Sonntag, 26. September 2010
Das Feuer brennt hoch, breitet sich ungehemmt aus und vernichtet die Stadt mit Mann und Maus, mit Freund und Feind. Der Herrscher tötet sein eigenes Volk und wirft für den Sieg eine komplette Stadtbevölkerung in die Waagschale. Längst treibt der Größenwahn ihn voran, längst steht die Vernichtung über allem. Nach diesem Feind die ganze Welt. Grenzen existieren nicht mehr. Slhoka, mit einer einzigartigen und mächtigen Gabe versehen, will eigentlich seine Geliebte retten, die nicht mehr Herr ihrer Sinne ist und über eine ähnliche Macht verfügt wie er. Doch wird er immer tiefer in diesen Krieg hineingezogen, von dem er eigentlich nichts mehr wissen will, nicht ahnend, dass Götter im Hintergrund ihre Fäden stetig dichter um ihn weben.
Lange hat es gedauert, aber jetzt liegt der abschließende 4. Band des ersten Slhoka-Zyklus vor und wartet mit einem Finale auf, das sich gewaschen hat. Leser der ersten drei Bände müssen sich auf einen neuen Zeichner einstellen. Der bisherige Künstler, Adrien Floch, wird von Ceyles abgelöst. Floch, dessen Arbeiten von den Schiffbrüchigen von Ythag her bekannt sind, hat die Hürde für einen Nachfolger hoch gehängt, aber Ceyles schafft den Satz darüber ohne Mühen.
Während Floch eher ein Skizzierer ist, der den leichten Stil auch in der Endform beibehält, ist Ceyles strenger, sauberer. Fans von Fantasy-Szenarien mögen seine Technik, obwohl sie nahe an Flochs Grafiken heranreichen, eher in der Linie eines Jean-Pierre Danard (Marlysa) sehen, also deutlich verspielter, eine Richtung, die ein Floch erst mit neueren Ythag-Bänden ebenfalls eingeschlagen hat.
Ceyles steigt mitten in einen Krieg ein. Der Purpurne, ein größenwahnsinniger Diktator, hat eine ultimative Waffe ausgelöst. In einem Flammenmeer gehen Feinde und eigene Truppen unter. Ceyles fällt die Aufgabe zu, ungeheuer viele Massenszenen und Bilder von Kämpfen zu zeichnen. Zu Lande und in der Luft geht es voran, gegeneinander, fliegen die Fetzen, explodiert es, spucken Waffen ihre Geschosse aus und jagen magische Blitze durch die Luft. Aus einem Konflikt zwischen Nationen wird eine Auseinandersetzung mit Göttern.
Der 4. Band von Slhoka führt den Leser auf einem langen und ausführlichen Weg zu den Blutbögen. Ein ums andere Mal beweist Ceyles seine Fertigkeiten bei der Gestaltung dieser fremden Welt. Landschaft und Architektur, Kriegsgerät, uralte Dschungelruinen, verschiedenste Völker und Uniformen bieten eine sehr dichte Atmosphäre für das Auge. Neben der eigentlichen Handlung gibt es immer etwas zu entdecken. Es gibt keine vordergründigen Bilder, in denen auf Hintergrund zugunsten einer schwammigen Farbe verzichtet wurde. In den meisten Fällen sind die Figuren in einen Hintergrund eingebettet. Die Kulisse scheint stets sorgfältig vorbereitet worden zu sein.
Wo Ceyles den Rahmen schafft, entwirft Torta, zuständig für die Farben, ein Feuerwerk. Das Titelbild zeigt den Stil auf. Prall ins Auge könnte man sagen. Leichte Erinnerungen an Animeklassiker kommen bei der Ansicht fliegender Festungen in den Sinn. Aktuelle Kinofilme mögen als Vergleich herangezogen werden, betrachtet man den Kampf eines Naturvolkes gegen seine technisch weit überlegenen Invasoren. Sanfte Farbverläufe, Füllmuster, die sehr fein angelegt sind, starke Schattierungen und Kontraste sorgen für sehr plastisch wirkende Bilder.
Ein starker, heftig knallender Abschluss eines Vierteilers: Ulrig Godderidge, der Autor, fährt von allen Seiten alle Parteien ins Finale auf. Das hat neben beinharter Action sehr viele emotionale Momente. Ein sehr ausgewogenes SciFi-Fantasy-Abenteuer. Die Kenntnis der ersten drei Teile ist ein Muss. 🙂
Slhoka 4, Die Blutbögen: Bei Amazon bestellen
Helden, die sich zu einer Gruppe zusammenfinden, gab es schon oft. Schurken, die ähnliches versuchten, gab es nicht weniger, allerdings fehlte ihnen häufig die Disziplin, um ein Bündnis dauerhaft zu führen. Norman Osborn und seine ganz persönlichen Rächer scheinen dieses Kunststück dank seiner starken Hand zu gelingen. Anderen geht es nicht so. Das weckt Neid. Norman Osborn hat die Macht. Noch. Denn andere wollen ein Stück von diesem Kuchen abhaben. Brian Michael Bendis, einer der namhaftesten Marvel-Autoren der letzten Jahre, fiel besonders mit seinen Beiträgen zum Ultimativen Universum auf. Zusammen mit Stuart Immonen, Zeichner und ebenfalls Veteran des Ultimativen Universums, beleuchtet er die Schurkenseite des Marvel-Events Dark Reign mit einer recht interessanten Facette.
Wenn es Schurken gelänge, anderen, Helden wie Schurken, die Superkräfte zu nehmen, was könnte sie noch aufhalten? Einfache Antwort: Nichts. Da Marvel-Universum käme in eine ähnliche Situation, wie sie auch die Marvel-Zombies heraufbeschworen haben, nur ohne das Aufessen. Plötzlich müssen die Rächer chancenlos aufgeben. Ihre Kräfte schwinden nicht nur, sie wenden sich gegen sie. Daraus resultieren neue und ungewohnte Situationen, spannende Momente, die bei all dem Kräftemessen, dem Herumprügeln auf Übermenschenniveau oft fehlten. Denn auffällig ist: Die Heldengeschichten sind erst dann richtig gut, wenn sie nicht nur mit ihrem Latein, sondern auch mit ihren Kräften am Ende sind.
Stuart Immonen schafft auf der Basis der Vorgaben von Bendis tolle Bilder, die immer noch Action-Kracher sind, aber den Helden alles abverlangen. Zur Verdeutlichung: Selbst die Überfigur Sentry wird zum greinenden Häufchen Elend, nachdem die Kräfte futsch sind. Und damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Osborns dunkle Rächer absolvieren einen grandiosen Auftritt und … Vor dem Haupthandlungsstrang verblassen die kleinen Nebenschauplätze, auch solche, die noch einmal interessant werden.
Immonen beherrscht eine Jugendstil-ähnliche Zeichentechnik, sehr klar, exakt, bei Haaren gerne auch etwas verschnörkelt, die hier wunderbar durch Wade von Grawbadger (Tusche) und Dave McCaig (Farben) unterstützt wird. Von Grawbadger setzt eine dickere Außenlinie, ist großzügig mit Schattierungen, die in feinen Schraffuren auslaufen. Feine Innenlinien sind auf das Nötigste beschränkt. Die Farbgebung folgt dieser Vereinfachung. Dennoch wirken die Bilder so, als seien Fotovorlagen, am besten aus entsprechenden Filmen nachgezeichnet worden. Immonen komponiert damit zuweilen seitenübergreifende Bilder, sogar komplette Doppelseiten. Das Duell am Times Square ist ein Beispiel für ein perfektes Comic-Bild.
Eine wirklich geniale Fortführung des Dark Reign Komplexes, die den Allmachtgedanken aus diesem Marvel-Ereignis zumindest zeitweilig entfernt und am Schurkenthron sägt. Bestens erzählt und gezeichnet. Top! 🙂
Links: www.jinxworld.com (Homepage von Brian Michael Bendis)
Ruchlose Machenschaften: In einer Badewanne zu baden, schadet Ihrer Gesundheit. Oder besser: In einer bestimmten Badewanne zu baden, schadet Ihrer Gesundheit. Denn möglicherweise verschwinden Sie hierdurch, durch den Abfluss nämlich, und landen … nun, ja, ganz woanders eben. Isnogud, der schon mehrmals mit magischen Gegenständen versuchte, sich seinen Traum zu erfüllen (na, was schon), möchte gerne den Kalifen in die Wanne einsteigen und verschwinden sehen. Aber wie soll er den Beherrscher der Gläubigen dazu bewegen? Man sieht Isnogud selten sprachlos, doch als Harun al Pussah, der Kalif, ein Bad eingelassen haben möchte, geschieht genau das. Wenigstens ganz kurz.
Blick zurück ohne Zorn: Zäumen wir das Pferd einmal von hinten auf. in Isnoguds Rückkehr, dem dritten der vorliegenden Alben in diesem Sammelband, stellten sich Rene Goscinny und Jean Tabary eine ungewöhnliche Frage: Was geschieht eigentlich nach dem Schluss eines Abenteuers?
So oft der Leser Isnogud nach einem vollendeten Abenteuer verließ, so oft sah er in einer Art Bedrängnis. Verflucht, auf der Flucht, verwandelt, verbittert, traurig, kurzum, irgendwie schien er aus derlei Situationen eigentlich nicht mehr herauskommen zu können. Und dennoch: Im nächsten Abenteuer war Isnogud wieder in alter Frische unterwegs, um seinen langgehegten Wunsch zu erfüllen: Kalif anstelle des Kalifen zu werden!
So darf der Leser nun in kleinen Episoden an das Ende verschiedener Abenteuer springen und erleben, wie Isnogud aus seinem Malheur entkommt? Natürlich nicht! Goscinny und Tabary lösen zwar eine Situation auf, aber sie schicken ihren Helden gleich in die nächste Grube. So ist am Ende nichts gewonnen, bis auf eine Sache: Die Lachmuskeln des Lesers werden in dieser Kürze perfekt strapaziert. Da kein ausuferndes Erzählen möglich ist, wurde jede kleine Geschichte vollkommen auf den Punkt gebracht. Da kann es passieren, dass (weil es so viel Spaß gemacht hat) das neue Ende einer Geschichte noch einmal vollendet wird.
Bestes und kuriosestes Beispiel: Isnogud, der infolge einer Verwandlung zu einem hässlichen Hund wurde, wird zu einem hässlichen Baby und daraufhin zu einem … Isnogud hat die Fähigkeit, sich nicht nur immer in Teufelsküche zu bringen, sondern sich auch noch häufig im Kreis zu drehen.
Die beiden ersten Alben, mit längeren Erzählungen und komplett von Jean Tabary in Wort und Bild gestaltet, starten mit einem Titel, der kaum glaubhaft scheint: Endlich Kalif?! Isnogud lässt sich in einem Moment der Schwäche zu einer unbedachten Äußerung hinreißen. Er will nicht mehr Kalif werden. Leider wird er dabei gehört. Das Problem: Isnogud war als Nachfolger des Kalifen vorgesehen, Nun muss ein Ersatz gefunden werden.
Auf dieser Basis kreiiert Tabary Verwicklungen in Serie, indem er Isnogud auf die Brüder des Kalifen treffen lässt, die nun wieder eine Chance haben, auf den Thron zu kommen. Tabary ist inzwischen derart versiert am Werke, dass es einen gewohnten Blick auf die Geschehnisse bei Hofe gibt. Allerdings besonders hervorzuheben sind hier die Bemühungen des Kalifen, einige Kilo zu verlieren. Die sportlichen Aktivitäten sind nicht dazu angetan, wirklich zu einer besseren körperlichen Befindlichkeit beizutragen, dafür strapazieren sie die Lachmuskeln umso mehr.
Viele in sich sehr runde und geschlossene Geschichten um Isnogud. Eine Menge neuer Ideen bereichern das Universum, von Goscinny und Tabary geschaffen, teilweise sogar mit bühnenreifen Szenarien. Perfekte Komödie! 🙂
Die gesammelten Abenteuer des Großwesirs Isnogud, Buch 8: Bei Amazon bestellen
Samstag, 25. September 2010
Feuerwasser: Die weißen Siedler kennen die Tücken dieses Zivilisationsgetränks. Für manchen Indianer bedeutet es inzwischen eine Flucht aus einem unerträglich gewordenen Leben in abgesperrten Ländereien. Als an diesem Tag plötzlich zwei indianische Reiter, völlig betrunken, in der Kleinstadt randalieren, um sich schießen und nicht mehr Herr ihrer Sinne sind, wundert sich niemand. Red Dust, der seit kurzer Zeit ein Silberstern ist, wie ihn einer der im Vollrausch angreifenden Indianer nennt, hat die Lage schnell und besonnen unter Kontrolle. Eine Lösung für das weitaus schwerer wiegende Problem ist damit noch nicht gefunden. Denn außerhalb der Stadt greifen die Cheyenne inzwischen einsame Farmen an. Comanche gerät in Lebensgefahr. Und es wird noch schlimmer.
Der Krieg ohne Hoffnung (Band 2) erlebt eine Art Fortsetzung. Der geschlossene Frieden zwischen weißen Siedlern, genauer gesagt der Regierung, und den indianischen Ureinwohnern ist mehr als wackelig. Grund ist die Uneinigkeit innerhalb des Stammes der Cheyenne. Während die einen ihre Chancenlosigkeit angesichts der Übermacht und Überzahl der Weißen einsehen, wollen andere lieber kämpfen. Notfalls wollen sie auch kämpfend untergehen. Den Roten Rebellen scheint alles besser zu sein, als das Herumvegetieren im Reservat.
Greg entwirft in der 6. Ausgabe der Reihe Comanche ein trauriges Western-Bild. Für den Fotoreporter, den es in diese Ecke des Wilden Westens verschlägt, sind die Ereignisse eine Art Sensationsfolklore: Die Indianer proben den Aufstand, die Kavallerie steht Gewehr bei Fuß. Ein kleiner Krieg steht vor der Tür. Greg arbeitet Einzelschicksale heraus, zeigt Standpunkte und konstruiert eine Ereigniskette, die wie umfallende Dominosteine einem unausweichlichen Ende zueilen. Ein versöhnliches, aber kein gutes Ende.
Das Drama äußert sich zwischenmenschlich, trotzdem Greg vergisst die Action nicht. Als gelungenes Spielelement ist der Flug eines Heißluftballons eingebaut. Für Hermann, mittlerweile ohne Übertreibung eine Zeichnerlegende, ist dergleichen ein willkommene Gelegenheit, um die Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. So findet sich die erste Szene mit dem Ballon auch gleich auf einer kompletten Seite wieder. Insgesamt ist die Seitengestaltung Hermanns in dieser Ausgabe sehr weit und klar. Das Auge findet Ruhepunkte und die Geschichte lässt auch Zeit zum Verweilen. Das ist nicht selbstverständlich. Hermann kreiert wunderbare Momentaufnahmen, in denen er tolle Bewegungsstudien abliefert.
Wie sehr sich Hermann auf Bildsprache versteht und ein sorgfältiges Arrangement zu gestalten weiß, zeigt sich in der Sequenz, die den Aufstand auf seinem Höhepunkt abbildet. Der Wechsel zwischen den Geschehnissen am Boden und den beiden Männern im Ballon, die dem Ganzen relativ tatenlos zusehen können, ist bester Hermann mit ähnlich guten Aufteilungen, wie er auch in Andy Morgan ablieferte.
Kein Helden-Western: Greg versucht den realen Westen einzufangen. Die Indianer sind die Verlierer, die Weißen sind nicht automatisch die Gewinner. Wie immer genial von Hermann gezeichnet, vielleicht sogar noch etwas besser, denn Hermann gehört zu den Zeichnern, die sich immer positiv weiterentwickelt haben. Top, ein Klassiker! 🙂
Comanche 6, Rote Rebellen: Bei Amazon bestellen
Tibet, 1987: Die Expedition wird freundlich empfangen, allerdings nur, da sie Geschenke im Gepäck hat. Nämlich Waffen. Der Aufenthalt bei den Mönchen währt nur kurz. Die Forscher machen sich an den Aufstieg. Als sie das Basislager in über 6.000 Metern Höhe erreichen, erwartet sie ein grauenhaftes Bild. Sämtliche Männer, die dort auf sie warteten, wurden auf bestialische Weise getötet. Seltsamerweise scheint das den Ausrichter der Expedition nicht weiter nervös zu machen, wertet er das Massaker doch als Beweis für seine Theorie von der Existenz eines mysteriösen Wesens: Des Yeti.
Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich erträumen lässt: Jedenfalls bringt Christophe Bec mehr Tiere wieder ins Leben zurück, als unsere Schulweisheit noch am Leben glaubte. Carcharodon Megalodon, ein urzeitlicher Riesenhai, gegen den der Große Weiße Hai ein Fischstäbchen ist, hat nicht nur in großer Tiefe überlebt, Exemplare seiner Art haben auch den Weg an die Oberfläche gefunden. Rückblicke zeigen eine Begegnung der besonderen Art, die allein schon ausgereicht hätte, um einen SciFi-Thriller zu entwerfen.
Christophe Bec ist jedoch kein Autor, der mit Ideen und Einfällen geizt. In der zweiten Episode von Carthago mit dem Untertitel Die Challenger-Tiefe verwebt Bec wissenschaftliche Fakten geschickt mit technischen Möglichkeiten. Er lässt sich durchaus auch von Romanen oder Filmen inspirieren und beschwört hier eine Art modernes Jules-Verne-Szenario herauf. Ein steinreicher Unternehmer will einem Rätsel auf den Grund gehen und scheut dafür keine Untat, auch Entführung und Erpressung nicht.
Die Fahrt geht in die absolute Tiefe des Ozeans, knapp 11.000 Meter hinab, in die ewige Finsternis. Während unten die Rätsel ergründet werden, ist das Rätsel oben sehr lebendig und treibt sein Unwesen. Während verschiedene Organisationen gegen die Bedrohung angehen wollen, auf ihre Art und in unterschiedlichen Situationen, wissen manche Naturvölker bereits seit langem viel mehr, was sich im Verborgenen auf der Erde abspielt. Geschickt gestreute Informationen, Schnippsel, halten die Aufmerksamkeitsspanne hoch, legen aber auch viele lose Enden aus, die wieder zusammengeführt werden wollen.
Eric Henninot entwirft zu dieser Geschichte Szenen, die geradewegs aus einem entsprechenden Film stammen könnten. Wenn im Jahre 1915 ein U-Boot von einem Kronosaurus angegriffen wird, ist das ein ganz klein wenig Jurassic Park (1990), vielleicht auch ein wenig Lost World (1912). Die Inspiration reicht sicherlich zurück bis zu einem Sir Arthur Conan Doyle. Irritierend in diesem Erzählstil, nichts, wofür Henninot etwas könnte, ist die Sprunghaftigkeit und die teilweise zerhackt wirkende Szenerie. So schön die Szene um den Kronosaurus auch ist und ein Puzzleteil des Gesamträtsels darstellt, zerreißt sie zunächst den Haupthandlungsstrang.
Henninot schafft in jedem Fall sehenswerte Szenen, die genau choreographiert sind. Der Rückblick, der nach Tibet ins Jahr 1987 führt und geradewegs zu einem ganz besonders aufregendem Bild, ist derart spannend ausgeführt, dass man als Leser wahrhaft traurig, dass es dort nicht weitergeht. Die Strichführung ist zart, zerbrechlich wirkend und auf das Allernötigste beschränkt. Außenlinien, Konturen, Falten, das ist alles. Da muss jeder Strich sitzen. Verrutschungen von Gesichtern, die in Perspektiven manchmal nicht so aussehen, wie sie aussehen sollten, gibt es bei Henninot nicht. (Bei Bec, wenn er zeichnet, schon. Deshalb die Anmerkung.) Henninot ist Perfektionist bis ins notwendige Detail.
Die Sanftheit der Zeichnung findet sich in der Kolorierung wieder. Es gibt weiterhin keine harten Schatten. Sehr leichte Verläufe, sanftes Computerairbrush, das eher allgemein aufgetragen ist, ohne körperlichen Konturen im Besonderen zu folgen. Das funktioniert durchaus bei dieser strikten Einhaltung. Wäre mehr Wert auf Volumendarstellung gelegt worden, hätten die Bilder eine größere Pracht entfalten können.
Ein grafisch sehr ansprechender SciFi-Techno-Thriller. Wer von BBC-Produktionen zum Thema Urzeit fasziniert war, Jurassic Park mochte oder auch Primeval, der sollte einen Blick riskieren. 🙂
Carthago 2, Die Challenger-Tiefe: Bei Amazon bestellen
Mittwoch, 22. September 2010
American Son: Norman Osborn scheint am Ziel seiner Träume angelangt zu sein. Er hat eine große Macht erlangt und niemand macht sie ihm ernsthaft streitig. Mit seinen neuen Rächern sorgt er für die Ordnung, die ihn weiterhin an der Macht erhält. Aber das genügt ihm nicht. Wie so mancher Vater hätte er gerne in Zeiten seines größten Triumphes auch seinen Sohn an seiner Seite. Harry Osborn, besagter Sohn, dem es über Jahre nicht nur gelungen ist, aus dem Schatten seines Vaters zu treten, sondern auch seine eigenen Dämonen hinter sich zu lassen, kann nicht anders. Die Umstände, jedenfalls empfindet er es so, lassen ihm keine andere Wahl, als in den Schoß der Familie zurückzukehren. Er ahnt nicht, dass er dabei in eine ausgeklügelte Falle läuft.
Dark Reign: Schurken machen besonders Spaß, wenn sie über die Maßen schurkisch und verschlagen sind. Norman Osborn, das andere Ich des Grünen Kobolds war früher eher wahnsinnig. Heute ist er größenwahnsinnig. Verstorben, zurückgekehrt, geschlagen, wieder aufgestanden, hat er zum Zeitpunkt der 74. Ausgabe der Spider-Man-Reihe einen Gipfel erklommen, auf dem ihm selbst ein Spider-Man nicht mehr zu schaden vermag.
Joe Kelly, der hier das Finale der Handlung um den American Son erzählt, hat über einen Dreiteiler hinweg eine schlaue Geschichte entwickelt, die wie eine griechische Tragödie anmutet. Alle Figuren sind aufgestellt. Alles mündet in den vorhergesehenen Konflikt, obwohl alle auf ihre Art darauf bedacht sind, genau diesen zu vermeiden. Ein kleines Puzzlestück lässt das gesamte Lügengebäude, errichtet von Norman Osborn, in sich zusammenstürzen.
Für den Leser gibt es in der Handlungslinie, die sich über die Ausgaben 72, 73 und 74 zieht, einige optische Leckerbissen. Spider-Man imitiert Venom und gerät in Bedrängnis. Norman Osborn schlüpft in die Rüstung des Iron Patriot. Harry Osborn wird der American Son. Gleich vier Zeichner haben diesen Endkampf in Szene gesetzt. Höchst realistisch, in technischer Perfektion, aber auch mit Unterschieden in der Machart. Stephen Segovia gestaltet exakt, aber auch rasant. Paulo Siquera und Amilton Santos zeichnen mit architektonischer Präzision, durchaus auch mit einem Hang zum Minimalismus. Hier ist kein Strich zuviel, keiner zuwenig.
Nach einem knallharten Finale wird es in der zweiten und letzten Geschichte der Ausgabe beschaulicher und privater. Tante May will heiraten und zwar niemand geringeren als den Vater von J. Jonah Jameson, jenen Verleger, der Spider-Man von Anbeginn als Schurken im Daily Bugle anklagte und verheizte.
Autor Roger Stern lässt es sehr viel ruhiger angehen. Die Bilder von Val Semeiks, sehr weich koloriert, unterstützen die Ruhe der Handlung. Hier hat Spider-Man nichts verloren. Hier geht es um spätes, auch verdientes Glück. Hier geht es um einen endgültigen Abschied von Onkel Ben, jene Vaterfigur, von Peter Parker alias Spider-Man, die viel zu früh aus dem Leben schied. Das ist eine überaus menschliche und warmherzig erzählte Geschichte, die bis auf einige wenige Momente nichts mit Superheldentum zu tun hat und sich einfach nur um Liebe und Familie dreht.
Eine gute Mischung aus dem Leben von Spider-Man: Im ersten Teil hochdramatisch und mit großem Aktionsanteil, in der zweiten Hälfte besinnlich. Prima. 🙂
Kraft: Wie kann es sein, dass völlig unscheinbare Menschen im Angesicht einer aussichtslosen Situation eine Kraft entwickeln, die ihrer körperlichen Befindlichkeit zuwider läuft? Im Klartext: Wieso kann eine kleine schmale Frau ihren Sohn aus einem Auto retten, indem sie es einfach anhebt? Dr. Banner stellt sich diese Frage nicht uneigennützig. Noch immer verfolgt ihn der Unfall, den er vor noch gar nicht langer Zeit mit seiner Frau hatte. Eine ähnliche Situation: Ein Auto kommt von der Straße ab. Während Dr. Banner aus dem Auto herausgeschleudert wird, ist seine Frau im Fahrzeug eingeschlossen. Ihm wird in diesem Moment nicht die nötige Kraft zuteil, um sie zu retten.
Dr. Banner forscht zusammen mit seiner Kollegin nach dem Grund für den außergewöhnlichen Kräftezuwachs bei vielen befragten Personen. Schließlich ergibt sich eine Spur. Angst und Wut sind ein Schlüssel, aber auch eine bestimmte Strahlung, die einen besonderen Effekt auf den menschlichen Organismus hat. In einem Selbstversuch simuliert Dr. Banner die Strahlung, doch der Erfolg bleibt aus. Vorerst jedenfalls, denn mitten in einem Unwetter, während einer Autopanne, bedeckt von Matsch, durchnässt, schlägt Verzweiflung in Wut um und David Bruce Banner verwandelt sich zum ersten Mal in den Hulk.
In einer Zeit, in der Spezialeffekte für das Fernsehen relativ schwierig zu bewerkstelligen waren, erschien 1978 eine Realfilmumsetzung eines Comic-Themas, das recht erfolgreich werden sollte: The Incredible Hulk. Der bis dahin bereits sehr bekannte Fernsehschauspieler Bill Bixby übernahm die Rolle des Dr. David Bruce Banner. Für das andere Ich, den Hulk, holte die Produktion den Bodybuilder Lou Ferrigno vor die Kamera.
Die Serie startete gleich mit zwei Pilotfilmen. Die erste Folge führte die Hauptfiguren ein, einerseits Dr. Banner, den Hulk und eine wichtige Nebenfigur: den schmierigen Reporter vom National Register, Jack McGee, gespielt von Jack Colvin. Ein Zusammentreffen von Banner und McGee machte eine bestimmte Aussage auch im Fernsehen populär:
Don’t make me angry. You wouldn’t like me when I’m angry.
Nach einer Verwandlung und einem weiteren Unfall, der zum Tod von Banners Kollegin führt, ist der Wissenschaftler fortan auf der Flucht. Man hält ihn für tot, ermordet von einem Hulk, einem monströsen Wesen, von ungeheurer Kraft und Größe und vollkommen grün. Bill Bixby in der Rolle des Dr. Banner passt sehr gut zu den neueren Interpretationen des Wissenschaftlers, wie ihn die Comics heute darstellen. Allerdings erging er sich weniger in Selbstmitleid, sondern wurde in Form des Hulks über kurz oder lang zum helfenden Engel.
Dieser grüne Engel in Form von Lou Ferrigno wurde durch den mit 1,95 Meter hünenhaften Bodybuilder für den Zeit perfekt dargestellt. Das grüne Haar war struppig wie das einer Puppe, die grüne Schminke offenbarte Schwächen, das Knurren klang merkwürdig. Angesichts von riesigen Armmuskeln und einem Brustkorb vom Ausmaß einer Tonne wollte einem ein Lächeln trotzdem nicht gelingen. Lou Ferrigno war der Hulk. Diese Rolle hängt ihm bis heute nach. In der Verfilmung von Ang Lee von 2003 hat er einen Kurzauftritt. Er knurrte den Hulk in der Verfilmung von 2008 und wird selbiges auch in der Rächer-Verfilmung von 2012 machen.
12 tolle Episoden, die dank eines warmherzig spielenden Bill Bixby und eines herrlich schrecklichen Lou Ferrigno Kultstatus erreichte und zu Recht mehrere Staffeln nach sich zog. Ein Stück Comic-Geschichte und immer noch ansehbar. Wer es weniger tricktechnisch, handfester mag, sollte einen Blick riskieren. 🙂
The Incredible Hulk, Season 1: Bei Amazon bestellen
Dienstag, 21. September 2010
Und sie bewegt sich nicht. Vielmehr bewegen sie sich nicht, die Menschen. Sie stehen herum, in der Bewegung erstarrt. Die Minimenschen bemühen sich um Schadensbegrenzung. Sie sammeln die Erstarrten ein. Dadurch retten sie nicht wenige aus einer lebensbedrohlichen Situation. Aber damit ist des Rätsels Lösung noch nicht gefunden, denn was den Großen geschieht, kann auch den Minis passieren. Renaud und seine Freunde suchen den Grund und finden ihn weit, weit entfernt im Weltraum. Strahlen aus dem All sind für das Desaster verantwortlich. Mehr noch: Bei ihrer Rettungsmission stoßen sie auf zwei ungewöhnliche Freunde. Khena und Kosmi sorgen zunächst für Verwirrung, doch bald wird klar, was zu tun ist.
Pierre Seron gestaltete im vorliegenden ein Crossover, wie es heutzutage so gängig genannt wird. Zu Gast sind Khena und der Kosmi. Khena entdeckte den Kosmi, eine Art kleiner Weltraumaffe, und seinen Roboter Tobor vor langer Zeit (nimmt man den realen zeitlichen Verlauf). Ein Amulett wies Khena als Erbe einer uralten Kultur auf. Seither sind die beiden, Mensch und Kosmi, Freunde. Tobor ist hier auch der Schlüssel zum Rätsel, verfügt er doch über die Fähigkeit einen Erstarrungsstrahl zu produzieren, eine Technik, die nun von Planet zu Planet genutzt wird.
Minis treffen Minis. Minis treffen nicht zum ersten Mal Minis. Aber hier macht es besonders viel Spaß. Sicherlich machen die Freunde um den Minimenschen Renaud ihre Gegner erst zu Minis, doch wir wollen nicht kleinlich. Die Verblüffung dieser Feinde, optisch eine Kreuzung aus Gorilla und Teddybär, die Hektik und die Panik, besonders wenn der Roboter Tobor sich auch noch einmischt, münden in ein heilloses und sehr humorvolles Chaos.
Nachdem diese Science Fiction Komödie, die Seron zusammen mit dem Szenaristen Gos, schuf, den Leser zum Lachen gebracht hat, geht es mit Menschenraub heiter weiter, allerdings vor einem ernsteren Hintergrund, wie der Titel bereits verrät. Durchgehend beherrscht Seron den Funny-Strich, wie er so typisch für jene Zeit der 60er, 70er und 80er Jahre war. Die Zeichnungen waren sehr organisch. Der Pinsel und die Zeichenfeder machten nicht immer die saubersten Striche. Insgesamt ergab sich eine größere Nähe zum Bild, das einen nicht so weit auf Distanz hielt, wie es heutzutage manchmal wirkt. Die durchgehend liebevoll gestalteten Figuren in Menschenraub wirken so leicht entstanden, dass diese Kriminalkomödie mit ihren skurrilen Charakteren gleich von Beginn an richtig Spaß macht.
Die 6 Klone, das folgende albenlange Abenteuer, schrieb und zeichnete Seron nach der Zusammenarbeit mit Mittei bei Menschenraub wieder alleine. Hier findet Seron zurück zur Science Fiction Komödie. Renaud, die Hauptfigur der Minis, findet sich hier gleich in sechsfacher Ausführung wieder und ein alter Feind, besser gesagt Schurke, gibt sich die Ehre. Die Männchen sehen gleich viel putziger aus als noch im Album zuvor. Das Szenario ist phantastischer (chinesische Gauner in Schweizer Bergen) und greift in die Vollen. Sobald bei den Minis die Grenzen der Phantasie eingerissen werden, ist alles möglich. Seron ist am besten, wenn er völlig frei erzählt und sich auch noch den ausgefallensten Scherz erlaubt.
Einziger Makel dieser Sammlung von Minigeschichten: Die Parodie im Anhang, sicherlich im Rahmen einer Zusammenstellung von Mini-Geschichten dazu gehörend, verdient den Namen nicht. Sie ist weder lustig, noch parodierend, eher eine Beleidigung. Seltsam, dass Seron die Geschichte des Szenaristen Jean-Yves nicht verweigert hat.
Drei tolle Abenteuer der Minis, unter denen besonders die Science Fiction Komödien herausstechen. Die Einfälle in diesem Bereich sind hervorragend und bezeichnend für die gesamte Reihe. Sehr gut. 🙂
Die Maxiausgabe der Minimenschen 8: Bei Amazon bestellen
Schwierigkeiten: Wieder einmal. Das ist jedoch kein Grund zur Besorgnis, denn Schwierigkeiten gehören zum Alltag von Storm, Rothaar und Nomad. Die drei Freunde treiben an einem riesigen Flugsamen hängend durch das All, als ein nahendes Schiff Rettung verspricht. Leider scheinen die Schiffsführer kein Interesse daran zu haben, die Unglücklichen aufzunehmen. In einem gemeinsamen Kraftakt gelingt es ihnen, das Schiff zu entern. Gegenwehr erfahren sie keine. Wie es sich schnell zeigt, ist die Besatzung schon lange verstorben. Die Fracht, so kurios sie auch sein mag, ein ebenfalls verstorbener Junge in einem Sarkophag, verwundert die viel gereisten Freunde nur kurz. Das Entsetzen, den vermeintlich Toten wenig später auf den Beinen zu sehen, ist weitaus größer.
Die Bedrohung ist unscheinbar. Alle glauben es mit einem Kind zu tun zu haben. Leider ist Renter Ka Rauw, so der Name des Jungen, kein einfaches Kind, sondern eines, das seit frühester Kindheit an einer Akademie zu einem Berufsmörder ausgebildet worden ist. So sind Storm und seine Freunde kurz darauf auf einer Reise, auf die sie keine Lust haben. An der Seite eines gnadenlosen und brutalen Mörders, der auf dem Weg zu seinem nächsten Auftrag ist. Hin zu einem Spiel, das mörderischer nicht sein kann.
Ein Kind als Killer: Die reale Welt kennt Kindersoldaten. Professionell ausgebildete und mit allen Wassern gewaschene Berufsmörder sind im Kindesalter eher unwahrscheinlich. Martin Lodewijk hat die Welt um den lebenden Planeten Pandarve mit weiteren Details bereichert. Renter Ka Rauw ist zwar Der Mörder von Eriban und damit titelgebend, allerdings ist nicht das Hauptereignis. Denn das ist zweifellos das Spiel Barsaman:
In einer Arena ragen zig Steinsäulen aus dem Sand. Bei Beginn des Spiels versinken sie langsam. Nur eine wird am Ende noch herausragen. Die Spieler auf den Säulen sind angehalten, genau diesen Platz auf der letzten Säule zu erobern und mit ihrem Leben zu verteidigen. Wer das Spiel verliert, verliert auch sein Leben. Dieses Spiel kommt den optischen Ideen von Don Lawrence, dem Künstler der Reihe, sehr entgegen. Zunehmend ist er ein Maler geworden, der großen Spaß an Massenszenen entwickelt hat. Selbst Bilder, die vordergründig zu erledigen gewesen wären, hat er im Verlauf seines späteren Künstlerschaffens reichlich mit Kleinigkeiten versehen.
Das Barsaman liefert Details in Hülle und Fülle. Das Finale im vorliegenden Band, einem heiligen Barsaman, das nicht auf einem Sandboden, sondern einen blubbernden Lavamasse ausgetragen wird, ist einer der optischen Höhepunkte der Reihe, nimmt man die liebevolle Ausarbeitung der gesamten Sequenz hinzu. Martin Lodewijk gelingt mit seiner Beschreibung des kleinen Mörders auch ein Kunststück, indem er es nach allen Vorkommnissen schafft, auch Mitleid für den Jungen zu wecken.
Darüber hinaus kann Don Lawrence Charakterzeichnungen anfertigen, die manchmal nur wenige Szenenbilder lang Bestand haben. Ein wenig, so mag es neben den Gesichtern wirken, erinnern diese Gestalten mit ihren bunten und wundersamen Kleidungen auch an Figuren humorvoller Autoren wie Douglas Adams oder Terry Pratchett. Durch die bei Storm vorliegende Mixtur aus Science Fiction und Fantasy ist der Vergleich sehr passend.
Sehr gute Charakterzeichnungen, ein ausgezeichnetes weiteres Puzzlestück aus dem Pandarve-Universum: Die Zusammenarbeit von Martin Lodewijk und Don Lawrence hat hier ein Rundumsorglospaket für den Leser geschaffen. Grafisch beeindruckend, erzählerisch vorbildlich. 🙂
Storm 13, Der Mörder von Eriban: Bei Amazon bestellen
Freitag, 17. September 2010
Wie war das eigentlich damals, als der amerikanische Präsident in Dallas, im Bundesstaat Texas erschossen wurde? War es ein Einzeltäter? Gab es eine Verschwörung? Hatte die Umbrella Academy damit zu tun? Ja, hatte sie. Seit der Weltuntergang verhindert worden ist, hat sich im Leben der Umbrella Academy, jener ungewöhnlichen Heldengruppe, noch lange nicht alles wieder normalisiert. Spaceboy besitzt zwar einen Affenkörper, war aber darauf bedacht, schneidig und fit zu sein. Jetzt sitzt er nur noch auf dem Sofa, schaut fern und füttert seine ausladende Wampe. Rumor, die junge Frau, hat ihre Stimme und ihre Kräfte verloren und hält der Weißen Violine, die für das Desaster verantwortlich ist, vor, was sie alles angerichtet hat.
Kraken ist verbittert und geht allen aus dem Weg. Nummer Fünf, eigentlich uralt und doch im Körper eines Pennälers gefangen, weiß nicht mehr, was er mit diesem Leben noch anfangen soll. Nur Seance scheint mit Schönheitspflege und etwas Alkohol ein weiterhin ausgeglichener Mensch zu sein. Aber etwas läuft nicht richtig. Jemand ist hinter Nummer Fünf her. Ein schwer bewaffnetes Kommando versucht den kleinen Mann auf einem Parkplatz umzubringen. Die Aktion misslingt. Der Junge wird zum rasenden Derwisch und erschießt alles und jeden, der auch nur den Arm in seine Richtung hebt. Aber der unbekannte Feind will noch nicht aufgeben.
Gerard Way und Gabriel Ba legen den zweiten Teil von The Umbrella Academy vor. Das Duo, erzählerisch wie künstlerisch an einen Mike Mignola (Hellboy) angelehnt, greift in diesem Band mit dem vielsagenden Titel Dallas tief in die amerikanische Geschichte ein. Die Ermordung John Fitzgerald Kennedys, des 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten, am 22. November 1963 in Dallas, Texas, stellt immer noch eine der furchtbarsten Tragödien in der Historie des des nordamerikanischen Landes dar. Way und Ba stellen die Frage auf, was gewesen wäre, hätte das Attentat verhindert werden können?
Die Fronten sind klar aufgestellt: Auf der einen Seite sind die, die den Präsidenten töten wollen. Auf der anderen Seite stehen jene, die das Attentat verhindern möchten. Mögen die Spiele beginnen. Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn neben der heldeninternen Vergangenheitsbewältigung haben sich gegen die Umbrella Academy ganz besondere Feinde aufgestellt. An dieser Stelle sollen Hazel und Cha-Cha erwähnt werden, eines der Killer-Duette schlechthin, wenigstens aber das härteste seit Mr. Wind und Mr. Kid oder Vincent Vega und Jules Winnfield.
Hazel und Cha-Cha sind, wie auch der gesamte Band, in einer sehr reduzierten Weise gezeichnet, wie sie ein Mike Mignola populär gemacht hat. Das wirkt mitunter etwas krakelig, auch schief, stilistisch fast ein wenig wie Aeon Flux, eine Zeichentrickserie, die vor vielen Jahren auf MTV für Furore sorgte. Gabriel Ba (im Übrigen auch B.U.A.P.-erfahren, der Serie von Mike Mignola) bewegt sich mit seinen Zeichnungen im Sinne moderner Cartoons, in der Endversion sind seine Figuren und Formen wackelig, in der Vorzeichnung dorthin, wie der Anhang eindrucksvoll beweist, sehr durchdacht und aufwendig.
Way und Ba parodieren gerne. Das beweisen die Comicfigurenmasken der Killer Hazel und Cha-Cha. Aber sie bedienen sich auch (sofern sie ihnen tatsächlich bekannt sind, heißt das) gerne bekannten Versatzstücken. Ein Auftritt von Gott erinnert an die Rolle des Fremden, den Sam Elliott in The Big Lebowski spielte.
Durch die Farbgebung von Dave Stewart (im Übrigen ebenfalls B.U.A.P.-erfahren) gewinnen die Bilder an Tiefe und Volumen, denn feine Schraffuren zur Schattierung sucht man bei Ba vergebens. Schatten ist hier gleich knallhartes Schwarz, flächig, dick.
Ein kunterbuntes Superheldenvergnügen im Stile jüngerer Cartoons, die sich ihre eigenen Vorbilder sind und anarchistisch ihre eigenen, auch wahnwitzigen Geschichten erzählen. Kurios, sehr unterhaltsam, sehr humorvoll, spannend. Wer genug von Helden mit Capes hat, sollte einen Blick in die Umbrella Academy riskieren. 🙂
The Umbrella Academy 2, Dallas: Bei Amazon bestellen