Dr. Urabe hat seine monströse Natur angenommen. Er wehrt sich nicht mehr gegen sie. Langsam höhlt sie ihn aus, treibt ihn dem Ende entgegen, denn er erkennt sich als das, was er ist. Einmal noch möchte er eine gute Tat vollbringen. Nicht, um etwas zu entschuldigen. Das kann er nicht. Kirihito ist in einer ähnlichen dunklen Verzweiflung. Im Gegensatz zu Dr. Urabe hat er sich zur Rache entschlossen. Mehr und mehr Fakten kommen an das Tageslicht. Mit den Enthüllungen wächst auch Kirihitos Entschluss seine Rachegedanken in die Tat umzusetzen, doch als es dann soweit ist …
Ein versöhnliches Ende, mit einem lachenden und einem weinenden Auge erzählt. Aber der dritte und abschließende Band kommt auch an dramatischen Wendungen und Ereignissen nicht vorbei. Kirihito Osanai, der Arzt, der von der Monmo-Krankheit befallen worden ist, hat nach einer sehr langen Odyssee endlich einen Rückzugsort gefunden. Immer noch haben die Menschen eine gewisse Grundfurcht vor ihm. Sein Äußeres, entstellt durch die Krankheit, an einen Hund erinnernd, lässt sie glauben, er werde sich vielleicht auch einmal so verhalten, wenn er in Wut gerät. Tatsächlich aber brauchen sie seine Fähigkeiten als Arzt, da sich sonst niemand um sie kümmert.
Osamu Tezuka, Autor und Zeichner dieses Dreiteilers, aufgrund seiner Verdienste und jahrzehntelangen Arbeit auf dem Gebiet des Manga und des japanischen Zeichentrickfilms als Manga-Gott verehrt, besticht diese Geschichte allein schon durch ihre Länge und den bis ins Kleinste durchdachten Handlungsbogen.
Was würden Ärzte für ihre Patienten wie auch für ihre Forschungen auf sich nehmen und verantworten? Osamu Tezuka gibt darauf keine einseitige Antwort. Allein aus dem Schicksal der Hauptfigur Kirihito entstehen eine Reihe von Ansätzen. Auch unterteilt Tezuka seine Antworten nicht in Schwarz oder Weiß. Über eine variantenreiche Grautönung entsteht ein realistisches Bild, aber kein tröstliches. Denn selbst jene, die helfen wollen und sich darum bemühen, geraten zu oft an ihre Grenzen oder verstricken sich in Entschuldigungen, um es gar nicht erst zu versuchen. Dahinter steckt keine böse Absicht, sondern ein eingefahrenes System. Tezuka, der 1989 starb, zeigt eine Gesellschaftsordnung, die aktueller denn je ist.
Mit rund 280 Seiten ist auch der dritte Band ein großes Lesevergnügen. Tezuka nimmt den Leser mit um die Welt und schafft dramatische Szenen, die von Einfallsreichtum und Einfühlungsvermögen in die eigenen Figuren zeugen. Kirihito findet Freunde und verliert sie wieder, teilweise durch sehr drastische Ereignisse. Der Tod seiner Freundin Lihua, mit der Kirihito bereits so viel durchgestanden hat, ist nur ein Beispiel für die wendungsreiche und häufig erschütternde Geschichte.
Die losen Enden der einzelnen Handlungsfäden münden langsam in das Finale. Langsam bedeutet, dass Tezuka seine Geschichte wirklich bis zur letzten Seite auskostet und einen ausführlichen Epilog kreiert, der wenigstens Hoffnung verspricht. Mehr darf der Leser nicht erwarten. Ein glorreiches Happy End wäre auch viel zu viel verlangt gewesen. Tezuka schickt seinen Helden um die Welt, dennoch erinnert es mit seinen vielfältigen Szenen an ein Kammerstück. Selten nur gibt es Außenaufnahmen, die Größe oder Weite vermitteln. Tezukas Welt ist eng und klein, denn es gibt auch kaum einen Ort, an den Kirihito fliehen könnte, um dort wirklich sicher zu sein.
Die Bilder schwanken zwischen höchst realistisch und eher kimba-niedlich. Dieser Gegensatz ist durchweg, vom ersten Band an, gewöhnungsbedürftig, ist aber gleichzeitig ein Gestaltungsmittel. Es gibt und nimmt Schärfe aus der Handlung. Manchmal entsteht der Eindruck einer gruseligen Gutenachtgeschichte, manchmal ist es ein beinharter Thriller und Verbrecherhatz. Die vielen Aspekte in Kirihito, gestalterisch wie auch erzählerisch, machen es unmöglich, die richtige oder die eine Schublade dafür zu finden bzw. es in ein Genre einzugrenzen.
Mitreißend, tiefgründig, manchmal unerträglich spannend, so präsentiert sich der dritte und letzte Teil über Kirihoto. Osamu Tezuka hat in dieser 1970 in Japan zuerst erschienenen Geschichte eine Handlung geschaffen, die angesichts vieler neuer Krankheitsgeißeln auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung immer noch wirkt und hoch aktuell ist. 🙂
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