Die beiden Jugendlichen können einfach nicht miteinander: Die Strafe folgt auf dem Fuße. Stehen, nur stehen. Nicht bewegen. Bei Zuwiderhandlung ist der Diener angewiesen, sofort mit Stockhieben für die nötige Mütchenkühlung der beiden zu sorgen. Marcus Valerius Falco und Gaius Julius Arminius, der eine Römer, der andere Germane und römische Geisel, brauchen eine gewisse Zeit, um einander nicht bei jeder Gelegenheit und aus dem unsinnigsten Anlass an die Kehle zu gehen. Da hilft nur Zucht und Ordnung. Und die Ausbildung im Waffengang ist hart und unerbittlich …
Endlich wieder Römer! Die Antike wird im Comic leider sträflich vernachlässigt. Es gab Jughurta und The Last Battle und sonst … Nachdem Filme wie Gladiator, Serien wie Rom das Genre neu belebt haben, musste sich in dieser Hinsicht auf dem Comic-Sektor auch wieder etwas zeigen. Enrico Marini, der viel mit Stephen Desberg (Der Scorpion) und Jean Dufaux (Raubtiere Jäger der Nacht) zusammen gearbeitet hat, legt hier den Auftakt seiner ganz eigenen Serie vor.
Hermann, der Cherusker, ist dank des Hermann-Denkmals nicht aus der deutschen Geschichte wegzudenken. In der Germanen-Saga von Jörg Kastner wurde diese Epoche auch thematisiert. Ein bei den Römern erzogener Germane wird zur Nemesis derselben, indem er das erlernte Wissen nutzt, um die fremden Herren aus dem Land seiner Väter zu verjagen. So kurz, so heroisch. Enrico Marini nimmt sich der Jugendjahre dieses Arminius, so sein römischer Name, an.
Herrmann (wie er hier geschrieben wird) kommt als Geisel nach Rom. Er ist der Sohn des germanischen Fürsten Sigimer. Kaiser Augustus überstellt ihn an den langgedienten Soldaten Titus Valerius Falco, der sich von seiner Audienz beim Kaiser eigentlich ein Kommando über Truppen erhofft hatte und nicht im Sinn hatte, als Erzieher herangezogen zu werden. Entsprechend finster fällt Falcos Reaktion aus, zumal er auch noch mit Marcus einen Sohn im gleichen Alter hat, dessen Erziehung bisher auch keine besonderen Früchte trug.
Zwei Jugendliche, der eine Germane, der andere Römer, unterschiedlich im Charakter, doch von ähnlichem Stolz, die sich zuerst auf den Tod nicht ausstehen können, werden, durch die gemeinsame Ausbildung aneinander gebunden, zu engen Freunden. Enrico Marini nutzt diese Ausgangssituation zu einer Darstellung der politischen Situation, der römischen Lebensweise, Vorlieben, Ausbildung, er zeigt den Alltag, den Tod und auch die Lust.
In diesem sehr umfassenden dichten Bild kommt er der Konzeption einer Fernsehserie wie Rom nahe. Hier wird auf Echtheit Wert gelegt. Dieses Rom ist kein Hochglanzwerbeprospekt für ein nettes Imperium. Die Reichen mit ihren Sklaven können sich etwas besseres leisten, die Armen am Fuße des Palatin leben im Dreck. Gewalt ist nichts besonderes, das Ausleben der Sexualität gehört zum Normalen, obwohl sich Männer, die sich mit Männern abgeben, doch allerhand Sprüche von anderen anhören müssen. Ist es auch nicht sanktioniert, so wird es doch als Schwäche verhöhnt. Und Schwäche kann bei einem Volk, das sich selbst als Welteroberer sieht, nicht geduldet werden.
Enrico Marini zeichnet nicht nur überaus realistisch, seine Bilder lassen keine Facette dieses römischen Lebens aus. Zwar sind manche Situationen gerade einmal Sekundenblitze (wären es in einem Film), die sich mit einem oder zwei Bildern begnügen, doch bleibt hier nicht viel Platz für Fantasie. Der grafische Stil ist mitreißend, sehr fein ausgeführt und klassisch mit seinem echten Farbauftrag und der Arbeit mit Pinsel (und vielleicht Feder). Es ist eine Technik, die ein wenig an die Arbeiten von Massimiliano Frezzato (Der Planet ohne Erinnerung) oder auch Philippe Buchet (Sillage) erinnert, sieht man einmal von der Kolorierungstechnik ab.
Diese ist lasierend, also durchscheinend in Schichten aufgetragen. Sie ist in Bewegung, hier gibt es keine starren Flächen. Die Ungleichmäßigkeit der Pigmentierung sorgt für natürliche Unebenheiten, Strukturen und sanfte Schattierungen. Er verzichtet weitgehend auf starke Kontraste zwischen Licht und Schatten. Meistens sind die Szenen sehr gleichmäßig ausgeleuchtet wie an einem sonnigen Tag. Aber er bedient sich in Szenen zu entsprechenden Tageszeiten auch gerne des Farbenspiels, das naturgemäß durch die Ausleuchtung per Kerze oder Öllampe entsteht. Insgesamt besitzen die Bilder sehr viel Atmosphäre und sind technisch vorbildhaft.
Ein sehr gelungener und sehr spannender Auftakt. Wer schon lange auf neue Römer im Comic wartete, kann sich über die toll gezeichnete und erzählte Geschichte freuen. Realistisch erzähltes Abenteuer. 🙂
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