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Comic Blog


Sonntag, 09. Mai 2010

Engel

Filed under: Cartoon — Michael um 13:55

EngelDa stinkt doch was! Der kleine Yesod, von Beruf Engel, der die Stufen zum Keller der Kirche hinabsteigt, ahnt schon etwas. Was dort unten, knallrot und mit einem langen Schwanz ausgestattet, gleich in einer ganzen Horde sein Unwesen treibt, sind Dämonen. Leider will ihm diese Entdeckung niemand glauben. Auch Engel haben es nicht leicht. Ganz und gar nicht. Wenn man, wie diese beiden Engel hier, sein Dasein auf einem Außenposten fristet, ist es hin und wieder sogar langweilig. Und da die Beobachtung hier nicht so gut funktioniert (denn die Menge der Engel wird andernorts benötigt), finden sich alsbald dunkle Mächte und Verführer, die den Pfarrer auf ihre Seite ziehen wollen. Ob das gut geht?

Was haben Engel nicht schon alles mitgemacht? Sie wurden aus dem Himmel verstoßen, wollten in den Himmel zurück. Sie wollten gar Gott persönlich an den Kragen. Sie fühlten sich ungeliebt, verliebten sich in Menschen, verteidigten sie vor dem Ende der Welt. Sie zogen in den Krieg gegen Dämonen … Genau wie hier! Genau wie hier? Nein, nicht ganz. Während der Leser aus diversen Fantasy-Szenarien wie Romanen oder Filmen, auch Comics große, martialisch aussehende Krieger mit Flügeln gewohnt ist, sehen die Engel von Didier Teste, Künstlername Dieter, und Olivier G. Boiscommun eher wie Putten aus, zumindest jene, die ein wenig mehr Fleisch auf den Rippen haben.

Nicht nur das: Diese Engel sind auch viel, viel kleiner. Die ersten beiden, denen der Leser begegnet, Yesod und Jeliel, tun Dienst (genau das) in einer Kirche, fernab vom Trubel. Es passiert nicht allzu viel in dieser Idylle, in der es im Gottesdienst sogar Besucher gibt. Bis … die Dämonen wieder da sind.

Dieter entwirft mit diesen putzigen Wesen, die Dämonen eingeschlossen, von der Größe eines Unterarms, eine ungewohnte Heerschar, die dem Engel-Genre, wenn man es so nennen will (warum nicht, Vampire haben inzwischen auch ihr eigenes Genre), frischen Wind einhaucht. Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck einer Komödie, schließlich aber schlägt die gesamte Handlung der insgesamt hier vorliegenden drei Episoden in ein handfestes Fantasy-Abenteuer um. Das Augenzwinkern bei der Schilderung der beiden Engel, die durch weibliche Verstärkung erst zu dritt, später zu viert sind, findet sich aber durchweg, weshalb die Handlung allseits nicht nur spannend und unterhaltsam, sondern auch ein Spaß ist.

Aus den anfänglich von Olivier G. Boiscommun nackert gezeichneten Figuren werden nach ihrer Strafversetzung ins belagerte Notre-Dame gewappnete Engel. An Orten mangelt es nicht. Kirchen, ein Mädcheninternat, endlich sogar die Hölle sind die Austragungsorte der Kämpfe von Gut gegen Böse, von denen sich schließlich zeigt, dass sie gar nicht so weit auseinander liegen. Boiscommun beherrscht sein Szenario mit einem ausgesprochenen Sinn für Putzigkeit und findet seinen ganz eigenen Weg dies darzustellen.

Im Vergleich aller drei Episoden wird in der ersten Episode, die passenderweise Psalm 1 heißt, noch viel ausprobiert. Die Bilderzahl pro Seite ist höher, sie sind entsprechend kleiner als in der dritten Episode. Die Farbgebung ist rauer, der Farbauftrag etwas willkürlicher, die Farben fließen besser, es gibt Sprenkel. Im weiteren Verlauf professionalisiert Boiscommun dies. Alles wird milchiger, der Farbauftrag wird deckender, weniger durchscheinend. Die Technik wird sicherer, die Farben kräftiger, leuchtender. Im Gegensatz zu ersten beiden Episoden könnte in Psalm 3 der Computer die Wahl für die Kolorierung gewesen sein.

Dämliche Dämonen: Nach einem Ausflug in das stets beliebte Besessenheitszenario landen unsere Helden schließlich in der Hölle. Dämonen sind hier die Bewohner. Allerdings solche, die auch der Pixar-Schmiede entschlüpft sein könnten. Durch die Konzeption entstehen Bilder, die vollkommen ohne Worte wirken und einfach zum Lachen anregen. Wer hier durch die Seiten blättert und nicht grinsen muss, ist selber Schuld.

Eine ungewöhnliche, hier in einer Ausgabe zusammengefasste, Trilogie: Ein heiteres Abenteuer bis hin zum totalen Spaß. Sehr liebevoll gezeichnet, völlig unangestrengt erzählt. Die Engel steigern sich außerdem von Abenteuer zu Abenteuer. Das ist, im wahrsten Sinne des Wortes, phantastisch (gut). 🙂

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