Der Sumpf scheint undurchdringlich. Nicht nur die Natur birgt Gefahren. Geheimnisvolle Angreifer scheuen sich nicht, den Anführer der Expeditionsgruppe, Khelob, anzugreifen. Mehr glücklich als geplant kann er überleben. Alim, der mit der Gruppe eher ungewollt unterwegs ist, aber keine andere Wahl hat, wird inmitten einem vom Meutereigedanken aufgewühlten Soldatentruppe, auch noch zum Heiler von Khelob. Dabei sähe er diesen, nach allem was geschehen ist, lieber tot als lebendig. Langsam nähern sich die Wanderer der Propheteninsel, wo sich ihrer aller Schicksal erfüllen soll.
Viel Zeit ist vergangen. Alim kann nicht mehr damit rechnen, seine Tochter jemals wiederzusehen. Allerdings weiß Autor Wilfrid Lupano, was er seinen Lesern schuldig ist, die er auf den Leidensweg von Alim führte. Aber Alims Schicksal ist es nicht alleine, das hier seine Auflösung erfährt. Auch Khelob, fanatischer Hohepriester, und Torq Djihid, sein loyaler und brutaler Heerführer, werden an das Ende ihres Weges gelangen. Wilfrid Lupano gelingt der Trick, zeitweilige Sympathie für diese bislang als Verbrecher und menschliche Monster dargestellten Männer herauszuarbeiten.
Jesameth und Blicke, die glühen. Alles dreht sich um den Gott, von dem viele Antworten erwarten. Wilfrid Lupano gibt sie ihnen. Es sind nur nicht die, die auch der Leser vielleicht nach der bisherigen Erzählung erwartet hat. Durch den Wechsel der Geschichte in den Dschungel und später auf die paradiesische und doch ungewöhnliche Insel entstehen viele neue Aspekte, die Lupano mit den bestehenden Ereignissen verknüpft. Damit ist auch schon ein Erfolgsgeheimnis des Vierteilers gelüftet: Die zwanglose Schilderung der Länder, ihrer Kulturen und Vegetationen, all das schafft einen dichten Teppich, auf dem sich die Handlung mit der Leichtigkeit eines Flipperballs bewegt. Jeder Anstoß befördert die Geschichte weiter und vor allem: Unvorhersehbar.
Virginie Augustin, die mit diesen vier Ausgaben ihr Serien-Debüt gibt, hat eine tolle Leistung vollbracht. In der optischen Tradition neuerer Werke des Studio Ghibli ist eine grafisch pralle Geschichte entstanden. Virginie Augustin hatte mit unterschiedlichen Herausforderungen umzugehen. Besonders herrlich sind ihre Darstellungen der Städte gelungen. Kostüme wandeln vor diesen Kulissen. Viele verschiedene Gesichtausdrücke machen aus den Figuren Schauspieler. Augustins Technik ist es zu verdanken, dass aus den Ereignissen um Alim und seine Tochter Bul mitreißende Comic-Schicksale werden.
Ähnlich wie bei einer Prinzessin Mononoke (einem Film aus dem Studio Ghibli) täuscht der grafische Stil zunächst. Manch einer der älteren Generation mag die Zeichnungen mehr in Richtung ebenfalls älterer Zeichentrickserien rücken. Letztlich kommt Alim der Gerber aber stellenweise auch mit einer optischen Härte daher, wie SciFi-Fans von Akira her kennen. Die scheinbare Einfachheit mancher Strichführung macht Augustin durch die eigene, sehr natürlich wirkende Farbgebung wieder wett. Manchmal weiß ein ausführender Künstler am besten, wie seine Bilder koloriert aussehen sollen.
Eine schöne Zuspitzung der Ereignisse, die noch allerhand Überraschungen und Wendungen bereithält. Wilfrid Lupano weiß seine Leser mit traurigen Geschehnissen zu schocken. Virginie Augustin lässt diese Fantasy-Welt durch ihre feinen Bilder zum Leben erwachen. In seiner Gesamtheit eine tolle Abenteuergeschichte. 🙂
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