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Comic Blog


Donnerstag, 17. Juni 2010

War And Dreams

Filed under: Abenteuer — Michael um 17:43

War And DreamsMit einem Friedensvertrag ist ein Krieg noch lange nicht vorbei. Viele Veteranen werden immer noch von ihren Erinnerungen verfolgt. Ehemalige Soldaten machten Fehler, töteten Menschen, verliebten sich sogar. Ihr Glück fanden sie dennoch nicht. Archie verlor ein Bein. Den Krieg wollte er trotzdem nicht aufgeben. So wurde er so etwas wie ein Geheimagent. Was sollte ein Einbeiniger in den Augen der Feinde schon noch ausrichten können? Doch auch im Geheimen fallen Entscheidungen, die das Leben von Menschen beeinflussen können. Die Menschen das Leben kosten können. Andere Soldaten wie Joe sehen den großen Spaß. Krauts töten. Das macht Spaß. Solange das Glück einem hold ist. Und Joe hat Glück für zehn.

Erwin verliebt sich an der Atlantikküste in die junge Opal. Es ist eine Liebe ohne Zukunft. Alsbald überschlagen sich die Ereignisse. Die Alliierten landen in der Normandie und beginnen ihren unaufhaltsamen Siegeszug bis nach Berlin. Julien, Franzose und ehemaliger Zwangsarbeiter, glaubte auch an die Liebe und musste auf seine Art die Erfahrung machen, dass der Krieg Liebe nicht nur zerstört, sondern auch auf Wege schickt, die einer in Friedenszeiten niemals beschreiten würde.

Maryse und J.F. Charles vereinen in ihrer Geschichte War And Dreams verschiedene Einzelschicksale unterschiedlicher Nationalitäten und Menschenschläge. Ein deutscher Romantiker, ein Maler, verliebt sich in eine junge Frau, wunderschön und mit dem Verstand eines kleinen Kindes behaftet. Der amerikanische Cowboy vertauscht im Krieg seinen bisherigen Job eines Motorradartisten mit dem eines MG-Schützen in einem Bomber. Der Engländer kämpft im nahen Osten gegen die Deutschen, die Wüste und später mit den Widrigkeiten der Liebe. Während der Franzose, aktiv im Widerstand tätig, an dem Verlust seiner Liebe zerbricht.

Sie werden zum Mörder und zum Verräter. Sie suchen nach Vergebung, fragen sich, was eigentlich passiert ist, erkennen auch ihre Schuld, vergraben sich in der Erinnerung. In verschachtelten Episoden, Leben, die getrennt voneinander verlaufen und doch durch bestimmte Ereignisse zusammenhängen, verfolgt der Leser die anfangs leisen Erlebnisse, deren Dramatik immer mehr zunimmt.

Maryse Charles hat einen Comic-Roman über vier Männer geschrieben, deren Lebensabschnitt in einen furchtbaren Krieg fiel. Sie weist keine Schuld aus Erzählersicht zu. Vielmehr leidet jeder einzelne unter seiner Schuld. Jeder für sich versucht die Vergangenheit abzuschütteln. Aber es gelingt keinem. Erst wenn die Vergangenheit als Teil des Lebens angenommen wird, indem auch akzeptiert wird, dass eine Flucht vor derselben nicht möglich ist, kehrt wieder etwas Ruhe ein. Maryse Charles arbeitet allerdings nicht derart theoretisch, sondern erzählt mit sanfter Stimme, zielbewusst, Sprosse für Sprosse.

Abschließend wechselt die Form vom Comic in die illustrierte Kurzgeschichte. Einige Lücken werden beseitigt. Man könnte es einen ausführlichen Epilog nennen, der auch den Leser milde stimmt, sollte er ein Urteil über die einzelnen Charaktere gefällt haben. J.F. Charles malt in feinen und sehr schönen Bildern, die den Effekt alter Postkarten haben und wie Fenster in die Vergangenheit wirken. Die Grafiken, aquarelliert, vielleicht mit Goache oder auch Mischtechniken ausgeführt, sehen allesamt liebevoll und zeitintensiv auf das Papier aufgebracht aus. Jede Seite ist für sich sehenswert durch vorbildliche Illustrationen.

Ein tolles Beiblatt im Stile alter Zeitungen wie LIVE oder Signal runden dieses faszinierende und auf seine Art außergewöhnliche Comic-Projekt ab.

Eine Entführung in die Vergangenheit des Zweiten Weltkriegs. Liebe in der Zeit des Schreckens. Die Unmöglichkeit der Liebe in diesen Zeiten, aber auch die Möglichkeit von Menschlichkeit. Eine ruhige Erzählung, zunehmend dramatischer von Episode zu Episode, ohne reißerisch zu sein. Optisch sehenswert. Insgesamt ein toller Comic-Roman. 🙂

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