Es herrscht Bürgerkrieg. Ein junger Mann geht immer wieder seinen eigenen Weg und eckt dabei an. Es ist nur seinem riesengroßen Glück zu verdanken, dass er noch nicht getötet wurde. Sogar von den eigenen Leuten. Als er sich wieder einmal eigenmächtig von der Truppe entfernt, zwar in Richtung des Feindes und geradewegs in einen Angriff hinein, möchte ihm sein kommandierender Captain am liebsten eine Kugel in den Rücken jagen. Selbst als der Angriff siegreich überstanden ist, droht immer noch das Kriegsgericht. Aber auch jetzt ist ihm das Glück hold. Doch Blueberrys Glück hat einen Haken. Sein Geschick, eine schwierige Mission zu meistern, scheint auch bis zu seinen Vorgesetzten vorgedrungen zu sein. Und so wartet bereits das nächste Himmelfahrtskommando.
Frieden: Es gibt doch tatsächlich noch Menschen, die in den Wirren dieses Krieges daran glauben wollen. So findet sich eine kleine Delegation auf der Seite der Nordstaaten (Blauröcke), die mit Erlaubnis beider Kriegsparteien in der Gebiet der Konföderierten (Grauröcke) reisen dürfen, um dort einen der Befehlshaber zu treffen. Blueberry soll diese für ihn zu optimistischen Menschen begleiten. Eine junge Frau, Elenore Mitchell, wird von Blueberry sehr zwiespältig betrachtet. Einerseits ist sie attraktiv, andererseits geht von ihr ein starkes Zielbewusstsein aus.
Wie zielbewusst die junge Dame ist, wird der Leutnant bald heraufinden.
Mit Francois Corteggiani und Michel Blanc-Dumont hat sich ein sehr gutes und inzwischen sehr eingespieltes Team zusammengefunden. Der vorliegende 15. Sammelband der Blueberry Chroniken mit der Überschrift Das Lincoln-Komplott vereint die Geschichten Die Pinkerton-Lösung, Der Pfad der Verfluchten, Letzter Zug nach Washington und Lincoln muss sterben. Ein großzügiger redaktioneller Teil beleuchtet die historischen Fakten, insbesondere Präsident Lincoln. Desweiteren wird Blueberrys neuer Biograph Francois Corteggiani einmal genauer vorgestellt.
Es ist eine Tatsache, dass Lincoln einem Attentat zum Opfer gefallen ist. Vor diesem historischen Hintergrund entspinnt Corteggiani eine umfangreich erzählte Intrige, in deren Mittelpunkt auch eine Mörderin steht, die einer Mylady De Winter (Die drei Musketiere) in nichts nachsteht. Äußerlich ein Engel, der durch seine Art und auch seine Attraktivität die Männer zu verwirren weiß, agiert sie im Gegenzug vollkommen kaltblütig. Wer zu viel weiß, im Wege steht, wird ermordet. Als Waffe dient, was gerade zur Hand ist.
Damit hat Corteggiani ein weitestgehend ungewöhnliches Element in diesen Krieg eingebracht. Dieser Bürgerkrieg ist dreckig und unmenschlich. Ausgerechnet jene Figur, die sich anfänglich am besten dazu eignet, für den Frieden einzutreten, wird zum Todesengel. Doch Corteggiani begnügt sich nicht mit diesem einen Handlungsstrang um die mordende Spionin. Inzwischen wandelt er sehr gut in den Fußstapfen eines Jean-Michel Charlier und so ist es kein Wunder, dass die sich über vier Alben erstreckende Handlung spannend, vielschichtig, aber auch verschachtelt erzählt wird.
Michel Blanc-Dumont zeichnet fein, überaus exakt und ist zuweilen auch zu kleinen Scherzen aufgelegt. So darf sich der Leser auf einen kurzen Auftritt von Scarlett und Rhett freuen, die in einem Hotelzimmer erwischt werden. Einige Charaktere, Nebenfiguren allerdings, erinnern an Klassiker aus dem Comic-Genre. So könnte einer der Spitzbuben, die mit Blueberry auf ein Himmelfahrtskommando geschickt werden, Laverdure (Freund von Tanguy) zum Vorbild gehabt haben. Jedenfalls deutet das Verhalten und das Ende dieser Figur auf den von Charlier und Uderzo kreierten Charakter hin.
Die Vielfalt der Handlungsorte wie auch die Unterschiedlichkeit der Szenen führt dem Leser die ganze Bandbreite eines Westerns zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs vor Augen. Blanc-Dumont beherrscht das Portrait ebenso gut wie Massenszenen. Zu Fuß, zu Pferd, im Wasser, sogar in der Luft ist Blueberry unterwegs. Soldaten jagen ihn oder stehen sich auf dem Schlachtfeld gegenüber. Alte Loks, sorgfältig gestaltete Innenräume, wunderbar gezeichnete Kleidung wie auch die Landschaft und Ortschaften lassen die Epoche auferstehen und bieten ein rundum perfektes Szenario. Gezeichnet, wie kann es anders sein, ganz augenscheinlich von einem Perfektionisten.
Ein pralles Westernvergnügen, spannend wie eine Spionagegeschichte, aktionsgeladen wie ein Kriegsdrama, manchmal aufregend wie ein Thriller. Das Nachfolgeduo Corteggiani und Blanc-Dumont präsentiert sich hier in Bestform. 🙂
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