Eine Mutter stirbt. Ein Junge bleibt allein zurück. Niemand interessiert sich mehr für das Kind. Es bleibt allein. Jakob, so der Name des kleinen Jungen, vermisst die Mutter sehr. So sehr, dass er ihr auf diesem unbekannten Weg folgen möchte, den sie gegangen ist. Nicht wissend, dass er ihr früher oder später sowieso folgen wird. Ob er sie nun sucht oder nicht. Jakob macht sich auf die Suche. Er fragt herum. Wer könnte den Weg kennen, den seine Mutter gegangen ist? Die Raben, so heißt es schließlich. Doch der erste Rabe, den er fragt, den, der auf einer Vogelscheuche sitzt und diese fortwährend mit Nadel und Faden flickt, der weiß gar nichts.
Auf seiner Reise trifft Jakob auf allerhand seltsame Gestalten. Die einen sind freundlich, andere rätselhaft, wieder andere verzweifelt, ebenso einsam wie Jakob. Jakob geht seinen Weg weiter, fragend, offenen Auges. Uneigennützige Hilfe erfährt er nirgends so recht. Aber er bewahrt sich seine Freundlichkeit, auch nach der x-ten Enttäuschung. Und am Ende …
Benjamin Schreuder und Felix Mertikat legen hier ein Comic-Debut vor, das wie ein Märchen anmutet, zum Mitdenken und Nachdenken anregt und alles andere als gewöhnliche Comic-Kost ist.
Kind und Tod. Eine thematische Mischung, die allzu häufig im Leben vorkommt. Kinder, so glauben Erwachsene, können den Tod nicht begreifen, verschleiern seine Existenz als Weg, der woanders hinführt. Aber die Mutter liebt das Kind trotzdem. Das Kind bleibt zurück, unbeachtet zunächst, nur erkannt, wenn es den Erwachsenen oder Gleichaltrigen in die Quere kommt. Ein schweres Thema, unbequem erzählt.
Der Verlorene, der nicht begreifen kann, begegnet anderen Verlorenen. So auch einer Mutter, deren Kind fort ist. Zueinander finden, können die beiden trotzdem nicht. Wo der Geist der einen verwirrt ist, ist der des Jungen zu klar. Die Geschichte bleibt bei allen Details nebulös, märchenhaft, in kleinen Episoden erzählt. Und sie ist traurig. Das Schicksal des kleinen Jakob rührt ans Gemüt, so sich der Leser denn auf die Geschichte einzulassen mag und will. Ob er die Fragen, die durch die Handlung aufgeworfen werden, auch beantworten kann, ob er all die Gefühle, die hier geschildert werden, auch versteht, das ist wieder eine ganz andere Frage.
In einer Mischung aus Bleistiftvorzeichnungen und Aquarellkolorierung stellt sich die langsame Handlung großzügig vor den Augen des Lesers dar. Hier gibt es keine Eile. Die Bilder wollen sorgfältig betrachtet werden. Ein szenischer Schwenk erfolgt unmerklich, traumhaft wie die Handlung. Eben noch findet Jakob den Kutscher, sachte erscheint der Rabe, der kurz darauf durch den Fuchs abgelöst wird. Erzählung wie Bilder gleiten ineinander über. Das mag auch verwirren, da Zeit hier nicht die Rolle spielt, wie es in anderen Geschichten der Fall ist.
Die Umsetzung durch altbewährte Handarbeit per Stift und Pinsel (der Rechner mag bei dem Zusammensetzen geholfen haben) gibt der Geschichte einen Hauch Nostalgie. Die Mischung aus gegenwärtigen und mittelalterlichen Dekorationen trägt viel zur geheimnisvollen Atmosphäre des vorliegenden Bandes bei.
Rätselhaft und gefühlvoll erzählt, in der Tradition von Märchen und noch tiefer gehend. Nichts für Kinder, eher für Erwachsene, die sich ein wenig Kind bewahrt haben. Wunderschön gezeichnet und gemalt. Wichtig: Nicht alles verstehen wollen, einfach wirken lassen. 🙂
Jakob: Bei Amazon bestellen