Das zerbrechliche Gefüge des Jenseits, des Fegefeuers, droht in einem Aufruhr der Toten zerstört zu werden. Die Anführer einer Vereinigung, die sich selbst den Namen Bruderschaft des Abgrunds gegeben haben, werden von der Obrigkeit gefangen gesetzt und sollen letztlich hingerichtet werden. Ein Akt, darüber scheinen sich die Beteiligten bewusst zu sein, der nur von relativ kurzer Dauer ist, da die Seelen einst wiederkehren werden.
Eine Welt der Illusionen, eine Endstation. Das Licht der Sterne durchbricht die Dunkelheit und schenkt nur wenig Licht. Autor und Zeichner Eric Liberge hat in den ersten beiden Bänden eine Welt jenseits des Todes kreiert, die einer Ansicht einer griechischen Unterwelt nahe, jedoch viel raumgreifender und weitaus bizarrer ist. Der Held der Geschichte, mittlerweile unter seinem neuen Namen Monsieur Mardi-Gras unterwegs, starb durch eine Lappalie und hat keinen sehnlicheren Wunsch, als wieder in die Welt der Lebenden zurückzukehren.
Eric Liberge hat eine hoch komplexe Geschichte geschaffen, die es allein schon durch die Wucht ihrer Bilder schafft, den Leser in seinen Bann zu ziehen. Es ist eine Welt ohne optische Grenzen. Ob Monsieur Mardi-Gras sein früheres Ich riesenhaft zwischen den Sternen erkennt oder ob einzig für ihn gigantische Grabmäler vor dem Hintergrund des Weltalls erscheinen, immer ist der Anblick faszinierend und bannend. Auf einer ganzen Seite betritt der Leser zusammen mit Mardi-Gras das Tor zum Kreis des Hochmuts. Selten war das Totenreich derart schaurig schön.
Mit sehr fein gezeichneten Linien, die in den Bildern, gerade bei der Darstellung der Skelette, beinahe zu zerbrechen drohen, baut Liberge seine Grafiken vordergründig auf. Demgegenüber stehen die fetten, schwarzen Flächen des Weltalls, durchsetzt von haarfeinen Trümmern oder die Ruinen, in denen Victor Tourterelle (der Name, den Monsieur Mardi-Gras in der Welt der Lebenden inne hatte) herumirrt, verfolgt für seine Vermessenheiten und seine Eitelkeiten. Dann explodiert regelrecht die Hölle.
Es ist keine Hölle, wie der Leser sie aus anderen Darstellungen gewöhnt sein mag. Sie ist nicht rot und heiß. Sie ist düster, grau, bräunlich, grünlich verdorben, in kaltes Blau gehüllt. Sie sieht eingeäschert aus, trostlos, leer, hohl. Eric Liberge ist ein trefflicher Blick auf das Ende von allem gelungen. Hier wächst nichts, keine Hoffnung, nicht einmal Leid. Es ist einfach nur öde Leere, angefüllt mit Trugbildern, die schattenhaft aufplatzen, angreifen und verpuffen. Ebenso wie es die Hauptfigur immer wieder trifft und abstraft, schafft es auch Liberge magische Bilder entstehen zu lassen, die diese wahnsinnigen Momente perfekt vermitteln.
Nichts für jedermann: Die Geschichte, die unter Knochen handelt, ist Tragödie, Drama, Niedergang einer Welt und eines Einzelnen. Die unterschwellige Frage, ob da sonst gar nichts mehr ist, wird furchtbar und ebenso bar aller Hoffnung beantwortet. Weiterhin ungewöhnlich im Comic-Genre, aber auch ungewöhnlich gut. 🙂
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