Joe Finn ist ein Monster. Wenn er nicht säuft, verprügelt er seine Söhne und treibt sie zum Diebstahl an. Es dauert nicht lange, da planen die Jungs zu türmen. Die Ankunft von Bart Randall und seiner Tochter ändert die Situation. Tom, der Barts Tochter zugeneigt ist, muss erleben, wie sein Vater auch noch dieses junge Leben zerstört. Tom wagt die Flucht und nimmt das Mädchen mit. Huck bleibt zurück. Und für ihn wird alles noch viel schlimmer, denn die letzten Schranken in Joes Geist fallen. Der letzte Rest Menschlichkeit wird vom Alkohol fortgespült. Joe wird zum Mörder. Fortan ist Huck allein auf sich gestellt und muss sich auf seinen Ideenreichtum verlassen.
Mark Twain gehört mit seinen Geschichten über Huckleberry Finn und Tom Sawyer in der Riege der unsterblichen Abenteuerautoren. Es gab einmal eine Zeit, als diese Geschichten um die beiden Jungen noch viel lebendiger waren, in der x-ten Auflage, in Verfilmungen und Hörspielen. Nun haben sich Philippe Thirault und Steve Cuzor der Figur des Huck Finn angenommen und erzählen seine Geschichte neu.
Die Anleihen an das Original sind sehr groß, insgesamt aber ist die Geschichte erwachsener. Aus Hucks schwarzem Begleiter Jim wurde Charles Williams, ebenfalls schwarz, allerdings von dem Traum beseelt ein Musiker zu werden. Huck, der im Original wie auch hier seinen Tod inszeniert, um seinem Vater zu entkommen, flieht schließlich an der Seite von Charles den Mississippi hinunter. Auf ihrer Reise den Old Man entlang, wird nach dem verstorbenen Huck gesucht. Es folgen die klassischen Szenen des Schiffes, das mit Kanonenschüssen nach der Wasserleiche sucht, aber ebenso finden sich die beiden Flüchtigen in einem Sturm an Bord eines herrenlosen Hausbootes wieder.
Besonders interessant ist die Figur des Charles Williams, des Mannes, der davon träumt, ein hervorragender Gitarrist zu werden. Thirault und Cuzor erinnern sich an die alte Legende um den echten Gitarristen Robert Johnson, der angeblich seine Seele dem Teufel verkaufte, um ein überragender Gitarrenspieler zu werden. Der hier vorkommende Charakter Charles, ein Träumer mit einem weichen Herzen, wird durch einen Drogentrip überzeugt, er habe wirklich den Teufel gesehen.
Neben der Handlung, die in vielen Einzelheiten immer wieder an das Original erinnert, weicht diese Geschichte doch davon ab, indem sie die vorliegenden Abenteuer rund 100 Jahre nach der Vorlage von Mark Twain spielen lässt. Die Sklaverei, die bei Twain noch ein Thema war, ist hier Vergangenheit. Rassenhass und Lohnsklaverei existieren nach wie vor. An die Stelle einer gewissen Westernromantik setzen die beiden Macher die Armut einer Weltwirtschaftskrise. Es ist ein Land, wie es ein Autor wie John Steinbeck ungeheuer düster schilderte.
Die Bilder zeigen alles andere als den amerikanischen Traum. Es ist ein Alptraum, in dem Huck Finn aufwächst, sehr schön, auch eindrucksvoll bebildert. Aber hin und wieder muss man als Leser schlucken, wenn dem Jungen enge Freunde genommen werden, wenn der saufende Vater nichts dabei zu empfinden scheint, einen Widersacher mit dem Beil zu erschlagen. Hucks neues Zuhause ist vergleichsweise schön, aber ihn zieht es dahin, wo die Schwarzen mit ihrer Musik feiern. Hier herrscht ein Gefühl von Freiheit, das er weder bei seinem brutalen Vater noch bei seinen strengen Adoptiveltern findet.
Ein sorgfältig erzählter Auftakttaktband, nah an der Vorlage, aber dennoch mit vielen eigenen Ideen. Dramatisch und abenteuerlich. Steve Cuzor liefert zu der gemeinsam mit Philippe Thirault geschriebenen Geschichte ausdrucksstarke Bilder ab. 🙂
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