sich hin. So wie Jacob, der es nicht verwinden konnte, für den Tod seiner Frau verantwortlich gemacht zu werden. Wenn so einer, auch noch zur falschen Zeit am falschen Ort ist, geht alles andere auch noch den Bach runter. Der falsche Ort ist ein Diner in den frühen Morgenstunden. Leute, die nachts gearbeitet haben, kommen manchmal her zu dieser Zeit. Oder Leute, die kein geregeltes Leben führen. Jacob begegnet einem Pärchen dieser Kategorie und steckt prompt in Schwierigkeiten. Dummerweise glaubt er auf gewisse Weise auch galant zu sein. Oder vielleicht braucht er auch wieder eine Frau. Wahrscheinlich letzteres.
Ed Brubaker entwirft gerne Anti-Helden. Sie strahlen nicht, sie machen es dem Leser schwer, sie zu bemitleiden. Jacob arbeitet als Comicstrip-Zeichner für eine Zeitung. Seine Figur, der Privatdetektiv Frank Kafka, blickt ihm wie ein gemeiner und vorlauter Geist immer häufiger über die Schulter und gibt Anweisungen, die mit der Realität nicht immer viel zu tun haben. Zunächst jedenfalls. Jacob hat keine Freunde, eigentlich nicht einmal mehr ein Leben. Er lässt am Ende des Arbeitstages das letzte Bild seines Comicstrips unvollendet, um am nächsten Tag schneller den Einstieg wiederzufinden. Oder, diese Vermutung stellt sich schnell ein, um überhaupt einen Grund zu haben, jemals wieder aufzustehen.
Ed Brubaker gibt diesem Anti-Helden zu Beginn etwas Hoffnung, einen halb abgenagten Knochen im übertragenen Sinne. Jacob findet wieder Geschmack am Leben. Genug jedenfalls, um ihn anschließend noch tiefer ins Elend stürzen zu können. So schreibt Brubaker: Düster, stichelnd gegen seine Charaktere, gemein, auch brutal. Er beschreibt die Kehrseite eines amerikanischen Traums, so wie es viele seiner literarischen Kollegen in den USA machen. Der Traum ist tot, lang lebe der Alptraum. Tatsächlich scheint dieser für Jacob kein Ende zu nehmen.
Ein passender Zeichner für diesen Alptraum ist Sean Phillips, im positiven Sinne. Phillips trägt seine Striche hart auf, streifig, skizzenhaft. Selten sind die Striche vollkommen, noch sind sie sehr dünn angelegt. Phillips reißt die Szenen geradezu auf das Papier. Obwohl die Figuren nur hingeworfen scheinen, transportieren sie den Charakter sehr gut. Der Gesamteindruck ist jener der berühmten Schwarzen Serie, es herrscht eine ständige Dämmerung. Jacob verbirgt sich daheim, wird im Keller gefangen gehalten, treibt sich nachts herum, in Nachtclubs. Sean Phillips arbeitet in seiner Gestaltungstechnik sehr gerne mit Schatten. Einige wenige Striche formen die Bereiche im Licht, schwere Schatten sorgen für Volumen und Tiefe.
Ganz gleich welche Formen Phillips zeichnet, Menschen oder auch Straßenzüge, die Welt ist schwer, träge. Das ist gewollt, denn aus anderen Veröffentlichungen sind Variationen in den Bildtechniken von Phillips her bekannt. Selbst hier finden sich Abweichungen vom einmal eingeführten Stil, damit einzelne Bilder besonders hervorgehoben werden oder Szenen von der durchgehenden Erzählweise abgekoppelt scheinen.
Ed Brubaker ist wieder einmal gemein zu seinen Charakteren und wie es sich zeigt: Sie haben es allesamt verdient. Mit Sean Phillips als Künstler an seiner Seite ist ein eingespieltes Team entstanden, das gegen den üblichen Mainstream erzählt und Erfolg damit hat. 🙂
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