Largo Winch befindet sich weiterhin unter Mordverdacht und auf der Flucht. Die offizielle Beweislage spricht gegen ihn. Scheinbar ist auch jedermann, abgesehen von seinen engsten Freunden, bereit zu glauben, dass der smarte Geschäftmann schuldig ist. Was war geschehen? Ein Traditionsunternehmen, angesiedelt in der Herstellung von Wintersportartikeln, hat Werke geschlossen und 2500 Mitarbeiter entlassen. Bei einer Gesprächsrunde im Fernsehen erschießt sich der ehemalige Geschäftsführer im Beisein von Largo Winch vor laufender Kamera. Alle sind schockiert. Genau das erwartet jeder durch das gierige Geschäftsgebaren der Großkonzerne: Geld geht über Leichen.
Largo Winch, ein junger Mann, der sich wider Erwarten an der Konzernspitze der Gruppe W behaupten konnte, ist nicht gewillt einen unberechtigten Mordverdacht auf sich sitzen zu lassen, noch will er die Untersuchungen dazu den offiziellen Stellen überlassen. Außerdem will er sich nicht die Verantwortung für dubiose Machenschaften unterschieben lassen. Wer auch immer derart menschenverachtend mit den Arbeitnehmern der Herstellerfirma Speed One umgegangen ist, wird dafür Rede und Antwort stehen müssen.
Mit dieser Fortsetzung findet das jüngste Komplott gegen Largo Winch seinen Abschluss. Autor Jean van Hamme hat seinen Helden international agieren lassen, gegen Großindustrielle, Gangster und Kleinganoven. Aber selbst im eigenen Land ist er nicht sicher. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten können auch die Großen sehr tief fallen. Bisher jedenfalls, im ersten Teil der Handlung, sah es nicht nur so aus, als sei Largo Winch (zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes) zum Abschuss freigegeben, es sah auch so aus, als werde es ihm diesmal wirklich an den Kragen gehen.
Jean van Hamme fackelt nicht lange, wenn es um Abenteuer geht. Dafür schickt er seinen Helden auch zur besten Unterhaltung des Lesers durch die Hölle. Ausgangspunkt für das Desaster innerhalb seines Konzerns, dem sich Largo stellen muss, ist ein finanztechnischer Trick, durch einige Manager viel Geld machen wollen. Das Zauberwort heißt Stock Options. Wer auf dem Börsenparkett nicht fit ist, kann sich zunächst durch eine kurze Erklärung mit dieser Praktik vertraut machen. Viel wichtiger ist jedoch, wie viel Schindluder mit dieser Praktik getrieben werden kann. Van Hamme nutzt genau diese Möglichkeit zur Grundlage seiner ausgefeilten Kriminalgeschichte.
Sehr elegant flechtet van Hamme noch weitere Erzählstränge ein. Für die langjährigen Fans wird die Charakterentwicklung Largos und seiner Freunde fortgeführt. Der Mikrokosmos der kleinen Ortschaft, die durch den Werksverlust in Mitleidenschaft gezogen wird, wird nicht vergessen. In den Reihen der Hochfinanz gären die Intrigen. Stein auf Stein entwirft van Hamme eine wie selbstverständlich ablaufende Kettenreaktion. Hier ist Weiterblättern angesagt. Das hat neben der hervorragenden Erzähltechnik van Hammes aber auch noch andere Gründe.
Ohne Philippe Francq wäre Largo Winch kein derartiger Erfolg beschieden. Francq weiß jede Szene perfekt zu gestalten. Gleich zu Beginn verfolgt der Leser eine spektakuläre Flucht über einen reißenden winterlichen Gebirgsfluss. Largo Winch treibt erschöpft auf einen riesigen Wasserfall zu. Ein Entkommen scheint unmöglich … Dank der sehr realistischen Strichführung, einer sicheren Inszenierung und einem guten Auge für die Bildaufteilung ist auch der spätere Kampf in den Vorstandsetagen und den piekfeinen Restaurants nicht weniger spannend. Außerdem kann sich Francq in dieser Ausgabe einen kleinen Spaß nicht entgehen lassen. Mit Harvey Wilcox, einem der Drahtzieher der dunklen Machenschaften, tritt ein Mann vor die Kamera, der einem Brad Pitt stark nachempfunden ist. Eine Yuppie-Frisur, ein kantiges Kinn und ein leicht jugendlich naiver Gesichtsausdruck tragen dazu bei, dass die Darstellung dieser Figur schon beinahe in die Karikatur abgleitet.
Insgesamt besticht Philippe Francq wieder durch seine großartigen Kulissen, weshalb die Mischung aus Thriller und Wirtschaftskrimi die optischen Maßstäbe aufrecht erhält, die sich die Reihe gleich zu Beginn gesetzt hat.
Ein kurzer Rückblick klärt zwar über die bisherigen Geschehnisse auf, eine Lektüre des ersten Teils der Handlung wäre allerdings besser. Denn dann lässt sich dieser abschließende zweite Teil noch viel besser genießen. Für Comic-Thriller-Fans absolut empfehlenswert. 🙂
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