Storm hat nur eine kurze Begegnung mit dieser ihm unbekannten Zivilisation. Allerdings verläuft das Zusammentreffen alles andere friedlich. Der Rest von Storms Aufenthalt verläuft immerhin gewaltlos, aber wenig herzlich. Rothaar ist vergiftet worden. Wieder einmal muss sich Storm einer Erpressung beugen, um an das Gegengift zu kommen, das seine Gefährtin heilen kann. Die Aufgabe, nämlich die Befreiung eines Herrschersohnes aus der Hand eines feindlichen Volkes, ist schwierig. Die Chancen für eine Rückkehr stehen schlecht. Storm bittet jüngsten Sohn des Herrschers, auf Rothaar aufzupassen. Und macht damit den Bock zum Gärtner.
Der schleichende Tod ist mehrdeutig. Sicherlich beschreibt er die von den Raketen ausgehende Strahlung äußerst treffend. Aber auch die riesige Spinne, fast schon eine Hommage an Kankra aus dem Herrn der Ringe (vor der Verfilmung selbstverständlich), ist ein schleichender, lautloser Tod. Don Lawrence, hier als Texter und Zeichner in Personalunion, inszeniert eine packende Szene mit einem solchen Untier. Rückblickend heißt es, Don Lawrence sei mit seinem Ausflug in die Texterriege für Storm nicht ganz glücklich gewesen. Allerdings ist ein Lawrence, der sich selbst nicht so gut einschätzt, immer noch weitaus besser als andere aus dem Comic-Geschäft.
Mit dieser Ausgabe, die Fans der Reihe auch unter dem früheren deutschen Titel Die falschen Götter kennen, wird das Ende von Storms Aufenthalt auf der Erde eingeleitet. Nach all den Kämpfen, den Reisen, den Odysseen, die Storm zusammen mit seiner Freundin Rothaar durchgestanden hat, ist ein wenig Stillstand eingetreten. Der Befreiungskampf gegen die außerirdischen Invasoren, der ein gutes und spannendes Thema gewesen war, ragte über die kürzeren Abenteuer hinaus, die sich sehr stark mit Vergangenem beschäftigten, das sich auf die eine oder andere Art einen Einfluss auf die Zukunft bewahrt hat.
Hier sind es gigantische Raketenprojektile, die von einem einfachen Volk als Götter verehrt werden. Das erinnert an eine ähnliche Konstellation aus Die Rückkehr zum Planet der Affen, der rund 10 Jahre vor der Erstveröffentlichung des Albums erschien. Es mag Lawrence verziehen sein, dass er sich möglicherweise hat inspirieren lassen. Selbst Comic-Größen wie ein Jean-Michel Charlier waren davor nicht gefeit. Weitere Inspiration erfolgt durch die südamerikanische Kultur alter Völker. Welche Lawrence sich genau zum Vorbild nahm, lässt sich durch pures Lesen nicht bestimmen. Lawrence spielt mit den knallbunten Farben. Kleidung, Dschungel, verfallene Tempelbauten, das Fremde der Raketen, die wie ein vollkommener Gegensatz zu all der Folklore mit ihrer kalten Technik das Bild durchbrechen.
An diesem grundsätzlichen Punkt der Geschichte findet sich die gute alte Weltuntergangsstimmung der 60er und 70er Jahre wieder. Passend zu diesem postapokalyptischen Szenario gibt es die Bösewichte, deren Gesichtsschnitt Lawrence sehr gerne und mit großer Bravour gemalt hat. Es ist ein indianisches Äußeres, mit breiten Wangen, leicht geschlitzten Augenpartien, breiter Nase und einem volllippigen Mund. Passend dazu legen sich zumeist schwarze, glatt hängende Haare um das Gesicht. Lawrence konnte hervorragend gemeine Gesichter malen. Hier ragen als Beispiel Yucan und sein Sohn Kai hervor. Vor der aktionsgeladenen Handlung entspinnt sich ein zusätzliches Drama, wie es bekanntere Autoren schon verwendeten: Vater gegen Sohn im Kampf um die Macht.
Als Schmankerl fielen Lawrence einige Szenen ein, die sofort ein Kinogefühl entstehen lassen. Storm, der an einem selbstgebastelten Drachenflieger hängend von einem riesigen Kondor attackiert wird. Storm, der gegen einen vierarmigen Gegner im Schwertkampf antreten muss. Nicht zu vergessen: Storm, der sich gegen eine wild gewordene Rothaar wehren muss. Die künstlerischen Fähigkeiten von Don Lawrence sind an diesem Punkt seiner Karriere schon sehr weit fortgeschritten. Die Entwürfe der Tiere, der Technik, der Einsatz von Farben und auch der eigentliche Zeichenstil selbst heben ihn von anderen Künstlern ab und machen ihn erkennbar.
Die fein gestrichelten Linien, aus denen sich Flächen, Schattierungen und Verläufe ergeben, sind, so scheint es manchmal, fast unter der Lupe entstanden. Urwälder, Wasserflächen und Wasserläufe wirken stets organisch. Das geschmolzene Gestein ist nur ein Vorgeschmack auf das spätere Abenteuer, in dem sich Lawrence vollends auf einen Lavasee begibt.
Der Abschluss einer Welt, man könnte sagen der Epilog. Don Lawrence schreibt und malt die letzte Episode Storms auf der Erde, bevor es in Richtung Pandarve auf die Reise geht. Die Zutaten Spannung und Überraschung sind gegeben, das künstlerische Talent von Lawrence macht den vorliegenden Band zu einem Augenschmaus. 🙂
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