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Comic Blog


Montag, 05. Juli 2010

Alice im Wunderland

Filed under: Klassiker — Michael um 23:08

Alice im WunderlandEs ist nicht leicht. Eben noch war die Tür zu klein. Jetzt ist sie viel zu groß. Und zu weit weg. Schnell einen von den Keksen gegessen, deren Schriftzug verkündet, dass sie gegessen werden wollen. Und jetzt? Oh! Plötzlich ist Alice wieder groß, viel zu groß. Viel größer noch als zuvor. Alice greift nach dem Fächer, den das Kaninchen verloren hat. Ein Fächer, den sie so gerade mit ihren Fingerspitzen halten kann. Ein Fächer, der immer größer wird, weil Alice immer weiter schrumpft. So weit zusammenschrumpft, dass der Fächer zu schwer für sie wird. Die Tränen, die sie vor wenigen Augenblicken vergossen hat, werden zum reißenden Fluss, der Alice davonspült. Nur wohin?

Die Geschichte um Alice, das Mädchen, das ins Wunderland fiel, ist zeitlos und immer noch rätselhaft schön. Die beiden Comic-Macher David Chauvel (Autor) und Xavier Collette (Zeichner) haben den Roman von Lewis Carroll für dieses Album adaptiert.

Wenn jeder vor seiner eigenen Tür kehren würde, könnte sich die Welt bedeutend schneller drehen.

Alice versucht diese Welt mit einer gewissen Rationalität zu erfassen. Eine Welt, in der aus einem Säugling ein Ferkel wird. Eine Welt, in der die Uhr des Hutmachers die Tage misst und ein Uhrwerk aus Butter besitzt. Eine Welt, in der die Herzogin immer einen schlauen Spruch auf den Lippen hat. Eine Welt, in der man der Königin keine Widerworte geben darf, denn sonst heißt es: Schlagt ihr den Kopf ab!

Eine traumhafte Welt ohne Sinn und Verstand (nun vielleicht gibt es den einen oder anderen Sinn) benötigt ein traumhaftes Design. Mit Xavier Collette wurde ein Künstler gefunden, der bereits bei der Entwicklung der Figuren so viel Geschick beweist, dass der Anhang mit den Produktionsskizzen ruhig hätte größer ausfallen können. Die kleine Alice, mit leicht puppenhaften Äußeren ausgestattet, wirkt zerbrechlich. Collette hat ihr ein ovales Gesicht und Kulleraugen gegeben, umrahmt von schwarzen schulterlangen Haaren. Auf ihre Art gehört Alice in diese Welt, in der es von scheinbaren Verrücktheiten nur so wimmelt. Und die, trotz der gewalttätigen Königin, insgesamt einen liebevollen Eindruck hinterlässt.

Jede Figur hat ein höchst individuelles Aussehen, kann aber diverse Einflüsse nicht leugnen. Es mag sein, dass Ähnlichkeiten in der Gestaltung rein zufälliger Natur sind. Bei Figuren wie der Grinsekatz, der Raupe oder dem weißen Kaninchen mag man dies kaum glauben. Hier mag Disneys Variante noch ein wenig in den Köpfen herumgespukt haben (das ist überhaupt kein Nachteil), während andere Bilder wirken, als habe Tim Burton ein wenig mitgearbeitet.

Herausragend ist die samtweiche Kolorierung. Collette zeigt das Wunderland in wunderschönen Bildern. Die Farben sind stimmungsvoll, kräftig, aber nicht aufdringlich. Sehr weiche Übergänge sorgen für Szenen mit Tiefe. Dennoch ist Palette großteils eher kühl gewählt, endherbstlich. Der Gesamteindruck ist der eines albumweiten Gemäldes.

Wahnsinnig schöne Umsetzung, die der Vorlage von Lewis Carroll gerecht wird, fast schon mit Hochachtung begegnet. Freunde von Umsetzungen nach klassischen und literarischen Vorlagen könnten hier fündig werden. 🙂

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