Sonntag, 31. Januar 2010
Ben nimmt seinen Freund Andi mit zu einem Konzert. Es spielt Anti Alles, auf jeden Fall laut und Ben gefällt es. Wenig später läuft Ben sein alter Freund Randale über den Weg. Randale, mit richtigem Namen Klausi, ein Freund aus Kindertagen, hat inzwischen eine Vorliebe für die Ansichten der linken Szene entwickelt. Klausis kleine Schwester Nele gehört auch dazu. Randale und Nele haben ihre ganz eigene Sicht der Dinge. Ben, der nicht gleich begreift, was die beiden überhaupt meinen, ist für sie ganz einfach naiv. Andi macht sich auf den Heimweg, aber Ben wird überredet, bei einer Aktion mitzumachen und gerät prompt in Schwierigkeiten.
Als eine Demonstration von Rechtsextremen stattfinden soll, machen sich die Jugendlichen im Autonomen Zentrum zur linken Gegendemonstration bereit. Ben, der sich inzwischen für die Thesen seiner Freunde Randale und Nele begeistert, ist bei der Demonstration dabei, doch die Ergebnisse am Ende des Tages sind alles andere als vorzeigbar. Ausgerechnet, die mit all dem nichts zu tun hatten, sind die Leidtragenden.
CoDeX: Comic für Demokratie und gegen Extremismus. Die dritte Folge von Andi greift das Thema Linksextremismus auf. Nach den ersten beiden Themenblöcken, Rechtsextremismus und Radikaler Islamismus, versuchen nun andere Jugendliche und propagandistische Aufklärer den Freundeskreis von Andi aufzubrechen. Der Weg geht über eine Art Jugendzentrum, die Musik und Sprüche, die niemand so recht versteht. Deshalb wird vieles in glatte Parolen verpackt.
Für Gerechtigkeit in der Welt hilft nur eins: Hängt die Bonzen.
Ben wird mitgerissen. Einerseits findet er Freunde bei den Linken, andererseits kann er sich auch für Nele begeistern. Welche Gründe er für seine Begeisterung zu linken Themen hat, kann der Comic nicht in aller Tiefe herleiten, aber einer Gruppendynamik kann sich der eine oder andere Jugendliche in dieser oder jenen Situation sicher nicht immer entziehen. So mancher wird das positive Gefühl in einer solchen Situation kennen. Solange nichts Gravierendes geschieht, ist alles gut. Bei Ben kommt das Umdenken wie auch wieder das eigenständige Nachdenken, als er sieht, was mit einem Kiosk passiert. Der Besitzer des kleinen Ladens hat den Schaden.
Die kleine Geschichte erzählt auf einfache Weise, was passieren kann. Wie leicht kann jemand, besonders in jungen Jahren, in die Fänge einer falschen Doktrin geraten. Kern der Aussage: Hirn einschalten. Selber denken. Nicht nachbeten. Das ist leichter gesagt als getan. Auch hier kommt die Erkenntnis erst, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist. Zwischendurch, abseits der versammelten Parolen, denen Ben auf den Leim geht, werden Begriffe zum politischen Thema erklärt: Antifaschismus, Linksextremistische Ideologie und Agitation, Demonstrationsrecht und einige mehr.
Die zeichnerische Umsetzung erfolgt durch den Düsseldorfer Comic-Zeichner Peter Schaaff. Im jugendlichen und kindgerechten europäischen Manga-Stil und mit fetten schwarzen Outlines lassen sich die Erlebnisse von Ben verfolgen (der namensgebende Andi ist hier eher eine Nebenfigur). Das ist schnörkellos auf dem Punkt. Keine übertriebenen Perspektiven oder Einzelheiten. Die Bilder sollen die Information zügig transportieren. Das ist durchaus in der Tradition, wie sie der jugendliche Leser und Zuschauer aus Comic-Magazinen und Trickserien her kennt.
Der Aufbau passt zur Informationsvermittlung. Oftmals ist die Aufmerksamkeitsspanne kurz, deshalb muss das Timing stimmen. Informieren, aber nicht langweilen. Entsprechend kurz und bündige Texte zum Thema runden die vorliegende Ausgabe ab.
Durch die Initiative des Innenministeriums des Landes Nordrhein Westfalen geht die politische Aufklärungsarbeit den ungewohnten Weg weiter. Information in Kürze, gut erzählt, zielgruppengerecht gezeichnet. Mehr Informationen unter: www.andi.nrw.de
Mittwoch, 27. Januar 2010
Die Welt der Finanzen und der großen Konzerne sind ein hartes Umfeld für die Menschen, die sich darin bewegen. Und es ist für so manchen, der darunter zu leiden hat, ein Umfeld großer Gleichgültigkeit. Plötzlich gibt es wieder 2.500 Arbeitlose mehr. Schuld hat: Largo Winch. Leider ist die Gruppe W derart groß, dass Largo gar nicht alles im Blick haben kann. So erfährt er erst in einem Fernsehinterview von dem Vorgehen seines Konzerns. Live wird er von dem Moderator in die sprichwörtliche Ecke gedrängt und gerät in Erklärungsnot. Aber die Katastrophe ist noch nicht komplett. Der ehemalige Leiter der Firma, deren Produktion nun nach Osteuropa verlagert wird, ist eingeladen. Niemand hat sich die Mühe gemacht ihn zu kontrollieren. Als er vor laufender Kamera eine Pistole zieht, scheint das Ende von Largo besiegelt.
Largo Winch, das wissen Leser aus anderen Geschichten, ist kein Charakter, der sich mit einer unbequemen Situation zufrieden gibt. Aussitzen kennt er nicht. Nach einer Debatte mit seinen führenden Managern macht sich Largo auf in den Weg in die Berge, in jenen kleinen Ort, der von der nun schließenden Firma abhängig war. Der Empfang ist alles andere als herzlich.
Jean van Hamme versteht es mit ungeheurer Präzision aus einer Sequenz, die auch einer Serie wie Dallas oder Denver Clan entsprungen sein könnte, einen dichten Thriller zu schaffen. Die Figur des Largo Winch ist jemand, der nicht alles weiß. Ausgestattet mit einem guten Herzen, einer kleinen Portion Naivität, großem Tatendrang und Mut, macht er sich daran, Rätsel zu lösen, die zunächst erst einmal weiter ausufern, bevor eine Lösung auch nur im Ansatz zu erkennen ist. Am allerwenigsten für Largo Winch.
Durch die Gruppe W und die dahinter stehenden Finanzen ergeben sich für Largo Winch vielfältige Möglichkeiten. Ein Privatjet, eine neue Pilotin, die auch noch als Leibwächterin taugt und die gegen Largos Annäherungsversuche und seine männliche Präsenz gefeit ist. All das und noch mehr gibt Largo Werkzeuge in die Hand, die ihm bei seinen Abenteuern helfen. Wie sich im diesem Fall wieder dank Jean van Hamme zeigt, reicht das bei weitem nicht aus, um die Sache mal eben geradezubiegen. Van Hamme wirft zu Beginn die Schlinge aus. Er weiß natürlich, wie sein Held sich verhalten wird, weiß, was Largo tun wird. Nach Largos nächsten Schritten schnappt die Falle zu. Besser gesagt: Van Hamme lässt sie genüsslich zuschnappen. Aus einer Firmenpleite und Produktionsverlagerung wird ein Mordfall. Und wer steht im Zentrum der Ermittlungen: Largo Winch.
Es funktioniert. Van Hamme pendelt mit seiner vorliegenden ersten Episode Der Preis des Geldes dieses Handlungsstrangs zwischen den Straßen von New York, der verschneiten Bergwelt und den Erinnerungen von Largos Freund Freddy und ehemaligem Piloten. Das ist so geschickt verschachtelt und in so perfekt abgestimmten Längen aufgebaut, dass zu keiner Zeit Langeweile aufkommen kann. Im Gegenteil: Am Schluss fällt es sehr schwer, auf die Fortsetzung, den abschließenden zweiten Teil warten zu müssen.
Philippe Francq setzt die Handlungsvorgaben mit technischer Brillanz um. Dank Francqs Technik und Begabung sind nicht nur die Action-Szenen dicht geworden. Städte und Landschaften leben. Francq legt auf die kleinen Details wert, die es so selten in Comics zu sehen gibt. Simon und Freddy, Largos Freunde, verbringen den Abend trinken und erzählend zusammen. Der Leser sieht, wie sie sich auf dem Sofa vor dem Fernsehen lümmeln und Simon schließlich aufsteht. Der Blick auf diese Szene ist heimlich, als wäre der Leser still hinter ihnen im Raum. Es sind diese leisen Bilder, die den Leser heranziehen und auch einen Moment der Pause gönnen, bevor es rasante Verfolgungsjagden, Prügeleien und allerhand Überraschungen gibt.
Francq zeichnet sehr fein, fragil (das hört sich noch zerbrechlicher als nur zerbrechlich an). Seine Figuren kommen mit wenigen Tuschestrichen aus. Gesichter sind häufig kantig, Frauen vielleicht etwas stereotyp, solange sie jünger sind. Francqs Kulissen sind großartig, seine Perspektiven mit dem Blick eines Kameramanns gewählt. Kurzum, die vorliegende Ausgabe ist wieder ein Beweis für den Erfolg der Reihe, der neben der von Van Hamme straff erzählten Handlung auch in den tollen Bildern von Francq zu finden ist.
Ein ungewöhnlicher Auftakt wird zu einem ungewöhnlichen Thriller. Largo Winch ist wieder in Bestform. Innerhalb der USA gilt es, Intrigen und noch schlimmere kriminelle Machenschaften aufzuklären. Unvorhersehbar, voller packender Wendungen und mit tollen Bildern ist Der Preis des Geldes ein Top-Thriller. 🙂
Largo Winch 13, Der Preis des Geldes: Bei Amazon bestellen
Oder bei Schreiber und Leser.
Sonntag, 24. Januar 2010
Ein Gesicht für Judas: Es ist nicht leicht zu finden, dieses Gesicht, das dem Mann gehört, der Jesus verraten hat. Leonardo da Vinci, ein Universalgenie und ein begnadeter Maler, hat seine Probleme mit diesem Gesicht, das eben eines nicht sein darf: Verräterisch. Die Güte im Gesicht des Herrn zu malen, sei leicht, behauptet Leonardo. Das Böse im Herzen von Judas sei von außen nicht zu sehen. In der Tat ist bereits jede Figur auf dem neun Meter breiten Gemälde personalisiert, nur Judas nicht. Manchmal arbeitet Leonardo an seinem Bild, manchmal starrt er es nur stundenlang an. Obwohl dies seine vordringlichste Aufgabe ist, lässt er andere Auftragsarbeiten wie auch die eigenen Studien nicht außer Acht.
Für den Herzog von Mailand soll er ein Reiterstandbild entwerfen. Doch gerade in Kriegstagen und in Zeiten nur mager gefüllter Kassen ist es selbst für einen Fürsten eine unlösbare Aufgabe, derart viel Bronze für ein Standbild aufzutreiben. Viel näher läge es, einmal auszurechnen, wie viel Kanonen daraus gegossen werden könnten. Aber das sind Leonardos Probleme. In Mailand selbst geht ein Mörder um. Im Winter des Jahres 1494/95 findet sich in den frühen Morgenstunden eine Leiche auf dem zugefrorenen Fluss. Ihre Gesichtshaut wurde entfernt. Dennoch ist die Identität des Toten schnell ermittelt. Das Rätsel um das Mordmotiv ist bei weitem nicht so schnell gelöst.
Eine Verschwörung: Aber zu welchem Zweck? Didier Convard, der Autor, dürfte Comic-Fans, die an mysteriösen Thrillern interessiert sind, bereits durch die beiden Zyklen um Das geheime Dreieck bekannt sein. Darüber hinaus ist er ein über die Jahre sehr aktiver Comic-Autor. Mit Vinci widmet er sich jener Schaffensphase von Leonardo da Vinci, die der Meister von 1494 bis 1499 in Mailand verbrachte. Im zweiten Teil des vorliegenden Bandes kann der Leser das Leben Leonardos in Venedig verfolgen.
Convard greift die wahre Historie um die Entstehung des Letzten Abendmahls auf. Er verzichtet aber darauf, das Bild selbst in den Mittelpunkt unheimlicher Geschehnisse zu rücken, wie es beispielsweise ein Javier Sierra mit seinem Buch Das geheime Abendmahl macht. Es bleibt auch zuerst ungewiss, ob Leonardo tatsächlich im Mittelpunkt des Geschehens steckt, oder ob er eher eine Nebenfigur ist. Diese Ungewissheit erschwert den Zugang ein wenig, falls man mit einer Erwartungshaltung an die Lektüre geht. Wirft man sämtliche Vorkenntnisse über Bord, auch solche, die von Konzepten eines Dan Brown herrühren, dann lässt man sich auf eine sehr interessante und mit zunehmendem Maße spannende Geschichte ein.
Die Lebensgeschichte und die Werke eines Leonardo da Vinci sind ohnehin aufregend und faszinierend. Ein Künstler und Genie, der seiner Zeit durch seine Gedankenspiele immer voraus gewesen zu sein scheint, kann in der hier beschriebenen Gesellschaft, die real existierte, nur eine Art Außenseiter sein. Ein Außenseiter, dem Bewunderung entgegengebracht wird, aber immer noch ein Außenseiter. Seine Verhaltensweisen sind ebenfalls nicht dazu angetan, ihn in ein bürgerliches Leben zu integrieren. Historische Begebenheiten und Ermittlungen in Mordfällen wechseln einander ab: Zuerst in Mailand, später in Venedig. Didier Convard lässt keine Fragen am Schluss der Handlung offen. Wirklich keine und so werden nicht nur die Mordfälle gelöst. sondern auch die Zurückhaltung eines Leonardo begründet.
Gilles Chaillet zeichnet die klare Linie, die ein Grund für die Berühmtheit der frankobelgischen Schule ist. Chaillet konnte mit seinen Zeichnungen in Vasco bereits zeigen, wie sehr im historische Szenarien liegen. Seine penible Arbeit ist geniales Anschauungsmaterial, wie er auch mit seiner Arbeit an Das Rom der Kaiserzeit bewiesen hat. Diese Anschaulichkeit findet sich in den Kulissen des alten Mailand und Venedigs wieder. Schnörkellos ordnet sich Chaillet mit seinen Bildern der Handlung unter. Das gibt dem lesenden Auge viel Ruhe. Andererseits verlangen es die sehr schönen Bilder auch, nach Lektüre des Textes, ausgiebig betrachtet und auch genossen zu werden.
Eine packende Geschichte in einem spannenden historischen Zeitabschnitt: Die faszinierende Figur des Leonardo da Vinci steht im Kern einer unheimlichen Mordserie. Geschickt vermischt Thrillerexperte Didier Convard Wahres mit Erfundenem. Die Bilder von Gilles Chaillet transportieren die Handlung unaufdringlich, aber in perfekter Illustration. 🙂
Vinci: Bei Amazon bestellen
Samstag, 23. Januar 2010
Die Welt da draußen ist anders geworden. Die Menschen sind verschwunden. Professor Jack Stanton hatte ein Leben. Er war in den Medien. Alles schien so zu kommen, wie er es gerne gehabt hätte. Doch dann … versank die Welt in einem Trümmerhaufen. Statt menschlicher Gesellschaft steht eine Schaufensterpuppe in seinem Zimmer. In einem Zimmer, dem die Außenwand fehlt. Am Rande New Yorks gähnt ein gigantischer Abgrund. Brooklyn besteht aus Trümmern, Manhattan ist fort. Jack weiß nicht, wo es geblieben ist. Es ist ihm auch gleichgültig. Er hat Hunger. In diesen Tagen ist es mehr als nur schwierig geworden, etwas Essbares aufzutreiben.
Jack ist ein Glückskind. In einer verlassenen Tankstelle findet er nicht nur Getränke, sondern auch Snacks, die früher nichts für Gesundheitsfanatiker waren, doch inzwischen die einzigen Lebensmittel zu sein scheinen, die sich derart lange gehalten haben. Und Jack hat noch mehr Glück: Jemand findet ihn!
Wo ist Jack Stanton? Das ist nicht die einzige große Frage, die sich der Wissenschaftler stellt. Man könnte auch fragen: Wann ist Jack Stanton? Keine der Antworten, die er sich selber gibt, gefällt ihm besonders. Jede birgt neue Fragen. Weitere Antworten fallen schwer. Außerdem muss sich Jack bald nicht nur um seine Nahrung kümmern, sondern ganz konkret um sein Überleben kämpfen. Diese neue untergegangene Welt lässt ihre Masken fallen und offenbart dem Propheten, dass die Geschichte der Menschheit noch lange nicht am Ende ist.
Mathieu Lauffray schreibt und zeichnet auch diese Episode in Personalunion. Es ist ein apokalyptisches Szenario. Zunächst kann Lauffray sich an einer zerstörten Königin der Städte, dem Big Apple, austoben. Der Eindruck ist bombastisch. Im grafischen Stil eines John Buscema (Conan, Fantastic Four) und dem zerstörerischen Feuereifer eines Roland Emmerich macht sich Lauffray ans Werk. Anfangs ist es wie ein Ausflug in die Offenbarung, wechselt jedoch mit dem Auftritt äußerst fantasievoll gestalteter Wesen in pure Fantasy.
Aus dem Weltuntergang wird durch eine Prise Clive Barker ein Szenario, in dem man sich als Genre-interessierter Leser und Zuschauer ein wenig an Cabal Die Burt der Nacht erinnert fühlt. Bereits die Titelbilder von Band 1 und 2 zeigen einen Ausblick auf die Richtung jener Wesen, die hier auf den Leser warten. Sie sind modern, zum Teil auch ein wenig Giger-artig (nach H.R. Giger). Rückblicke auf den Weltuntergang wie auch auf die Rückstände des Untergangs verlangen eigentlich eine große Bühne, sprich auf einer Doppelseite hätten sie noch einmal so viel Eindruck schinden können. Das ist, um im filmischen Vergleich zu bleiben, großes Kino.
Aus einer Begegnung wird eine Prophezeiung, der nicht so recht geglaubt werden will. War Jack Stanton in seiner ursprünglichen Welt schon nicht sonderlich beliebt, ist er es hier auch nicht. Zwar haben sich seine Charaktereigenschaften etwas gewandelt und das Großmaul ist etwas kleinlauter geworden, doch überzeugen kann Stanton seine neuen Freunde doch nicht wirklich. Nur wenige setzen Hoffnung auf ihn. Das ist, gemessen an vergleichbaren Szenarien, nicht die neueste Wendung, aber man verzeiht es Mathieu Lauffray gerne, sobald die Handlung ihren Lauf fortsetzt.
Nach einer gemächlichen Einleitung, einem großen Knall und einer Überleitung setzt die Handlung plötzlich zum Spurt an. Die Bilder nehmen den Leser bei der Hand, zerren die Augen mit, zwingen zum Umblättern. Lauffray beherrscht die Kunst, das Auge zu führen, perfekt. Die Hektik mancher Szene ist fühlbar, Strich und Farben sind auf dem Punkt. Alles scheint immer gerade so viel, wie es eben nötig ist.
Wer das Spiel mit apokalyptischen Szenarien mag, Bilder eines Zeichners sehen möchte, der sehr oft den besten Bildausschnitt findet und ganz eindeutig vom Kino inspiriert wurde, der sollte einen Blick riskieren. Langsam wird der Anti-Held Stanton vom Saulus zum Paulus und das ist verdammt spannend. 🙂
Prophet 2, Infernum in Terra: Bei Amazon bestellen
Freitag, 22. Januar 2010
Die Gifticks haben ein Problem. Sie sind klein, aber sie haben trotzdem Hunger. Das Dumme ist: Die vielen Speisen der Menschen sind oft so aufwändig verpackt, so dass ein Giftick nur sehr schwer an den Inhalt herankommt. So wie bei dieser Dose mit Sardinen. Ohne Öffner geht hier gar nicht nichts. Doch woher soll dieser Öffner genommen werden. Während zwei Gifticks sich auf den Weg machen, um einen zu finden (oder auch Nahrung, deren Verpackung keinen Kraftakt benötigt), bleibt die Nummer Drei genervt zurück. Gifticks sind findig. Deshalb gelingt es zweien tatsächlich einen Dosenöffner aufzutreiben. Leider sind Gifticks nicht unbedingt geduldig, weshalb …
Damit sind weitere Verwicklungen vorprogrammiert. Die Gifticks, die es nicht nur gewohnt sind, anderen Kummer zu bereiten, bleiben auch selbst nicht davon verschont. So wird aus der simplen Beschaffung eines Dosenöffners (sofern man von simpel sprechen kann, wenn man gerade einmal so groß ist, dass ein Bad in einer Sardinendose denkbar wäre) zu einem halsbrecherischem Abenteuer.
Und es soll nicht das einzige bleiben: Gifticks haben einen Wunsch. Sie möchten gerne die Weltherrschaft übernehmen. Und sie haben ein Problem. Sie sind gerade einmal so groß, dass es möglich wäre, in einer Sardinendose zu … Aber das schrieb ich schon. So ein Giftick hat aber noch ein Problem. Seine Größe bringt es mit sich, dass ihm wirklich ständig etwas zustoßen kann. Daher käme ein gutes Versteck gerade zur rechten Zeit. Ein Haus, das von anderen für ein Spukhaus gehalten wird, könnte das richtige sein. Leider … Ja, leider sind Gifticks auch Pechvögel. Also, leider sind sie nicht die einzigen auf dieser Welt, die nach einer globalen Herrschaft streben.
In der zweiten Folge der Gesamtausgabe der Gifticks geht es deutlich humorvoller zu als zuvor. Die Gifticks waren ihrer Zeit weit voraus. Ihr Ziel, die Weltherrschaft zu erlangen, ist dafür bezeichnend. 1977 stellte ihnen ihr Schöpfer Paul Deliege sogar Konkurrenz zur Seite. Und selbst die war ihrer Zeit weit voraus. (Erst 1993 sollten Mäuse wie Pinky und Brain dieses Ziel auf dem Fernsehschirm verfolgen.) Doch zurück auf Anfang.
Die Zeichnungen sind verspielter, viel stärker funny als bisher. Der Gegensatz, die Figuren der Gifticks zu ihrer Umgebung und anderen handelnden Personen, ist nun fort. Die Welt der Gifticks ist komplett cartoony. Beides, das ursprüngliche Konzept wie auch die hier vorliegende Umsetzung, hat seinen Reiz. Unter dem Strich allerdings lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass die Gifticks zu diesem Zeitpunkt in der fantasievollen Komödie angekommen. Derart fantasievoll sogar, es keine Grenze mehr gibt.
Waren die Gifticks ursprünglich die Angreifer, die bösen Buben, rutschen sie hier in die Opferrolle und gehören zu denjenigen, die in die Bredouille geraten. Die Menschen sind hier vollends zu Nebenrollen geraten. Sie sind die Statisten, über die man lacht, wie es sich für eine französische Komödie gehört. In der albenlangen Episode Das seltsame Haus werden sie eigentlich noch nicht einmal mehr benötigt.
Der Zeichenstil ist sehr 70er und somit auf der Höhe der damaligen Zeit, wie ihn der Leser häufig in europäischen Comic-Magazinen fand. Vergleicht man ihn mit Cartoons der Gegenwart, findet sich vieles wieder. Was gut ist, bleibt eben gut. Manches, so wie die stilistische Grundtendenz der Zeichnungen von Paul Deliege lässt sich eben nicht besser machen. In Abenteuerliche Entführung sind die Zeichnungen sehr sorgfältig getuscht, in der folgenden Episode gestattet sich Deliege etwas mehr Schmiss, ohne die Sorgfalt vermissen zu lassen. Vergleichsweise könnte man sagen: Hat zuerst noch der Techniker die Oberhand, übernimmt daraufhin der Künstler die Führung.
Nachdem die Gifticks vorgestellt sind, werden sie nun auch zu Sympathiefiguren, die einem sogar leid tun können. Wer hätte das gedacht? Aber diese Erzählrichtung ist sehr lustig und glänzt mit immer neuen Einfällen. Wer kleine aberwitzige Wichte mit besonderen Fähigkeiten erleben möchte, die toll in eine schöne und abenteuerliche Komödie eingebunden sind, sollte einen Blick in diese Ausgabe der Gifticks riskieren. 🙂
Die Gifticks Gesamtausgabe 2: Bei Amazon bestellen
Mittwoch, 20. Januar 2010
Runter mit dem Kopf! Die gnadenlosen Säuberungen innerhalb Frankreichs nehmen ihren Lauf. Niemand scheint sicher. Das Volk beobachtet trotzdem immer wieder jubelnd, wie der nächste Delinquent den Gang hinauf zur Plattform der Guillotine antritt. Maximilien Robespierre zieht öffentlich die Strippen. Keiner mag sich ihm offen widersetzen. Noch nicht. Das Blutbad und die immer höher werdende Zahl derer, die ihren Kopf verlieren, sorgt für Unmut. Selbst in den höchsten politischen Kreisen können die nächsten Opfer zu finden sein. Manchen reißt der Geduldsfaden. Galt Robespierre bisher als unantastbar, könnte es bald schon zu einem Umsturz kommen. Doch wer wird es wagen, gegen den mächtigen Mann Frankreichs aufzubegehren?
Was geschieht eigentlich hinter den offiziellen Ereignissen der Geschichte? Die Französische Revolution hat den französischen Staat mehr als nur erschüttert und dem König den Kopf gekostet. Einiges wurde von unten nach oben gekehrt und das mit einer Brutalität und Willkür, die sich nicht hinter Revolutionen und Machtübernahmen heutiger Tage und Kulturen verstecken muss.
Unter Maximilien Robespierre leidet Frankreich unter einer Terrorherrschaft ohnegleichen. Aber warum handelte der Politiker so, wie er handelte? War er wirklich dieses Monstrum der Revolution? Oder beeinflusste ihn jemand hinter den Kulissen? Thomas Mosdi greift diese Frage auf und bedient sich der Idee der Geheimbünde und Logen, die unzweifelhaft ihr Netzwerk zu allen Zeiten mehr oder minder erfolgreichgestrickt haben. Thomas Mosdi geht noch einen Schritt weiter: Hinter den Kulissen tobt ein Kampf der Geschlechter im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Söhne Adams stehen den Töchtern der Lilith gegenüber. Diese Auseinandersetzung wird mit List, Tücke und mit Gewalt geführt. Die bestehende Ordnung muss zerstört werden, um etwas Neues aus ihr zu kreieren. Robespierre, der Tugendhafte, erliegt der Verführung einer dunkelhaarigen und üppig ausgestatteten Frau sehr zum Verdruss der Söhne des Adams, eines Geheimbunds mit direkter Unterstützung des Heiligen Stuhls. Thomas Mosdi hat eine Geschichte entwickelt, die in all den Szenarien um Verschwörungen eine kleine Sonderstellung einnimmt.
Es geht dabei seltener in die Vergangenheit und noch seltener werden reale historische Ereignisse derart sorgsam in die eigens entworfene Geschichte verwoben. Thomas Mosdi vergisst die echte Historie hierbei nicht, kann aber wegen der Begrenztheit des Umfangs nicht sehr auf Einzelheiten eingehen. So ist die Verletzung Robespierres am Kiefer auf dem Schafott irritierend, aber ein historischer Bestandteil, den der Geschichtsinteressierte schnell nachholen kann.
Laurent Paturaud, Zeichner und Kolorist, obliegt es der Geschichte durch seine Bilder Leben einzuhauchen. Das Paris jener Tage war ein vornehmes, aber auch ein schmutziges. Der Leser, eben noch in einem Prolog in die noch fernere Vergangenheit des alten Ägypten entführt, findet sich kurz darauf in den Straßen von Paris wieder. Über den Köpfen einer aufgebrachten Menge, Seite an Seite mit ihr, verfolgt er den letzten Gang zweier zur Guillotine Verurteilter. Laurent Paturaud erstellt seine Grafiken mit höchster Genauigkeit. Straßenzüge, Kleidung, Uniformen, Szenen entfalten sich vor dem Leser, die so auch Illustrationen zur Epoche sein könnten.
Wie das Titelbild verrät, gibt es auch eine gewisse erotische Komponente. Ein tugendhafter Robespierre (wenigstens er selbst scheint sich so gesehen zu haben) ist letztlich nichts als Mann, der gelenkt werden kann. Bei den Söhnen Adams, den Männern des Glaubens versagen die Reize der Frauen offenbar, bei einem Mann, der Europa im Sinne der Kirche zu entchristlichen wirken sie. Einzig, wie es sich an Szenen in Verliesen, Folterkellern und bei Hinterhalten zeigt, bei Männern, die Rache suchen, versagen weibliche Attribute anscheinend auch.
Demzufolge muss Paturaud die Töchter Liliths in Situationen darstellen, in der auch ihre Schlagfertigkeit und ihre Skrupellosigkeit gefragt sind. Allzu bewegte Szenen lässt Paturaud vermissen. Er geht nur selten in die Bewegung hinein, er ist mehr ein Arrangeur als ein Choreograph. So entsteht weniger ein filmisches Erlebnis als ein Bühneneindruck. Das stört nicht im geringsten, da die Handlung auch stärker auf Atmosphäre und unterschwellige Stimmungen setzt als auf Action.
Farblich arbeitet Paturaud meisterhaft. Fast haben seine Bilder eine leichten Kreidecharakter, sehr nuanciert, mit zum Teil gröberen Oberflächen, wie sie durch den Farbauftrag von Kreidefarben entstehen.
Die Geheimnisse hinter der französischen Historie sind noch nicht gänzlich gelüftet: Thomas Mosdi und Laurent Paturaud nehmen den Leser mit zu einem geheimen Krieg. Grafisch beeindruckend umgesetzt, spannend erzählt. 🙂
Sukkubus 1, Camilla: Bei Amazon bestellen
Dienstag, 19. Januar 2010
Isnogud verliebt? Unmöglich! Undenkbar! Unwahrscheinlich! Der Mann, der sich nichts sehnlicher wünscht, als Kalif anstelle des Kalifen zu werden, sieht diese bezaubernde (und wilde) Prinzessin auf dem hiesigen Sklavenmarkt und hat nur noch einen Wunsch, nämlich, dieses weibliche Kleinod zu ersteigern. Als Dreingabe, wie dem Publikum auf dem Marktplatz immer wieder versichert wird, gibt es außerdem eine Dienerin dazu. Isnoguds Startgebot fällt sehr hoch aus. Wirklich sehr hoch. Natürlich macht sich Tunichgud, Isnoguds treuer Diener (und Mietsklave), berechtigte Sorgen. Ganz besonders dann, als ein weiterer Bieter bei der Auktion auftaucht und die Summen in die Millionen gehen. (Selbstverständlich gibt es die Dienerin immer noch als Dreingabe dazu.) Isnoguds Herz pocht. Das muss Liebe sein. Er muss die Prinzessin ebenso besitzen, wie er unbedingt Kalif anstelle des Kalifen werden will. Aber natürlich …
… kommt wieder einmal alles ganz anders.
Isnogud, der Großwesir, der nichts anderes im Sinn hat, als Kalif anstelle des Kalifen zu werden, hat im Schauspieler Michael Youn eine hinreißend gute Besetzung gefunden. Hierzulande bekannter sein dürfte Jacques Villeret als Kalif Harun al Pussah (gesprochen von Oliver Kalkofe). Villeret begegnete dem deutschen Kinozuschauer sehr eindrücklich als Außerirdischer an der Seite von Louis de Funes vor beinahe 30 Jahren. Hier spielt er den bequemen und sehr gemütlichen Kalifen, als sei er die Vorlage für den Comic gewesen.
Es heißt, Louis de Funes sei einmal selbst für die Rolle des Isnogud im Gespräch gewesen. Es ist zweifellos schade, dass es nie dazu gekommen ist, andererseits ist Michael Youn derart schwungvoll und cholerisch aufgelegt, dass er diese Comic-Charakter regelrecht lebt. Als Synchronstimme für diesen Film konnte Rick Kavanian gewonnen werden. Der Comedian hat viele Projekte mit Michael Herbig durchgeführt, allen voran natürlich die Bully-Parade. Kavanian, für seine stimmliche Wandelbarkeit bekannt, gibt der Figur durch sein Spiel noch mehr Tiefe, muss in Sangesszenen allerdings zurückstehen.
Gesungen und musiziert wird hier in bester komödiantischer Musical-Manier, aber die Gesangsstimme von Isnogud ist die von Michael Pan. Pan sprach den Großwesir bereits in Zeichentrickserie Isnogud von 1995. (TV-Zuschauer kennen seine Stimme u.a. von Brent Spinner/Data oder Richard Kind/Chaos City.) Beide Sprecher, Kavanian und Pan, nähern sich bei dieser Figur so sehr an, dass der Unterschied erst auf das zweite Hören auffällt (aber es fällt auf).
Die deutsche Version der Verfilmung wirbt nachdrücklich mit den Stimmen bekannter deutscher Comedians. Kavanian und Kalkofe bilden hier nur den Anfang. Rüdiger Hoffmann verleiht dem dienstbaren Tunichgud, dem Diener Isnoguds, einen leicht tranigen Unterton. Tunichgud ist immer zu Diensten, aber nicht immer schnell genug. Er ist stets bemüht, eine Art gutes Gewissen zu sein, hat aber nur selten Erfolg damit. Demzufolge wurde Hoffmann gut ausgewählt, hätte jedoch noch etwas tiefer klingen können. Weiterhin sprechen Christian Tramitz (demnächst im Kino mit der Komödie: Jerry Cotton) und Mirja Boes (Die dreisten Drei).
Eine echte Überraschung ist Badesalz. Das hessische Komikerduo übernimmt die Sprechrollen der beiden Djinnis Ouz und Ouzmoutousouloubouloubombe. Die beiden Geisterchaoten, ein grüner und roter, passen sich nicht nur perfekt in die bekannte Welt von Isnogud ein, mit Badesalz, Henni Nachtsheim und Gerd Knebel haben sie zwei herrlich babbelnde Stimmen gefunden, in denen manchmal sogar das Hessische durchblinzelt und einen tollen humorvollen Kontrast zur orientalischen Märchenwelt bildet.
Die Welt von Isnogud ist sehr stimmungsvoll und mit Liebe zum Detail umgesetzt worden. Der Prolog, wenn man es so nennen will, ist zunächst noch sehr märchenhaft. Als Erzähler hört der Zuschauer Friedrich Schoenfelder (einst die Synchronstimme von David Niven), der mit seiner großartigen Stimme, in der stets etwas von einem Gentleman mitschwingt, sofort den Zuschauer einzufangen weiß.
Die grafische Aufbereitung durch den Kollegen Computer ist bilderbuchartig. Kleinigkeiten sind überall eingestreut. Immer wieder gibt es etwas zu entdecken, für den Schmunzler wie auch für den Brüller. Sei es das einsame Tor in der Wüste (für einen Zaun fehlte dem Sultanat offensichtlich das Geld) oder die Gestaltung der verschiedenen Zauberlampen, allen voran jene für gleich zwei Geister. Die Farben sind eine wahre Pracht, die Ausleuchtung sorgt für eine Atmosphäre wie in Tausendundeiner Nacht.
Wie es sich für das Morgenland gehört, sind die Kleidungen und Ausstattungen sehr fantasievoll und bunt. In Tanzszenen und Musikeinlagen wehen die Gewänder. Einer schönen Choreografie folgt perfektes komödiantisches Timing und fängt den Geist der Isnogud-Reihe so ein, als habe ein Fan sich um die Umsetzung gekümmert.
Wer Isnogud kennt, darf sich über eine klasse Comic-Verfilmung freuen. Wer ihn nicht kennt, wird von einer tollen Komödie auf das Beste unterhalten. Vorkenntnisse sind nicht nötig. Ansehen, lachen, schmunzeln: Mit Isnogud ist ein Spaß für die ganze Familie gelungen. 🙂
Der bitterböse Großwesir Isnogud: Bei Amazon bestellen
Montag, 18. Januar 2010
Aus den Ecken und den dunklen Schatten tritt langsam eine kleine Armee Untoter hervor. Die beiden Kämpfer haben keine andere Wahl, als sich den lebenden Leichen zu stellen. Sie sind eingekesselt. Eine Flucht ist unmöglich. Fairness gibt es in diesem Kampf nicht. Ein Fehler bedeutet den Tod. Ritter Gunther und sein Kampfgenosse wehren sich mit Schwert und Fackel. Die Übermacht stellt sie vor eine übermenschliche Herausforderung. Schließlich stellt sich Gunther ein einzelner Mann entgegen: Nakasch. Einst ein Freund, nun ein Monster. Alle anderen weichen. Dieser Kampf gehört den beiden allein.
Gunthers Suche nach dem Aar, jener Kreatur, die in den finsteren Gängen unter der Erde ihr grausiges Leben führt, ist bei weitem nicht das einzige furchtbare Ereignis in jenen Tagen. Noch immer wollen die Christen, die sich einen Flecken Erde im Morgenland erobert haben, auch des wahren Ziels habhaft werden: Hierus Halem. Robert von Tarent, brutal, gewalttätig, aber auch stark, will den Feldzug gegen die Ungläubigen anführen, doch längst sind nicht mehr alle von der Gläubigkeit des Heerführers überzeugt. Seit der Quadj ihn berührte, ein teuflisches Wesen, ist seine Seele unrein. So sieht es jedenfalls Jurand von Pommern, ein Geistlicher. Der alte Mann fordert ein Gottesurteil. Jemand soll mit Robert von Tarent um die Führerschaft kämpfen. Der unerwartete Herausforderer ist niemand anderes als der Herr der Maschinen.
Jean Dufaux schlägt ein weiteres Kapitel des Kreuzzuges auf. Oder sollte man sagen: Seines Kreuzzuges. Ohne Zweifel ist vieles über jene Tage bekannt, aber beileibe nicht alles. Einiges von dem, was sich Jean Dufaux sich hier ausgedacht hat, darf allerdings bezweifelt werden. Kreuzzug beginnt relativ normal, bevor es sich zu einer sehr düsteren Fantasy-Geschichte voller Geheimnisse, seltsamer Begebenheiten und Begegnungen, Geister, Untoter, Dämonen und Kämpfe auswächst.
Mit dem Abschnitt um den Ritter Gunther geht es klassisch hinunter in einen Dungeon. Rollenspieler werden sich in dieser Szene gleich wie zu Hause fühlen. Freunde von Ideen, die vor Düsterheit und Verzweiflung triefen, finden hier genau die richtige Teilhandlung. Der Aar, ein Wesen der Dunkelheit, Menschenfresser und Dämon, könnte ein Bruder von Gollum sein. Monströs zwar, doch über die Maßen unglücklich und einsam.
Jean Dufaux führt einige Fäden zusammen, so dass ein Gesamtbild ersichtlich wird. Das war auch nötig, denn der Beginn war weitschweifig und nötigte dem Leser Geduld ab. Langsam werden die Verbindungen zwischen den Lebenden und Toten, den Menschen und der Geisterwelt deutlich. Es wird klar: Was grob wirkte, ist in Wirklichkeit dicht verwoben, so dass auch Freunde romantisch dunkler Fantasy ebenfalls auf ihre Kosten kommen.
Als Zeichner kann Philippe Xavier so sehr unterschiedliche Bilder herausarbeiten. Bei einigen Szenen würde man sich wünschen, er habe mehr Platz eine Szene zu erzählen und Figuren zu zeigen. Wenn sich das Böse und das Licht der Märtyrer auf dem Schlachtfeld begegnen, schwingt etwas Episches mit, das von Dufaux ruhig mit einer breiter angelegten Grundlage hätte versehen werden können. Trösten darf sich der Leser und Fantasy-Fan jedoch mit dem Kampf zwischen Robert von Tarent und dem Herrn der Maschinen. Der Gipfel dieser Sequenz ist einer mehrere Seiten starke Breitwandstudie, die man länger auf sich einwirken lassen kann. Es mag an dieser Stelle ein Experiment sein, wie es bei den Vorgängern auch schon vollzogen wurde, aber es dürfte zu den gelungensten Ideen seit geraumer Zeit gehören.
Sieht man einmal von der Thematik ab, die nicht jedermanns Sache sein muss, findet der Leser hier eine doppelseitige Einleitung, eine über vier Seiten ausklappbare Folgeszene und einen Abschluss über eine Seite. Das Besondere: Es wirkt ohne Text. Den gibt es zwar, auf den sollte aber zunächst verzichtet werden. Selten ist die Wirkung in Comicalben so eindeutig, auch so wuchtig, bombastisch. Übersetzt könnte man sagen: Hat vorher die Band gespielt, stimmt nun ein Symphonieorchester das Finale an.
Beinharter Horror, traurige bittersüße Romanzen, tragische Entwicklungen, heldenhafte Kämpfe: Dufaux und Xavier breiten eine Breitwandgeschichte vor dem Leser aus, die es mehr als zuvor in sich hat. Fans von dunklen Fantasy-Szenarien, solche, die mehr das Ende als den Beginn eines HdR bevorzugen, kommen hier auf ihre Kosten. 🙂
Kreuzzug 3, Herr der Maschinen: Bei Amazon bestellen
Samstag, 16. Januar 2010
Abseits des Weltraums und der Abenteuer hat Hyleyn ein schönes, fast paradiesisches Zuhause. Sie erholt sich hier nach einer großen Strapaze, die viele das Leben gekostet hat. Kämpfe, Intrigen, Sprünge zwischen den Sternen und ein möglicher Untergang eines ganzen Planeten: Hyleyn und ihre Freundin Darshine haben alle Hände voll zu tun, um mit der Situation fertig zu werden und zu retten, was zu retten ist.
Hyleyn hat sich verändert. Schwierig zu sagen, welcher Art ihre Veränderung ist. Das Universum um die Hauptdarstellerin Hyleyn ist gänzlich anders als die üblichen Science Fiction Szenarien, die einen Anschluss an die Realität suchen oder so tun, als erzählten sie die mögliche Geschichte einer menschlichen Gesellschaft in der fernen Zukunft.
Hyleyn gehört zu den Sinkha, einer Ansammlung von Wesen mit unterschiedlicher Ausprägung. Hyleyn war einmal normal. Bis zu einem Vorfall, bei dem nur ihr Kopf übrig blieb. Seither besitzt sie einen neuen Körper aus Sinkha-Materie …
Marco Patrito, Autor und 3D-Künstler dieser Geschichte, hat, man mag es anhand dieser wenigen Beschreibungen schon merken, tief in die Kiste der Fantasie gegriffen und etwas sehr eigenes erdacht. Man gewinnt den Eindruck, als müsse alles möglichst neu sein, damit keine Vergleichbarkeit entsteht. Das Gesamtkonzept ist in gewissem Sinne (auch gestützt durch die sehr plastischen Grafiken) ätherisch. Hyleyn ist eine perfekt gestylte und gebaute weibliche Figur mit Stupsnäschen. Ihre Oberflächenstruktur ist gerade in Nahaufnahmen geradezu perfekt. Es fehlt nicht allzu viel und sie könnte echt wirken.
(Ein Eindruck lässt sich den Links unten folgend auf verschiedenen Homepages gewinnen.)
Marco Patrito hat als Illustrator über 160 Science Fiction Buchtitelbilder geschaffen. Sein Bilder nehmen für sich in Anspruch, möglichst realistisch zu wirken. Sein Sinkha erschien auch in Heavy Metal, was auch ein wenig darüber aussagt, dass die Geschichte nicht unbedingt Mainstream ist. Sinkha nimmt technisch einiges vorweg, was heutzutage selbstverständlich ist und viel leichter vonstatten geht. Gestartet wurde 1995 mit einer Vorgeschichte. 2002 entstand die vorliegende Episode. So betrachtet ist Sinkka als Space Opera experimentell, sucht geradezu das Neue, neue Wege und erschafft eine Welt, eine Geschichte, die optisch über die Maßen opulent daher kommt. 2007 sollten noch zwei Fortsetzungen entstehen.
Neben Heleyn agiert Darshine, die gleichermaßen Raumschiff und Frau ist. Ein wenig erinnert die Gestaltung nicht nur wegen ihrer technischen Ausprägungen an Science Fiction im Stile von Babylon 5. Das mag am Glanz der Bilder liegen, eine Art Metallic, wie sie manchen Computergrafiken zueigen ist. Manche Gegenstände, die eher stumpf sein sollten, gleißen. Die Lichtverhältnisse sind grundsätzlich eher strahlend. In einem Film wäre die Ausleuchtung zu stark. Hierdurch geht Räumlichkeit eher verloren, obwohl sie durch den 3D-Charakter eigentlich verstärkt werden sollte. Bombastisch wird es dennoch, wenn halbseitige oder ganzseitige Bilder mit den Ideen ihrer Macher protzen. Bei aller Selbstverständlichkeit, mit der solche Bilder heute entstehen, ist der Effekt immer noch beeindruckend.
Eine ungewöhnliche Space Opera eines Künstlers und seines Teams, ein Stückchen Comic-Geschichte, faszinierend ideenreich, grafisch aufwendig, sicherlich nicht jedermanns Sache, wenn es um traditionell gezeichnete Comics geht, aber zuweilen müssen auch Experimente gemacht werden. 🙂
Sinkha, Hyleyn: Bei Amazon bestellen
Links:
www.sinkha.com
www.darshine.com
www.patrito.com
en.wikipedia.org/wiki/Sinkha
Endlich haben die Mitglieder des Teams Zeit, sich mit ihren eigenen Problemen zu beschäftigen. Während Abe professionell zu bleiben versucht und dem Geheimnis des Wendigo nachspürt, kümmert sich Johann um die einfache Angelegenheit, wieder ein Mensch zu sein. Liz nähert sich einem weniger gefährlichen, dafür einem umso regloseren Gast: Miss Panya hat 3000 Jahre überlebt. Nun ist sie ans Bett gefesselt. Doch mit ihrer Hilfe kann sich Liz dem Mann annähern, der sie in ihren Halluzinationen besucht. Liz kann nicht sagen, ob er sie bedrohen oder beschützen will. Einen gibt es jedoch, der genau weiß, was dieses Wesen will. Völlig überraschend gibt sich ein nicht gerade unbekannter Held ein Stelldichein. Nur um gleich darauf wieder zu verschwinden.
Menschen, die vom Bösen befallen sind, haben sich zum beliebten Thema nicht auf dem Gebiet des Horrors ausgewachsen. Sei es der beliebte Werwolf, der Vampir ebenso (der es zu einem eigenen Genre geschafft hat), der Tierhorror in Form eines Reliktes oder auch der reine Menschenfresser, wie er sich in Totem findet: Der Mensch ist immer noch der beste Wolf des Menschen.
Die B.U.A.P., die Behörde zur Untersuchung und Abwehr paranormaler Erscheinungen, hat einen Maulwurf in ihrer Mitte. Zuerst ist es sehr fragwürdig, wer der Eindringling ist und das Team folgt einer falschen Spur. Als schließlich die Antwort offen zutage tritt, sind alle schockiert. Mike Mignola und John Arcudi lassen ihr Team nicht zur Ruhe kommen. Gerade noch sind die Bedrohungen von außen nicht aktuell, da kommt die Gefahr aus dem inneren Kreis. Mignola und Arcudi geben einem der Charaktere eine Zeit des Menschseins und lockern so die Atmosphäre zunächst auf: Johann Krauss erhält einen Körper. Und was für einen!
Durch den künstlich entstandenen (und seelenlosen) Körper, den die Behörde auf einem ihrer Einsätze sichern konnte, ist Johann, der bis dahin nur als Protoplasma existierte endlich wieder ein menschliches Leben möglich. Allein der Genuss von Nahrung wird zu einem Erlebnis. Andere menschliche Belange erzeugen geradezu Höhenflüge bei Johann, der über Jahrzehnte auf jegliches körperliche Gefühl verzichten musste (sieht man von eher geborgten Momenten bei Untersuchungen ab).
Aber die Geschehnisse um die B.U.A.P. sind weniger vergnüglich als spannend. Deshalb wird es gruselig, mysteriös, auch brutal: Der Wendigo, der in den Zellen der Behörde einsitzt ist anfänglich der Kern der Fragen. Es entlädt sich eine Welle nackter Gewalt, die die Ruhe zum Einsturz bringt und noch mehr Fragen hinterlässt. Als Leser wird man von den beiden Autoren fest bei der Hand genommen. Den Charakteren wird auf den Zahn gefühlt, die Atmosphäre vertieft. Dadurch treffen die Schicksalsschläge härter. Mignola und Arcudi haben die Figuren nicht nur mit Hintergrundgeschichten versehen, die eine hohe Detaildichte aufweisen, auch ihre Gefühle lassen sich wunderbar ablesen.
Guy Davis bedient sich dieser Vorgaben vortrefflich: Sein Johann, der in einer Art aufgepumpter Arnold Schwarzenegger Version nun das Leben unsicher machen darf und mit kindlicher Freude alles neu für sich entdeckt, lässt einen unwillkürlich schmunzeln. Seiner Liz Sherman, die den Geheimnissen ihrer Halluzinationen auf der Spur ist, wünscht man endlich etwas Frieden. Aber noch besser geraten sind seine Monster: Das Jaguarwesen wie auch der Wendigo strotzen vor Kraft. Obwohl sie gestalterisch einfach wirken mögen, zeigt gerade ersteres, wie eine Figur sich entwickeln und den Leser überraschen kann.
Die seltsame Haltung, die krummen Gliedmaßen, das Maul und auch das zerrissen scheinende Becken könnten den Ideen eines H.R. Giger entsprungen sein. Sie besitzen aber nicht die Eleganz der Kreaturen des Schweizer Künstlers. Dafür entwickelt sich dieser Jaguar-Mensch. Er wächst auf noch bedrohlichere Maße an, erscheint, obwohl er auf einer Raubkatze basiert, dank des Designs wie eine Abart einer Schlange.
Eine sehr tief gehende Episode. Angesichts sonstiger weit reichender Geschichten ist dies hier fast ein Kammerspiel. Natürlich dürfen rätselhafte Ausblicke nicht fehlen. Mignola und Arcudi säen einige interessante Auftritte, die in der Zukunft noch eine Rolle spielen können. Dank der Kolorierung von Dave Stewart ist ein cineastisches Horrorabenteuer entstanden. Top. 🙂
B.U.A.P. 7, Tödliches Terrain: Bei Amazon bestellen