Der Fremde könnte erschossen werden. In diesem Augenblick ist ihm das egal. Der Schuss aus dem Gewehr hat das Pferd erschreckt. Es springt herum, scheut, ist panisch. Der Cowboy versucht es zu beruhigen. Die junge Frau mit Namen Comanche, Besitzerin der Ranch Triple Six, ist beeindruckt. Sein spontanes Verhalten hat sie überzeugt. Leider ist da noch Ten Gallons, der alte Vorsteher. Dieser fühlt sich vom neuen Mann ins Abseits gedrängt und nutzlos. Es ist Zeit, um sich aufs Altenteil zurückziehen. Das sieht Red Dust, der Fremde, aber ganz anders.
ZACK 24: (vom Koralle Verlag im Jahre 1972) Vor einem knallgelben Hintergrund schreitet ein einsamer Cowboy auf den Betrachter zu. Den Sattel trägt er auf dem Rücken, die Miene strahlt Gleichmut aus. Für den damaligen Preis von 1,50 DM konnte der Leser gleich zwei Serien von Hermann und Greg verfolgen: Andy Morgan und Comanche.
Auftritt: Red Dust, ein Anhalter im Wilden Westen. Gleich zu Beginn wird klar: Dieser Mann ist ein Tramp. Ein Cowboy, der sich kein eigenes Pferd leisten kann, ist verdammt arm dran. Im zweiten Schritt lässt Greg, der Autor, aber auch keinen Zweifel zu. Red Dust mögen die Mittel fehlen, doch wehren kann er sich. Der erstaunte Kutscher sieht den Auftragskiller, den er bis dahin in seiner Kutsche transportierte, mit gezogenem Colt in den Staub fallen. Dust, der Mann, der aus dem Nichts kam, sorgt sogar dafür, dass Wally Hondo, der nunmehr verstorbene Revolverheld, ein Grab am Wegesrand bekommt.
Wie zieht man schnell, wenn der Griff des Colts im Halfter nach vorne ragt? Es scheint zu gehen, denn Dust hat mit dieser ungewöhnlichen Eigenart den Vorteil im wahrsten Sinnes Wortes am schnellsten bei der Hand. Greg beschreibt seinen Helden als jemanden, der keine Probleme damit hat, sich einzumischen. Red Dust ist der Fremde, er ist ein Archetyp, jemand wie Hondo (gespielt von John Wayne), wie mein großer Freund Shane (gespielt von Alan Ladd) oder auch Mundharmonika (gespielt von Charles Bronson). Nach dem Knall gleich zu dem Beginn, der die Aufmerksamkeit des Lesers sogleich einfängt, folgt ein Lüftchen, das sich bald zu einem Sturm auswachsen wird.
Die Gegner werden in Stellung gebracht. Einer davon, Kentucky Kid, kennt Dust aus der Vergangenheit, sie fochten sogar Seite an Seite. Nun stehen sie sich schon nach wenigen Seiten zum Duell bereit gegenüber. Aber der Schusswechsel bleibt aus. Noch. Greg (mit vollem Namen: Michael Regnier) erzählt in kleinen Episoden gerade so, wie es für eine länger laufende Reihe im Original-Magazin Tintin und später in Deutschland für Zack bestens passt. Hier mag es für neue Leser etwas irritierend wirken, alte Fans von einst haben sich längst daran gewöhnt.
Hermann: Über diesen Zeichner noch etwas zu sagen, dürfte in Comic-Fan-Kreisen wohl kaum nötig sein. Hermann Huppen, mit vollem Namen, platzierte sich mit Werken wie Jughurta, Andy Morgan, Jeremiah und natürlich Comanche auf Augenhöhe mit Grafikern wie William Vance, Victor Hubinon, Albert Uderzo oder Jean Giraud. Hermann schuf mit seinem grafisch sehr realistischem Stil Comic-Klassiker.
Manchmal ist der Tuschestrich bei ihm wild und derb, dann wieder bemüht er sich um sehr feine Strukturen. Da gibt es schon einmal eine Falte zu viel, die Schatten unter den Wangenknochen fallen hin und wieder zu stark aus, so dass mitunter eine gewisse optische Verwandtschaft zu einem noch wilderen Hugo Pratt (Corto Maltese) entsteht. Aber gerade diese Technik, die sich selber keine Grenzen setzt und jeden Strich erlaubt, der hilft, um zu einem guten Ergebnis zu kommen, macht die Arbeit von Hermann aus.
Bei ihm entstehen echte Menschen, keine Stereotypen. Sie haben Figur, scheinen wirklich gewachsen oder auch in die Breite gegangen zu sein, haben gelebt. Bestes Beispiel ist Ten Gallons (toller Name), eine Art Ken Curtis (Festus in Rauchende Colts). Das Gesicht hat einiges erlebt, es ist alt geworden, der Körper ist knochig. Ten Gallons ist so gut getroffen, dass er einer der Figuren ist, die während des Lesens eine Stimme bekommen.
Farblich hat sich einiges getan seit der Zeit in Zack. Waren die Farben dort knallig, wie mit Fingerfarben gedruckt, sind sie hier deutlich zarter, etwas blasser, aber auch mit viel mehr Nuancen versehen. Das ist augengefällig gedeckter und lässt auch mehr Rückschlüsse auf die Originalbilder und die Arbeitsweise Hermanns in diesem Bereich zu.
Eine schöne Sammlerausgabe, gerade für Fans empfehlenswert dank des guten Zusatzmaterials (hier in Form einer Geschichte über Kentucky Kid und weiterer Informationen). Aber auch Western-Fans allgemein können hier fündig werden, da sich weder diese Geschichte noch die Reihe allgemein hinter ihren medialen Verwandten von Leinwand und Fernsehen zu verstecken braucht. 🙂
Comanche 1, Red Dust: Bei Amazon bestellen
Link: www.hermannhuppen.be (Homepage von Hermann)