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Comic Blog


Montag, 14. Juni 2010

Codex Angelique – Kompendium der Engel

Filed under: Mystery — Michael um 18:25

Codex Angelique - Kompendium der EngelEin Mörder treibt in Paris sein Unwesen. Er raubt die Herzen von Prostituierten. Bisher hat die Polizei noch keine heiße Spur und steht der Angelegenheit eher ratlos gegenüber. Die Presse nennt den Mörder den Herzensbrecher. Thomas sind diese Schauergeschichten gleichgültig. Sein Leben ist merkwürdig genug. Er lebt im Haus seines Onkels, während im Keller, angeschlossen an komplizierte Apparaturen, seine Mutter konserviert aufbewahrt liegt. Sein Onkel treibt nichts sehnlicher an, als der Wunsch, die Mutter seines Neffen, die seine Schwester Freeda ist, wieder zum Leben zu erwecken. Er will dieses Leben von Gott zurückholen, doch bislang ist es ihm noch nicht gelungen, Gott in diese Richtung zu erpressen und auf andere Art einen Handel abzuringen.

Thomas, der diese vergeblichen Versuche seit zwanzig Jahren verfolgt, hat die Flucht angetreten. Weg von den Gefühlen und Gedanken, die ihn verwirren, hin zum Absinth und zum Opium, hin zum Voyeurismus. Im Bordell schaut er durch ein Guckloch dem Treiben von Freiern und Prostituierten zu und betrinkt sich dabei bis zur Besinnungslosigkeit. Unterdessen führt Kommissar Nimber seine Untersuchungen fort. Zuerst scheint es, als habe der Mörder seine Werk nicht beenden können. Aber dann ist es sicher, dass der Herzensbrecher seine Methode geändert hat. Nun hat er kein Herz, sondern einen Fötus geraubt.

Die Zeit der Verkommenheit und Trostlosigkeit. In Frankreich, genauer Paris, und vielen anderen Orten Europas hat ein Niedergang eingesetzt. Die Welt ist grau geworden oder wenigstens kalt. Man gibt sich zugeknöpft, aber unter der Oberfläche geht es alles andere als kühl zu. Thierry Gloris entwirft ein Szenario, das sich in Grundzügen der Stimmung einer Zeit im Umbruch bedient, wie sie auch sattsam aus einem viktorianischen England her bekannt ist. Oder wie sie aufgekommen sein mag, als der Erste Weltkrieg kurz vor Ausbruch stand.

Einige Charaktere kreisen um den Fall und um sich selbst. Sie laufen zusammen und nebeneinander her, es gibt Berührungspunkte, aber vielmehr noch sind sie mutterseelenallein. Der Kommissar, der sich in seinem Fall verliert. Thomas, der durch seine Emotionen verschüttet ist. Der Onkel, der es schließlich wagt, einem Engel eine Falle zu stellen. Und einige mehr. In drei Kapiteln, Izael, Lisa und Thomas, durchlaufen die Figuren Wandlungen. Die Handlung wird erst undurchsichtiger, bevor sich der Schleier lüftet und mit der Preisgabe der Geheimnisse eigentlich alles noch schlimmer macht.

Thierry Gloris lässt seine Figuren leiden. Mit einigen mag man nicht sympathisieren, andere tun einem Leid. Die Geschichte, deren Atmosphäre an Geschichten des düsteren Meisters Edgar Allen Poe erinnert, funktioniert auch und wegen einer hervorragenden grafischen Umsetzung durch Mikael Bourgouin. Das ist optisch ein wenig Heavy Metal, ein wenig stilisiert und in starken, schweren Farben ausgeführt.

Bourgouin reduziert die Gesichter seiner Figuren gerne, gibt insbesondere den Männern etwas Vogelhaftes. Sehr schmal oder sehr eckig, in jedem Fall sehr intensiv präsentieren sich die Charaktere dem Leser. Es ist Bourgouin zu verdanken, dass jeder noch so kleine Nebenfigur ein individuelles Gesicht erhält und der gesamten Handlung eine enorme Fülle verleiht. Doch wo es bei den Männern sehr gut funktioniert, hapert es ein wenig bei den Frauen. Die übliche Berufskrankheit. Im Gegenzug jedoch ist die Atmosphäre fühlbar, ganz besonders im zweiten und dritten Kapitel. In meist sehr fein aufgetragenen Farben, tollen Lichteffekten und abgestuften Schatten entstehen für das Auge Bilder mit schöner Tiefe.

Kleine mehr oder minder starke Anleihen aus Literatur und Unterhaltung, Anspielungen auf reale Personen laden zum Suchen und Finden ein.

Unheimlich, auch unheimlich spannend: Mit einer Atmosphäre, die an Erzählungen von Poe oder alte Schwarzweiß-Kinoklassiker erinnert. Sehr theatralisch inszeniert, mitunter auch brutal. Mitreißend bis zum Schluss. 🙂

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